Süddeutschen Zeitung 2014/2015, 01.03.2014

von Bastian OBERMAYER, Uwe RITZER

Auf den Magen

Als Arbeitgeber genießt der ADAC nicht den besten Ruf. Manche hielten es dort nicht aus 

In der schlimmsten Zeit sei sie „fast verrückt geworden, nur wenn ich auf der Straße einen gelben Engel fahren sah“, sagt Marga M. (Name geändert). Alles, was vom ADAC kam, habe Beklemmungen bei ihr ausgelöst. Dabei habe sie den ADAC lange als ein Stück Heimat empfunden. Zwei Jahrzehnte arbeitete sie in der Versicherungssparte, „mit großem Enthusiasmus“, wie sie sagt. Dann sei „der Druck von oben immer schlimmer geworden“ und der Umgang der Vorgesetzten immer rauer. „Es ging nur noch im Fallzahlen und Leistungsziele.“ M. wurde krank und stieg aus. 
  Dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten immer höhere Ziele abverlangen, ist nicht ADAC-spezifisch. Nur: Sollte Gewinnmaximierung Leitlinie eines Vereins sein? „Bei allem Profitdenken müssen wieder mehr die Mitglieder und ihre Belange im Mittelpunkt stehen“, sagt ein Betriebsrat aus Norddeutschland. Bisher gehe es vornehmlich ums Geldverdienen. Das färbe ab. 
  Schon lange vor den Manipulationen um den Autopreis „Gelber Engel“ war der Ruf des ADAC als Arbeitgeber nicht der beste. In den Regionalklubs Niedersachsen und Nordbayern eskalierte die Situation: Mitarbeiter, die auf Probleme aufmerksam machten, fühlten sich im Stich gelassen. In Nürnberg beklagte 2010 eine langjährige Sekretärin in einem zweiseitigen Brief sexistische Verhaltensweisen ihres Vorgesetzten. Der ist noch immer im Amt, während man sich von der Frau elegant mit einer satten Abfindung trennte, inklusive Schweigeverpflichtung. 
  Probleme gab es auch im Regionalklub Niedersachsen/Sachsen-Anhalt mit etwa 140 Mitarbeitern. Der Regionalklub beschäftigte das örtliche Arbeitsgericht zeitweise mehr als ein VW-Werk mit 10 000 Beschäftigten. Immer wieder war von Mobbing die Rede, immer wieder wurden auch Bespitzelungsvorwürfe laut; Mitarbeiter und Betriebsräte sollen abgehört oder gar von Detektiven verfolgt worden sein. 
  In ADAC-Callcentern, so erzählen Mitarbeiter aus Ostdeutschland, würden Niedriglöhne bezahlt und den Leuten über Gebühr Sonn- und Feiertagsdienste abverlangt. Auch andernorts schlagen die Verhältnisse den Betroffenen auf den Magen. Dass in der Abteilung des geschassten Pressechefs Michael Ramstetter in der ADAC-Zentrale jahrelang ein verheerendes Klima herrschte, wussten viele, aber niemand von den Verantwortlichen unternahm offenbar etwas. Missstände in Regionalklubs ignorierte die ADAC-Spitze mit dem Hinweis auf deren Selbstständigkeit. Tatsächlich kann das Präsidium jederzeit durchgreifen, wie jüngst bei der Ablösung eines umstrittenen Geschäftsführers in Hannover demonstriert wurde. 
  „Vor allem in den Regionalklubs fühlen sich viele Mitarbeiter von Vorgesetzten und Ehrenamtlichen nach Gutsherrenart behandelt“, sagt Harry Roggow, ADAC-Experte bei der Gewerkschaft Verdi. „Statt die Kompetenzen der Leute zu nutzen und sie als Partner auf Augenhöhe zu behandeln, wird von ihnen vor allem Gehorsam erwartet.“ Die Arbeitnehmervertretung sei auch deshalb machtlos, weil es keinen Gesamtbetriebsrat gebe, sagt Roggow. 
  „Wenn man es jetzt mit Transparenz und Vertrauen ernst meint, muss das Misstrauen gegenüber Betriebsräten aufhören“, sagt Roggow. Der ADAC brauche Strukturen, wie sie sich in Firmen dieser Größe mit fast 9000 Beschäftigten bewährt haben. Mit dem Austausch von Führungskräften sei es nicht getan, sagt Gewerkschafter Roggow. „Der ADAC braucht auch eine neue Mitarbeiterkultur.“