2012

Auf dem rechten Auge blind?

Dieser Vorwurf wurde schon öfters erhoben. Und immer verneint - Terrorismus gab es offiziell immer nur auf der „linken“ Seite. Etwa bei der Roten Armee Fraktion (RAF). 
Ein ausgebrannter Wohnwagen in Zwickau mit zwei verbrannten Leichen von Uwe BÖHNHARDT und Uwe MUNDLOS sowie die Explosion einer Wohnung in der Nähe, deren (Mit)Bewohnerin, Beate ZSCHÄPE, sich wenige Tage danach selbst der Polizei stellt, zeigen eine andere Wahrheit. Und auch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags „NSU“ („Nationalsozialistischer Untergrund“), der sich schnell und im Konsens gebildet hat, kommen immer mehr unglaubliche Vorgänge ans Tageslicht: Pannen, Eitelkeiten und gegenseitige politische Mißgunst, Kompetenzenwirrwarr in den vielen ermittelnden Behörden, Missmanagement auf allen Behördenebenen, einseitige („blinde“) Ermittlungen und anderes mehr. 
Die Parlamentarier sind entsetzt. Der Bundesinnenminister muss den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ersetzen, der freiwillig aufgibt. An seine Stelle kommt Hans-Georg MAAßEN, ein Beamtenbürokrat, der Vorschriften über menschliches Leben stellt. So hat er es in der Affäre Murat KURNAZ im Jahr demonstriert. Bei jenem 19-jährigen, der direkt nach dem 9.September 2001 nach Pakistan gefahren war, dort aufgegriffen und nach Guantanamo überstellt wurde. Als die Amerikaner ihn wieder freilassen wollten, weil er sich nichts zu Schulden hatte kommen lassen, blockierte die schwarz-rote Bundesregierung: sie wollte den „Bremer Taliban“ nicht zurück. Und gab den Amerikanern zu verstehen, sie sollten doch einfach den Pass des in Bremen geborenen Türken „physisch vernichten“. Damit sei dann auch die Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr existent. Und das Problem für die deutsche Seite gelöst. Derzuständige Referatsleiter für dese Aktion: „MR Dr. Maaßen“. Der politisch Verantwortliche: Kanzleramtsminister Frank-Walter STEINMEIER (SPD).

Wie schwierig es teilweise ist, gegen Rechts anzukämpfen – gegen die Neonazis selbst, aber auch gegen die politische Blindheit – haben viele engagierte Menschen erfahren (müssen).

  • Z.B. die drei Staatsschützer aus dem Polizeidienst in Dessau / Sachsen-Anhalt. Sie gaben sich nicht mit dem Hinweis ihres Vorgesetzten zufrieden, man „müsse ja nicht alles sehn!“, fertigten ein Gedächtnisprotokoll an, das danach in den Petitionsausschuss des Landtags in Magedburg gelangte. Die Folge dieser verbrieften Grundrechts: Die Staatsschützer wurden ausgegrenzt, gemobbt und versetzt. Einer ist heute für die Regelung des Verkehrs eingesetzt, ein zweiter hat den Polizeidienst verlassen. Der Chef der ehemaligen aktiven Truppe ist für das Kasperletheater der Polizei in Sachsen-Anhalt zuständig. Mehr www.ansTageslicht.de/Dessau.
  • Oder auch Thomas KUBAN. Jener Journalist, der sich über viele Jahre undercover in die rechte Musikszene ‚eingeschlichen’ hat um mit versteckter Kamera zu demonstrieren, was alles passiert und an hetzerischen Parolen gegrölt werden kann, ohne dass jemand eingreift. Mehr unterwww.ansTageslicht.de/Kuban.


Justizsystem:

