Werner BORCHARDING

Nach Recht und Gesetz ist hierzulande jeder verpflichtet, Straftaten anzuzeigen. Auch bei Verdacht auf solche. Werner Borcharding hat das getan. Als Staatsbürger, der ein Gewissen hat. Und als Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen, der einen Amtseid geleistet hat. Ausgezahlt für ihn hat sich sein aufrechtes Verhalten nicht, im Gegenteil.

Und darum ging es:

Rechtsbeugung (§ 339 StGB)

  • Strafvereitelung im Amt (§ 258 a StGB)
  • Begünstigung (§ 257 StGB)
  • Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat (§ 357 StGB).

Alle diese Straftatbestände wurden von der Staatsanwaltschaft Bochum, die u.a. auf Wirtschaftkriminalität und Steuerhinterziehung spezialisiert ist (vgl. Liechtenstein-Fälle 2008), als objektiv erfüllt angesehen. Tatort: Das "Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung" in Münster sowie die diese Behörde überwachende "Oberfinanzdirektion Münster".

Konkret ging es um Steuerhinterziehung. Und dies auch in einem Finanzamt. Aber: Trotz ausreichender Ermittlungen der Staatsanwälte kam es nicht zu einem regulären Gerichtsprozess. Offiziell war den Beschuldigten, hohen Beamten in diesen beiden Institutionen, angeblich kein Vorsatz nachzuweisen. Tatsächlich dürfte es 'Druck' gewesen sein. Der verantwortliche Finanzminister (später Ministerpräsident von NRW und von 2005 bis 2008 sogar Bundesfinanziminister) Peer Steinbrück (SPD). In letzterer Funktion hatte er häufig gegen Steuerhinterzieher und „Burkina-Faso“ – Länder gewettert. 
Aber auch zu dem anderen Gerichtsprozess, der sich auf den auslösenden Steuerfall bezog, kam es nicht. Ein offizielles Verfahren gegen den weltweit bekannten Farbenhersteller "Brillux" aus Münster, wurde nach § 153a der Strafprozessordnung (StPO) gegen Zahlung einer Buße in Höhe von 250.000 Euro eingestellt – die Fa. Brillux GmbH & Co.KG hatte Steuern hinterzogen.

Wenn 'Steuerbetrug' entdeckt wird, kommt es normalerweise immer zu einem Strafverfahren. Im konkreten Fall hatte man in den Finanzbehörden in Münster versucht, die Straftat 'niedrig zu hängen' bzw. das Ganze niederzuschlagen. Es hätte fast geklappt, wenn nicht der Steueramtsrat Werner Borcharding 1994 ein 'Weihnachtspaket' erhalten hätte. Borcharding war neben seinem Beruf als langjähriger Steuerfahnder im fraglichen Finanzamt Münster Mitglied des Personalrats und Vorsitzender des Ortsverbands der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG). Er galt als aufrecht und unbestechlich. Er genoss das Vertrauen seiner Kollegen.

Im 'Weihnachtspaket' war der Fall "Brillux" dokumentiert: die Steuerhinterziehung des Unternehmens und die Strafvereitelung im Amt. Borcharding erstattete Anzeige. So sah es im Bundesland NRW schon damals das Landesbeamtengesetz vor (§ 64). 
Die Folgen:

  • Werner Borcharding wird zwangsversetzt und nicht mehr befördert. Vor dem Verwaltungsgericht unterliegt er. Zwar habe er im Prinzip recht, meinen die Richter, aber er habe den Amtsfrieden beeinträchtigt. Die Zwangsversetzung sei daher rechtmäßig, weil „aus dienstlichen Gründen“ erfolgt. Borcharding gibt entnervt nach 11 Jahren auf, scheidet 2005 aus dem Dienst.
  • Auch die ermittelnden Staatsanwälte geraten unter Druck – die Finanzbehörden signalisieren, deren Steuerakten genauestens unter die Lupe zu nehmen. Die Staatsanwälte geben auf.
  • Die für die Niederschlagung verantwortlichen Beamten im Finanzamt werden nicht belangt - einigemachen stattdessen Karriere. Z.B. der Finanzamtsvorsteher, der die Anweisung zur Einstellung des Verfahrens gegen Brillux erteilt hatte: Er wird kurz darauf in die Oberfinanzdirektion berufen. Dort steigt er zum Abteilungsleiter auf. Danach wird er Finanzpräsident.
  • Die Fa. Brillux kann sich freikaufen: mittels einer Geldbuße, ohne die hinterzogenen Steuern nachzahlen zu müssen.
  • Die Deutsche Steuergewerkschaft (DStG) setzt sich nicht für jenen ein, der sich für Steuergerechtigkeit verwenden wollte, was eben diese Gewerkschaft sonst auch als ihr Ziel propagiert: Steuerehrlichkeit und Verhinderung von Steuerhinterziehung. Im Gegenteil: Sie lässt Borcharding im Regen stehen, hält seine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft sogar für eine Verletzung des Steuergeheimnisses.

Nachdem Werner Borcharding erst intern Alarm geschlagen hatte und von seinen höchsten ‚Chefs’, dem Landesfinanzminister von NRW und dem inzwischen zum Ministerpräsidenten aufgestiegenen Peer Steinbrück, keine Antwort erhält, geht er mit seinen Informationen an die Medien und die Öffentlichkeit: Die Menschen sollen wissen, wie ernst es dem Staat ist, wenn offizielle Vertreter „Steuerhinterziehung“ als kriminelles Delikt ‚verkaufen’. Zusammen mit anderen gründet er das Whistleblower-Netzwerk.

Ausführlich dokumentiert ist dieser Fall unter www.ansTageslicht.de/BORCHARDING

(JL; Foto: Petrov Ahner)

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