Der betrogene Zahn

Ein Kommentar

Wer hätte nicht gerne ein volleres Portmonee? Und wozu sich zusätzlich abrackern? Das geht doch auch viel einfacher, dachten sich viele Zahnärzte. Ungarn, Thailand oder die Türkei sind nicht nur schöne Urlaubsländer. Die Menschen arbeiten dort auch für wenig Geld. Praktisch daran: Zahnersatz lässt sich somit 40% bis sogar 80% günstiger herstellen als in Deutschland. Die Zahnärzte gingen also mit dem Trend des Outsourcings.

Firma XY übernahm dann alles für sie. Eine geeignete Firma zu finden, war nicht schwer, davon gab es genug. Firma XY sorgte für sämtliche Transaktionen mit den ausländischen Laboren und brachte den fertigen Zahnersatz pünktlich nach Flugplan direkt ins Haus. Die Rechnung durfte nicht vergessen werden! Die wurde einfach auf die deutschen Listenpreise umgeschrieben, es musste ja niemand wissen, wo der Zahnersatz hergestellt wurde, Zahn bleibt schließlich Zahn. Der erhöhte Betrag wurde vorschriftgemäß auf ein Konto einer Briefkastenfirma überwiesen. Es sollte schließlich niemand merken, dass der Zahnersatz „etwas“ preisgünstiger war.

Der Gewinn wurde dann brüderlich zwischen Zahnarzt und Firma XY geteilt, was für die Ärzte bedeutete: Einmal im Monat gab es 20% in bar zurück. Zur Sicherheit an die Privatadresse, am besten gleich an den Ehepartner adressiert. Wer gerne reist, konnte sich das Geld natürlich auch in der Schweiz von einem Mittelsmann abholen.

Wenn die Ärzte das Geld nicht teilen wollten, war das auch kein Problem: Es wurde einfach ein eigenes Dentallabor aufgemacht, die Zähne im Ausland produziert und die Rechnungen im heimischen Labor ausgestellt. Deutsche Höchstpreise verlangt und die Gewinne einkassiert. Wichtig war, sich rechtzeitig darum zu kümmern, die ausländischen Labore konnten gar nicht so viel produzieren, wie bestellt wurde.

Wer auf die Schnelle kein passendes Labor gefunden hat, aber nicht auf einen Extra-Gewinn verzichten wollte, redete einfach in ruhiger Minute mit dem Dentallabor seines Vertrauens. Da musste doch ein Rabatt drin sein. Das Geld wurde in einem Umschlag bei einem kleinen Plausch im Café unauffällig überreicht.

Ließ sich der neue Porsche dadurch nicht schnell genug abbezahlen, gab es eine weitere Möglichkeit für zusätzliche Gewinne: Was sollen die Patienten eigentlich mit ihren alten Goldzähnen? Diese und der Herstellungsbedingte Goldstaub lässt sich profitabel einschmelzen. Als Dentalabfall deklariert ging es günstig am Zoll vorbei, die Abrechnung lief über eine Firma in Luxemburg, zwei Wochen später gab es den Gewinn „Bar auf Tatze“ zurück. Nur keine unnötigen Buchungen, sonst meldete sich womöglich noch der Fiskus.

(ash)