In Bayern greift ein anonymer Whistleblower ein - in die Themenkarriere eines Skandals, der bis dato nur wenigen bekannt war und auf der regionalen Ebene, Raum Nürnberg, stecken geblieben ist: Der Fall des Gustl MOLLATH, der seit 7 Jahren in der Psychiatrie einsitzt. Im Zusammenhang eines Rosenkriegs zwischen seiner „Ex“ und ihm war es der „Ex“ gelungen, den Richter zu überzeugen, dass die von ihm vorgebrachten Vorwürfe, dass sie selbst anderen wohlbetuchten Erdenbürgern zu Steuerflucht und Geldwäscherei verholfen habe, einem „paranoiden Gedankensystem“ entsprängen, an dem nichts, aber auch gar nichts dran sei. Nachdem die Nürnberger Nachrichten als Erste den Fall aufgegriffen hatten und das Politmagazin „Report Mainz“ bereits zwei Male gesendet hatte, gab es zwar Nachfragen seitens der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. CSU und SPD jedoch gaben in seltener Eintracht zu verstehen, dass es hierzulande undenkbar sei, dass Unschuldige in der Psychiatrie einsäßen.
Der beherzte Whistleblower handelt anonym aus einem Internetcafe heraus. Und „leakt“ einen internen „Sonderrevisionsbericht“ der HypoVereinsbank (HVB) an die Anwälte von MOLLATH. Dies ist jene Bank, für die und deren wohlbetuchten Kunden Gustl MOLLATH’s „Ex“ tätig war, wie er schon immer behauptet hatte. Jetzt ist es sozusagen amtlich: Gustl MOLLATH’s Vorwürfe stimmen. Und die Bank wusste das bereits seit rund 10 Jahren. Bayerns MP, Horst SEEHOFER: Er möchte der Justiz ja nicht reinreden, aber sie sei wohl gut beraten, den Fall nochmals aufzurollen. Und so geschieht es auch noch in diesem Jahr. MOLLATH kommt im Juni 2013 frei. Die ganze Geschichte und was alles passieren musste, bis der Skandal die Justiz und Politik erreichte hatte, hier unter www.ansTageslicht.de/Mollath

Ansonsten erreicht eine andere Affäre die Justiz, konkret die Staatsanwaltschaft Hannover: die Affäre WULFF.  Der amtierende Bundespräsident Christian WULFF, der journalistische Nachfragen der BILD-Zeitung mit einem Drohanruf im Dezember 2011 beim Chef des Springer-Verlags beenden wollte, gerät immer stärker ins Visier von immer mehr Journalisten. Der Bundespräsident beantwortet Fragen - wie er das gewohnt zu sein scheint - immer nur halbherzig und weckt damit erst recht die journalistische Neugier. Sein ineffizientes Krisenmanagement mündet in dem Umstand, dass sich jetzt die Staatsanwaltschaft für einige Dinge zu interessieren beginnt. WULFF gibt auf, tritt zurück.

 

Medizin, Gesundheit und Leben(squalität)

In Deutschland ist die medizinische Kunst der Organtransplantationschirurgie hoch entwickelt und es gibt eine breite Infrastruktur. Im Mittelpunkt dieses hochsensiblen Medizinbereichs schaltet und waltet die Deutsche Stiftung Organspenden, kurz DSO, mit Sitz in Frankfurt/M. Bereits im Herbst des Jahres zuvor wurden massive Vorwürfe laut, die der DSO einen "Führungsstil nach Gutsherrenart" und Verschwendung von Geldern bescheinigen. Kaum stellt sich die anonym kommunizierte und durch die taz, die tageszeitungveröffentlichte Kritik als zutreffend heraus, zündet die Affäre die zweite Stufe: Im Universitätsklinikum Göttingen wurden Patientendaten gefälscht, um schneller an die knappen, aber hoch begehrten Ersatzorgane heranzukommen. Die Meldung schlägt ein wie eine Bombe. Aber auch in München rechts der Isar und in Leipzig werden "Unregelmäßigkeiten" festgestellt. Kurz: In der öffentlichen und politischen Diskussion wird das gesamte Transplantationssystem in Frage gestellt. Und erste Veränderungen durchgesetzt. An der Aufdeckung der ganzen Vorfälle waren drei Zeitungen beteiligt:

  • taz, die tageszeitung
  • Göttinger Tageblatt
  • Süddeutsche Zeitung.

Die Recherchen und Veröffentlichungen der Journalisten werden ein Jahr später mit einem "Wächterpreis der Tagespresse" gewürdigt. Alles im Detail nachzulesen unter www.ansTageslicht.de/Organspenden.

