Zahnmafia: Reaktionen und Folgen

Es gibt rund 53 500 zugelassene Zahnärzte in Deutschland. Und es sollte hier vorweg klargestellt werden, dass es eine Minderheit ist, die betrügt.

Was hat sich inzwischen - knapp zwei Jahre nach der Berichterstattung - über den Abrechnungsbetrug der Zahnärzte mit der Firma Globudent getan?

Enge Zusammenarbeit

Die Krankenkassen, die Zahnärztekammer, die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) und die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände arbeiten seit dem Bekanntwerden des Betrugsskandals intensiv zusammen. Sie halten engen Kontakt mit der ermittelnden Staatsanwaltschaft. Gegen Abrechnungsbetrüger wurde ein scharfes Vorgehen angekündigt. Die Maßnahmen reichen von Verweisen und hohen Geldbußen bis zum Entzug der Kassenzulassung.

Die wahrscheinlich bundesweit entstandene Schadenssumme beläuft sich auf ca. 4,5 Millionen Euro. Ganz genaue Angaben dazu können heute noch nicht gemacht werden. Die Ermittlungen in diesem Fall werden eventuell bis zum Jahresende 2004 abgeschlossen sein.

Die Zahnärzte

Zur Erinnerung: bundesweit sind aller Voraussicht nach ca. 450 Zahnärzte in diesen Betrugsskandal verwickelt. Das sind nicht ganz 1 Prozent. Die Ermittlung der Staatsanwaltschaft ist aber noch nicht abgeschlossen. Auf Veranlassung der Krankenkassen soll jetzt 19 der 450 Zahnärzte die Zulassung entzogen werden. Zwölf weitere Anträge laufen.

Das Dentallabor Globudent

Die in Misskredit geratene Dentalfirma Globudent wurde aufgelöst. Im August 2003 schlossen die Manager einen Vergleich mit den Krankenkassen. Sie unterschrieben ein Schuldanerkenntnis in Höhe von 1,65 Millionen Euro und übergaben den Kassen die Abrechnungen mit den beschuldigten Zahnärzten.

Der einzelne Patient

Der Patient muss Geduld beweisen. Die Krankenkassen prüfen noch die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen an die betrogenen Patienten. Bei der KZV sind bereits Entschädigungszahlungen von Zahnärzten für die Krankenkassen und Patienten eingegangen. Allerdings empfehlen die Kassen, dass Patienten erst ihre Rechte einklagen sollten, wenn die Kassen ihrerseits ihre Forderungen an die Zahnärzte durchgesetzt haben und die Schuld des Zahnarztes bewiesen ist. Im Anschluss daran werden alle betrogenen Patienten informiert und das Geld an sie weitergeleitet.

Künftig sind die Zahnärzte verpflichtet, den Patienten eine Erklärung über den Herstellungsort des Zahnersatzes mitzugeben. Und sie müssen eine Kopie der Laborrechnung mit Name und Anschrift aushändigen. Dadurch sollen Patienten erkennen können, wo genau ihr Zahnersatz angefertigt wurde.

Die Krankenkassen

Die Hauptgeschädigten sind vorerst die Krankenkassen, die Millionenbeträge durch diesen, aber auch noch durch andere unentdeckte Abrechnungsbetrügereien verschmerzen mussten. Vorerst gibt es vermehrte Kontrollen der Laborrechnungen und Auslandsabrechnungen müssen vorgelegt werden.

Letzteres wird sich im Zuge der Gesundheitsreform 2005 durch die Einführung eines Festbetrags allerdings ändern. Künftig erhält jeder Patient von der Krankenkasse für seinen Zahnersatz einen bestimmten Festzuschuss, egal, für welche Variante des Zahnersatzes er sich entscheidet. Somit trägt jetzt der Patient das Hauptrisiko, nicht mehr die Krankenkassen. Damit wird den Zahnärzten die Grundlage für erhöhte Abrechnungen entzogen.

Laut Einschätzung eines Informanten allerdings, der dies in einer neuerlichen ZDF- Sendung "Frontal21" vom 13.04.2004 so dargestellt hatte, ist es den Zahnärzten jetzt erst recht möglich, zu betrügen. Hatte die Kasse vorher eine gewisse Kontrollfunktion ausgeübt, entfällt diese jetzt und der Patient ist auf sich allein gestellt. Der kann nämlich als Laie nicht wissen, ob in seinem Falle der empfohlene Zahnersatz sinnvoll oder notwendig ist oder nicht. Er sollte sich daher von mehreren Zahnärzten beraten bzw. einen Heil- und Kostenplan ausstellen lassen.

Damit die Krankenkassen eine Schadensregulierung betreiben können, muss die entstandene Schadenssumme konkret vorliegen. Die Höhe von 4,5 Millionen Euro wurde nur geschätzt. Der genau bezifferte Schaden ist jedoch aus den der Krankenkassen zu Verfügung stehenden Unterlagen nicht erkennbar, da z.B. verdeckte Rückvergütungen nicht aus den Abrechnungen hervorgehen. Zu diesem Zwecke haben die Spitzenverbände eine Vereinbarung mit den ehemaligen Globudent - Geschäftsführern geschlossen. Ein wesentlicher Punkt ist hierbei die Überantwortung der Geschäftsunterlagen an die Krankenkassen. Diese Geschäftsunterlagen werden zur Zeit noch mit den Rechnungen der Krankenkassen abgeglichen, um den korrekten Schaden zu ermitteln. Ein weiterer Punkt der Vereinbarung ist der Verzicht auf 30 Prozent der entstandenen Schadenssumme. Zu diesem Verzicht erklärten sich 167 Krankenkassen vertraglich bereit.

