Süddeutschen Zeitung 2014/2015, 23.10.2014

von Bastian OBERMAYER, Uwe RITZER

Gelber Präsident

August Markl will nun doch das höchste Amt beim ADAC 

„Ich bin zu dem Amt gekommen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kind“, sinnierte August Markl, 65, noch vor wenigen Wochen in kleiner Runde. Im Übrigen sei es ein Höllenjob, den er sich nicht länger antun werde als unbedingt nötig. Schließlich würden da die Enkelkinder auf ihn warten, der Rest der Familie, die Hobbys – „nein, ich werde nicht als ADAC-Präsident kandidieren“, schloss Markl kategorisch aus. Mehrfach. Nun tut er es doch. 
  Am Nikolaustag wird eine außerordentliche Hauptversammlung des krisengeschüttelten, knapp 19 Millionen Mitglieder zählenden Automobilklubs in München den promovierten Radiologen im Ruhestand aus dem oberbayerischen Schaftlach mit hoher Wahrscheinlichkeit zum neuen Präsidenten wählen. Auch, vermutlich sogar vor allem, weil kein anderer den Posten haben will. Die Suche nach geeigneten Kandidaten verlief bislang jedenfalls ergebnislos. Sowohl innerhalb der Organisation als auch außerhalb wurde vergeblich nach geeigneten und vor allem bereiten Kandidaten Ausschau gehalten. 
  Im Falle seiner also höchstwahrscheinlichen Wahl bleibt für Markl eigentlich alles beim Alten. Seit ADAC-Präsident Peter Meyer im Februar auf dem Höhepunkt der Krise um die manipulierte Wahl zum „Lieblingsauto der Deutschen“ und andere Ungereimtheiten zurücktrat, führt Markl den Verein bereits kommissarisch. Was aber ist der Grund für die Kandidatur, die einer scharfen Kehrtwende beim Fahrsicherheitstraining gleichkommt? 
  Der ADAC lässt verlauten, August Markl setze seine Arbeit vor allem auf Wunsch des Beirates fort. Jenes Beratungsgremiums, das der ADAC im Zuge der Krise gewissermaßen als eine Art moralisches Gewissen installiert hat. Markl, so ließ sich der Sprecher dieses Beirats, Jürgen Heraeus, zitieren, solle dem ADAC „für eine gewisse Zeit des Übergangs als gewählter Präsident Kontur verleihen“. Denn er habe die Reformen der vergangenen Monate vorangetrieben „wie kaum ein anderer“. 
  Wie diese Reformen konkret aussehen, ist völlig offen. Es geht darum, den Verein ADAC vom Konzern ADAC zu entflechten, saubere interne Strukturen zu schaffen und vor allem die Belange der Mitglieder wieder vor kommerzielle Interessen zu stellen. Was genau geschehen soll, will der Verein bei der Hauptversammlung Anfang Dezember präsentieren. 
  Aus ADAC-Kreisen heißt es, Markl solle den Verein für eine Übergangszeit von etwa zweieinhalb Jahren führen. Bis dahin will er den ADAC nach eigenem Bekunden transparenter, moderner und zukunftssicherer machen. Ob das bei einem Giganten mit 19 Millionen Mitgliedern, einem Milliardenkonzern im Rücken und einer Funktionärs-Nomenklatura , die sich über Jahrzehnte hinweg verselbständigt hat, überhaupt in zweieinhalb Jahren möglich ist? 
  Ein glaubwürdiger Neuanfang brauche „ein neues Gesicht an der Spitze des ADAC“, hatte Markl noch im März erklärt. Er selbst ist noch in den alten Strukturen groß geworden. Als Student gründete er 1969 mit Freunden in München einen kleinen Motorsportverein, der später im ADAC aufging. Über allerhand Funktionärsämter stieg Markl 2001 zum Vorsitzenden des ADAC-Regionalklubs Südbayern auf. 2011 wurde er in das achtköpfige ADAC-Präsidium gewählt und dort Vize des Präsidenten Peter Meyer. 
  Auf dem Höhepunkt der Krise soll das Verhältnis der beiden einen Knacks erhalten haben. Markl sei es gewesen, der Meyer intern (und zunächst vergeblich) zum Rücktritt aufgefordert habe, wird kolportiert. Dann beerbte er ihn doch. Inzwischen herrscht Burgfriede. ADAC-interne Gerüchte, er plane ein Comeback als Präsident, dementierte Peter Meyer auf Anfrage.