Süddeutschen Zeitung 2014/2015, 01.03.2014

von Bastian OBERMAYER, Uwe RITZER

Auf Kosten Dritter

Der Autoklub versucht Kosten für die Pannenhilfe auf andere Versicherungen abzuwälzen 

Sie sind der Grund, weshalb Millionen Menschen ADAC-Mitglieder wurden – und dem Verein selbst in dieser Krise nicht den Rücken kehren: die Pannenhelfer. Als die Negativmeldungen über den Verein sich mehrten, wurden sie, die gelben Engel, auch stets ausgenommen. Bis sich herausstellte: Auch die Pannenhelfer hatten behilflich zu sein bei den Geschäften des Hauptvereins, auch sie drehten am Rad der Gewinnmaschine ADAC. 
  Etliche von ihnen haben sich inzwischen zu Wort gemeldet und von dem Druck berichtet, der auf sie ausgeübt wurde: Sie sollten Batterien verkaufen, Mitglieder werben und bestehende Mitgliedschaften „upgraden“, damit die Mitglieder künftig höhere Beiträge entrichten. Dafür gab es, je nach Vertrag, unterschiedliche Prämiensysteme. Wer gut war, verdiente sich eine kleine Belohnung dazu. Wer nicht spurte, wer zu wenig verkaufte, wurde zum Rapport bestellt. 
  Mittlerweile ist klar: Das Geschäft mit der Pannenhilfe ist ebenfalls infiziert mit dem Virus der Geschäftemacherei, der den ADAC nun so plagt. Ein Beleg dafür ist unter anderem ein internes Dokument, aus dem hervorgeht, dass der ADAC seit Jahren versucht, die Kosten für die Pannenhilfe bei seinen Mitgliedern auf andere Versicherungen abzuwälzen. So heißt es in dem Papier: „Die ADAC-Clubleistung wird im Rahmen der Mitgliedschaft nicht kostenfrei übernommen, wenn ein Erstattungsanspruch gegen Dritte besteht“. Sprich: Wenn ein Mitglied doppelt oder dreifach versichert ist – durch „Herstellergarantie oder anderer Versicherungsschutz“, wie es in dem internen Dokument heißt – versucht der ADAC, dort die Kosten anzumelden, also beim Autohersteller, der die Garantie gewährt hat, oder bei der Versicherung, bei der das Mitglied versichert ist. 
  Das läuft dann so ab: Wenn ein ADAC-Mitglied im Pannenfall die Notfallnummer auf seiner Versichertenkarte anruft, macht sich ein gelber Engel des ADAC oder – falls die nicht verfügbar sind – ein Partner-Unternehmen auf den Weg. Nach der Ankunft sind die eigenen und auch die fremden Pannenhelfer angehalten, die Havarierten nach eventuellen anderen Policen zu fragen. Stellt sich heraus, dass es solche gibt, gilt vom ADAC für die Pannenhelfer die Anweisung, dass „Sie eine Abtretungserklärung unterschreiben lassen und die Rechnung bei dem primär leistungspflichtigen Dritten einreichen“. Solche Abtretungserklärungen liegen der SZ vor. 
  Die Folge dieses Vorgehens: Der ADAC bezahlt nicht für eine Leistung, obwohl er von seinem Mitglied genau dafür jährlich Geld erhält. Wenn ein Partnerunternehmen ausgerückt ist, bekommt dieses von der Versicherung wiederum einen weit höheren Satz erstattet als die relativ niedrigen Abschlepppauschalen des ADAC. 
  Dem Mitglied könnte all das egal sein, wenn man einmal davon absieht, dass er sich wegen seiner Doppelversicherung die ADAC–Mitgliedschaft hätte sparen können. Die einzigen, die darunter wirklich leiden, sind die Versicherungen – und die versuchen mittlerweile auch immer öfter, sich zu wehren. Die Ergo Versicherungsgruppe beispielsweise widersetzt sich solchen Abtretungsverträgen erfolgreich, musste allerdings schon mehrfach Klagen der ADAC-Partnerbetriebe beziehungsweise von Inkassounternehmen abwehren. 
  Das Pannenhilfegeschäft des ADAC hat etliche wunde Punkte. So ist zum Beispiel auch ein Kampf darüber entbrannt, welche Abschleppdienste von der Polizei gerufen werden. Seit Jahren schon beschweren sich unabhängige Firmen, der ADAC werde massiv bevorteilt. Und auch das lukrative Geschäft mit etlichen Autoherstellern, deren Mobilitätsgarantie der ADAC übernimmt, ist nicht frei von Problemen: Wie soll der ADAC eine Lobby der Autofahrer sein, wenn er doch mit den Herstellern Geschäfte machen will? 
  Auch die Pannenhilfe, das Kerngeschäft des ADAC, wird also zu untersuchen sein, wenn es dem ADAC mit seiner Neustrukturierung ernst ist.