In dem Bereich billigere Auslandsanfertigung bieten die Krankenkassen in Bremen ein neues Modell (ohne die Betriebskrankenkassen)an. Sie haben mit einem Labor einen Vertrag abgeschlossen, das im billigeren Ausland den Zahnersatz produzieren lässt. Dieser Zahnersatz ist gegenüber dem in heimischen Laboren hergestellten bis zu 45% billiger. Eine Qualitätszusicherung beinhaltet, dass der Zahnersatz nach dem deutschen Medizinproduktegesetz angefertigt wurde. Eine fünfjährige Garantie statt der üblichen zwei Jahre gehören ebenfalls zu diesem Modell. Sollte sich dieses Modell bewähren, könnte sich daraus eine Konkurrenz mit den heimischen Laboren entwickeln, die dann ihre Preise senken müssten.

Die Dentallabore

Werden sie nach den Patienten die zweiten Verlierer sein? Durch den Druck der möglichen billigeren Auslandsproduktion ist dies vorstellbar. Billigere Auslandsproduktion bedeutet nicht unbedingt Qualitätsverlust. Dies zeigt die Bremer Allianz zwischen den Krankenkassen und einem Labor, das im Ausland produzieren lässt. Selbst die Krankenkasse DAK schreibt in ihrer Mitgliederzeitschrift "Fit" (2/2004, S.34), dass die von deutschen Zahntechnik-Meistern geleiteten ausländischen IMEX-Labore nach deutschen Qualitätsstandards produzieren. Fakt ist, dass einige deutsche Labore seit dem Abrechnungsbetrug den Patienten ausführliche Hersteller-Zertifikate anbieten. In diesen wird bestätigt, dass das Labor den Zahnersatz nur aus geprüften Materialien und in qualitätsgesicherten Arbeitsabläufen hergestellt hat.

KZV (Kassenzahnärztliche Vereinigungen)

Angesichts der Ermittlungen gegen bundesweit ca. 450 Zahnärzte hat die ermittelnde Staatsanwaltschaft unterschiedliche Betrugsgrößenordnungen von 20 bis zu 200.000 Euro je Zahnarzt feststellen können. Ist eine Akte von der Staatsanwaltschaft fertig bearbeitet, wird sie direkt an die für den Zahnarzt zuständige KZV (Landesebene) weitergereicht. Diese ermitteln in eigenem Interesse unabhängig weiter, wie der Zahnarzt bei ihnen konkret zur Verantwortung gezogen werden kann, unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgung. Das zeigt, dass ein überführter Zahnarzt zweimal bestraft wird: staatlicherseits durch die Strafgerichte und danach durch seinen zuständigen Berufsverband, die KZV.

Das von der KZV eingerichtete Treuhandkonto, auf dem Wiedergutmachungsgelder landen, wird später an die Krankenkassen überantwortet, die dann ihrerseits die Gelder an die geschädigten Patienten weiterleiten wollen.

Neue Betrügereien entdeckt

Angesichts jüngster Durchsuchungen (zuletzt am 02.03.2004) von Büros und Privatbereichen anderer unter Verdacht stehender Labore lässt sich erahnen, dass Globudent nur eine Dentalfirma von mehreren gewesen ist. In dem neuen Fall wird gegen drei Geschäftsführer solcher Dentalfirmen ermittelt und weitere 250 Zahnärzte stehen unter Verdacht.

Aber "Es sind nicht nur die Laborbesitzer. Die reagieren ja zum Teil auch nur. Denn die zentrale Rolle im Gesundheitswesen hat der Leistungserbringer - in diesem Fall also der Zahnarzt." So hat es Klaus Altmann von der AOK Niedersachsen in der Frontal21 - Sendung, "Dr. Raffzahn. Kriminelle Zahnärzte zocken ab" am 13.04.2004 im ZDF gesagt. Nachzulesen unter ZDF.

Dass der Zahnarzt die zentrale Rolle als Leistungserbringer innehat, zeigt der eben erwähnte Frontal21 - Bericht. Hier ging die Initiative vom Zahnarzt aus, der sich erst hatte "schmieren" lassen, bevor er Aufträge an Dentallobore weitergab.

Langfristfolgen

Der Gesetzesentwurf zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG), der auch das neue Festzuschusskonzept bei Zahnersatz vorsieht wurde im Juli und August des Jahres 2003 im Rahmen der politischen Konsensgespräche zwischen der SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/DIE GRÜNEN erzielt. Der Deutsche Bundestag hat dieses Gesetz am 26. September 2003 verabschiedet und auch der Bundesrat hat dem zugestimmt. Es tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.

Der Erfolg hat bekanntlich immer viele Väter. Die Enthüllungen und laufenden Berichterstattungen von ZDF und Financial Times dürften bei diesen Veränderungen eine nicht ganz unbedeutende Rolle gespielt haben.