Rudi KÜBLER

„Langgediente Mitarbeiter sollten entlassen werden, darunter etliche Frauen mit Behinderungen, die anderswo nie wieder einen Job bekommen würden.“ Rudi Kübler deckte verheerende Missstände im Fall der Sanierung des Uni-Klinikums Ulm auf und zeigt dadurch, wie wichtig investigativer Journalismus noch heute ist.

Kübler startete seinen beruflichen Werdegang, nach dem Abitur 1979 am Schubart-Gymnasium Ulm und anschließendem Zivildienst bei der Lebenshilfe Ulm/Neu-Ulm 1981, mit einem Studium in Geschichte und Politik an der Eberhard-Karl-Universität Tübingen.  Mit dem Ziel Lehrer zu werden, kam 1983 der Studiengang Sportwissenschaft hinzu. Nach seinem Magister im August 1989, zog es Kübler ein Jahr lang in die USA, wo er an der Cortland University, State University of New York, die Fächer Geschichte, Politik und Fotographie belegte.

Anschließend, ab September 1990, gehörte er zum festen Stamm freier Mitarbeiter in der Sportredaktion der Schwäbischen Zeitung Ulm, für die er durch ein Praktikum und anschließender freier journalistischen Arbeiten, schon während des Studiums Artikel schrieb. So war er von 1987 bis 1989 zusammen mit Kommilitonen für die Sportberichterstattung beim „Albbote“ in Münsingen, einem Tochterverlag der Südwest Presse Ulm, zuständig.

Im Oktober 1991 wurde Kübler schließlich Volontär der Lokalredaktion Ulm der Südwest Presse. Zu diesem Zeitpunkt merkte Mayer, dass ihn die große Bandbreite der Lokalredaktion so gut gefiel, dass er von seinem eigentlichen Wunsch Sportredakteur zu werden, Abstand nahm.

Nach dem Volontariat, arbeitete er als Springer mit Zeitvertrag in verschiedenen Außenredaktionen, bis er im Juni 1995 seinen festen Redakteursvertrag in der Lokalredaktion Ulm bekam. Seine Schwerpunkte lagen in der Berichterstattung zur Hochschule Ulm, der Hochschule Neu-Ulm, der Universität, sowie dem Uni-Klinikum und dem Rehabilitationskrankenhaus Ulm. Zudem recherchierte er über die Geschichte der Stadt Ulm zu NS-Zeit.  Zusammen mit zwei weiteren Kollegen wurde Kübler zum Blattmacher der Lokalredaktion. 


Was hat Sie motiviert, diese Geschichte zu bearbeiten?

„Uns beide, Christoph Mayer und mich, hat von Anfang an gewundert, wie das Klinikum dieses 240-Millionen-Euro-Projekt finanziell stemmen wollte - immerhin schoss es auch den Landesanteil vor. Erst als der Vorstand zwei Jahre hintereinander negative Jahresabschlüsse in Millionenhöhe verkündete und die Mitarbeiter unter dem rigiden Sparkurs immer mehr zu leiden hatten, wuchs das Thema langsam in unseren Köpfen heran. Und dann gewann die ganze Geschichte ab einem bestimmten Punkt - es war wohl das Interview, das unter anderem die Gehälter der beiden Direktoren beinhaltete - eine Eigendynamik. Es meldeten sich vermehrt Mitarbeiter der Klinik, auch solche, von denen wir es nie erwartet hätten. Gerade letztere offenbarten, wie hoch der Leidensdruck am Klinikum war. So kamen wir auch an den bis dato unveröffentlichten Prüfbericht des Landesrechnungshofes und an weitere wichtige Papiere, die auf finanziellen Ungereimtheiten deuteten.

Hilfreich war in diesem Zusammenhang auch, dass ich im Jahr zuvor über das Rehabilitationskrankenhaus Ulm (RKU) eine Artikelserie verfasste. Dort wollte sich der Geschäftsführer von mehreren Bereichen trennen, das heißt: Langgediente Mitarbeiter, sollten entlassen werden, darunter etliche Frauen mit Behinderungen, die anderswo nie wieder einen Job bekommen würden. Ich berichtete aus einer Betriebsversammlung, in die ich mich einfach reinsetzte - sehr zum Missvergnügen des Geschäftsführers, der am Tag darauf lesen musste, wie seine arrogante Art und sein teilweise menschenunwürdiger Umgang mit den Mitarbeitern ankam.

Ich berichtete darüber, wie versucht wurde, die Mitarbeiter unter Druck zu setzen, wie sie auf üble Art und Weise gemobbt wurden. Und ich musste erfahren, dass das Uni-Klinikum Ulm, dem 50 Prozent des RKU gehören, nichts gegen den Geschäftsführer unternahm. Im Gegenteil,  der Kaufmännische Geschäftsführer des Uni-Klinikums bestärkte den Geschäftsführer, der von der SANA AG eingesetzt worden war. Um Sanierung ging es übrigens nicht, das RKU hat in den vergangenen Jahren immer Millionengewinne verbucht. Die Berichterstattung verhinderte zwar nicht, dass die Mitarbeiter entlassen wurden, aber beim Sozialplan mussten die beiden Eigentümer wesentlich tiefer in die Kasse greifen. “


Gibt es noch weitere Geschichten, die Sie bearbeitet haben, die Sie für wichtig halten?

„Eine weitere, für mich als Historiker wichtige Artikelserie: Ulm 1933. Darin beschrieb ich, wie die Nationalsozialisten sämtliche demokratischen Institutionen in Ulm ausschalteten und Terror, Einschüchterung, Ausgrenzung und Verfolgung Einzug hielten. Aus der Serie, die 2008, also 75 Jahre nach der „Machtergreifung“ Hitlers, dem Leser schlaglichtartig die damaligen Ereignisse in seiner Stadt näherbrachte, entstand das Buch "Ulm 1933. Die Anfänge der nationalsozialistischen Diktatur", das vom Haus der Stadtgeschichte herausgegeben wurde.“


Wenn Sie jemand fragt, warum Journalismus wichtig ist, was würden Sie ihm sagen?

„Weil er informiert, aufdeckt und Zusammenhänge herstellt, die ansonsten in einer immer komplexer werdenden Welt verborgen bleiben würden.“


Warum sind sie immer noch fasziniert von ihrem Beruf?

„Weil die Arbeit einfach Spaß macht - meistens wenigstens. Auch wenn der Druck in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Ein zweiter Grund: Ich kann weitgehend selbstbestimmt arbeiten und Themen selber setzen.  Und ich habe das Glück, einen Lokalchef (Hans-Uli Thierer) zu haben, der einem bei solchen Recherchen den Rücken stärkt und auch die Freiräume dafür lässt.“


 
Kontakt: r.kuebler(at)swp(dot)de

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