Financial Times Deutschland, 21.11.2002

von Sonia SHINDE

Polizei nimmt nach Razzia vier Dentalhändler fest

Wegen des Verdachts auf Betrug bei der Abrechnung von Zahnprothesen hat die Polizei gestern vier Personen festgenommen. Zuvor hatten die Polizei und die Staatsanwaltschaft Wuppertal Dentalhandelsfirmen, Arztpraxen und Privatwohnungen durchsucht. Unter den wegen Beihilfe und Anstiftung zum Betrug Festgenommenen soll nach Augenzeugenberichten auch Omar John M. gewesen sein, der Geschäftsführer der Globudent/O-Dent-O Dentalhandelsgesellschaft.

Nachdem die FTD gestern über die Ermittlungen berichtet hatte, griff die Polizei nun gegen die Firma aus Mülheim an der Ruhr zu. Globudent soll bundesweit Zahnärzte angestiftet haben, ihren Patienten Billigimporte aus China zu verkaufen. Den Krankenkassen wurden aber die höheren deutschen Preise in Rechnung gestellt. Die Beteiligten hätten damit "rechtswidrig Rabatte in die eigene Tasche gesteckt", sagte der Wuppertaler Oberstaatsanwalt Alfons Grevener. Noch sei es zu früh, Zahlen zu nennen.

Nach Angaben der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) geht es in dem Fall inzwischen um einen dreistelligen Millionenbetrag. Insgesamt geben die Krankenkassen pro Jahr rund 5 Milliarden Euro für die Labor- und Materialkosten beim Zahnersatz aus. "Wenn jedes Jahr bei zwei Prozent dieser Summe betrogen wird, sind wir schon bei 100 Millionen Euro", sagte Klaus Altmann, Sprecher der AOK in Niedersachsen.

Insgesamt wurden in Mülheim, Essen und Duisburg von den frühen Morgenstunden an 15 Geschäftsräume und Privatwohnungen durchsucht. Auch in Bremen und Delmenhorst wurden Polizeibeamte aktiv. Zu den Durchsuchungsobjekten gehörten drei Zahnarztpraxen, drei Dentallabore und fünf Wohnungen. "Wir haben Material in der Größenordnung von fünf bis sechs Umzugskartons beschlagnahmt", so ein Sprecher der Bremer Polizei.

Ins Visier der Fahnder im Rheinland sind neben den Verantwortlichen der Globudent-Firmengruppe noch weitere Unternehmen geraten. Dazu gehört nach Informationen der FTD, die die Staatsanwaltschaft bestätigte, die ebenfalls in Mülheim ansässige al dente Dentalhandelsgesellschaft mbH. Geschäftsführer der erst im Januar dieses Jahres gegründeten al dente Dentalhandelsgesellschaft ist Axel C., gegen den die Staatsanwaltschaft Duisburg bereits wegen des Verdachts auf Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Betrugs ermittelt.

Durchsucht wurden auch die Essener Firmen Sendadent GmbH und Bioaurum GmbH. Geschäftsführer der Firmen Sendadent und Bioaurum ist T. M., der Bruder von Globudent-Geschäftsführer O. M.. Sendadent handelt mit Dentalerzeugnissen, Bioaurum mit Legierungen, Schmuck und Edelmetallen.

Die AOK Niedersachsen kündigte an, die betroffenen Zahnärzte in Regress zu nehmen. "Wir werden auf jeden Fall Schadensersatz fordern", sagte Pressesprecher Altmann. Die Ärzte müssen auch mit einem Entzug der Kassenzulassung rechnen.

Globudent ist nach AOK-Recherchen nicht das einzige Unternehmen, dass sich günstige Preise im Ausland zunutze macht. "Wir verfolgen Spuren nach China, Thailand, Manila, Ungarn, Polen und in die Türkei", sagte Peter Scherler, Leiter der AOK-Task-Force Abrechnungsbetrug. In Bangkok werde Zahnersatz 88 Prozent unter den deutschen Preisen angeboten. "Globudent ist überall", so Scherler.