 

Sport:

Die Olympischen Spiele finden nicht in Leipzig, sondern in London statt. Zwei freie Journalisten, Daniel DREPPER und Niklas SCHENCK, nehmen sich die Zahlen vor: Wieviel Geld fließt in die Sportförderung? Und wie sehen die Ziel- und Leistungsvorgaben der Politik dafür aus? Neben den üblichen Recherchen stellen die Journalisten rechtzeitig Anträge nach dem Informations- und Freiheitsgesetz (IFG). Das zuständige Bundesinnenministerium hingegen mauert. Und will keine Informationen geben. 448 Tage dauert die Blockade. Doch die beiden Freelancer geben nicht auf und ziehen vor Gericht. Das Bundesinnenministerium mauert noch immer - trotz eines Urteils, das die Behörde zur Herausgabe der Zahlen zwingt. Erst als die beiden Freien einen Gerichtsvollzieher einschalten, gibt das Ministerium nach. Und zwei Tage vor Ende der Großen Spiele die Informationen heraus. Für mehrere Veröffentlichungen immer noch früh genug. Viel wichtiger: Die Zahlen setzen eine Diskussion in Gang - um die Effizienz der Sportförderung. Die beiden Journalisten werden dafür einen "Wächterpreis" erhalten. Alles nachzulesen unter www.ansTageslicht.de/Sportfoerderung.

Und noch ein (Un)Sportereignis bewegt die Welt: Der mehrmalige Sieger der Tour de France - von Kennern schon länger auch als "Tour de Farce" gehandelt - wird endgültig als Lügner überführt: Lance ARMSTRONG. Zwei Whistleblower aus den USA hatten erneut ausgepackt und Ermittlungen in Gang gesetzt.
Schon Jahre zuvor hatten SPIEGEL-Redakteure ein deutsches Sportidol als Dopingmeister entlarvt: Jan ULLRICH. Und dabei auch Fehler gemacht. Mehr unter Tour de Farce + Team Telekom: Die Geschichte einer Geschichte.

 

Medien:

2012 jährt sich zum 50. Male eine der ganz großen Affären, die richtungsweisend für die Entwicklung der jungen Demokratie in Deutschland war: die SPIEGEL-Affäre, die - bezeichnenderweise für die 60er Jahre - nicht nach dem Verursacher benannt wurde, sondern nach dem unbotmäßigen Medium. Heute undenkbar. So ändern sich die Zeiten.
Das DokZentrum hat in Kooperation mit Studierenden der HAW, der Macromedia-Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) sowie der Universität Hamburg dieses wichtige Ereignis und seine Bedeutung rekonstruiert - unter zwei Auftritten:

 Während facebook wächst und wächst und der Hunger nach Größe schier unersättlich ist (das Netzwerk übernimmt für rund 1. Mrd $ den Dienst Instagram), sterben andere: die Financial Times Deutschland (FTD). Im Dezember erscheint die letzte Ausgabe. Die deutsche Ausgabe ist tot.

 

Rest der Welt:

In den USA startet Barack OBAMA seine zweite Amtszeit, in der er die Verfolgung von Journalisten und Whistleblowern fortsetzen wird, die über und aus den Bereichen der "Nationalen Sicherheit" berichten. In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der SPIEGEL-Affäre kritische Berichterstattung ausdrücklich gebilligt.

 

Russland:

Auf der anderen Seite der Welt eröffnet Wladimir PUTIN seine dritte Amtsperiode, die einer kaiserlichen Krönung gleicht. Mit der ‚Inthronisation’ formieren sich in Russland Kräfte einer neu entstehenden Zivilgesellschaft, die allerdings schnell unter Druck geraten werden. Ebenso wie der Spielraum für unabhängige Medien und Journalisten geringer wird: www.ansTageslicht.de/Russland. 
In diesem Zusammenhang muss auch die Whistleblowerin Natalja WASSILJEWA ihren Dienst quittieren. Sie hatte als ehemalige Assistentin jenes Richters, der den Ölmagnaten Mikhail CHODORKOWSKI (Yukos-Konzern) erneut ins Gefängnis stecken ließ, öffentlich gemacht, dass das zweite harte Urteil ‚von oben’ herab diktiert worden war. Sie wird ihr Heimatland verlassen.

(JL)

2012 in Kürze

Die Rekonstruktion des NSU beginnt - viele haben schlecht ermittelt, noch mehr haben gemauert.

Ein anonymer Whistleblower aus der HypoVereinsbank bringt die Affäre Gustl Mollath endgültig ins Rollen.

Parallel dazu kommt der Organspendenskandal der DSO ans Tageslicht.

Bei den Olympischen Spielen tritt Deutschland enttäuschend auf.

In Russland kommt es zu ungeahnten Massendemonstrationen.