Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 13.10.2006

von Marion GIRKE

"Abenteuerliche Abrechnung"

Kummerfeld - Was haben Fotoaufnahmen, Fahrtkosten für den Weg zum Gericht oder das Mähen von Gras mit Müllentsorgung zu tun? Derartige Positionen möchte die Gemeinde Kummerfeld der alten Dame Thea Schädlich berechnen, die ihr Grundstück gegen ihren Willen und erheblich unter dem geschätzten Verkehrswert an die Kommune verloren hat.

"Bereichert sich ein Dorf auf Thea Schädlichs Kosten?" - Mit dieser Schlagzeile stieg die Pinneberger Zeitung im Februar in die Berichterstattung über einen Betreuungsfall ein, der inzwischen bundesweit Schlagzeilen als Beispiel für einen möglichen Missbrauch von Betreuerbefugnissen machte.

Die Gemeinde hat auf Drängen von Schädlichs Anwalt Gunther Giese jetzt mit erheblicher Verspätung eine Art Abrechnung für vermeintliche Entmüllungskosten vorgelegt. Diese Auflistung enthält nach Einschätzung des Juristen abenteuerlich sachfremde Positionen. Trotzdem bleibt sogar der auf diese Weise zustande gekommene Gesamtbetrag mit etwas mehr als 100 000 Euro um rund 73 000 Euro unter den geschätzten Kosten, die mit 174 000 Euro angesetzt worden waren. Diesen Betrag hatte die Gemeinde Ende vorigen Jahres der alten Dame vorsorglich erst einmal vom Kaufpreis abgezogen und für die Räumung des Grundstücks von vermeintlichem Müll einbehalten.

Die vom Vormundschaftsgericht ursprünglich eingesetzten Betreuer der 68 Jahre alten Rentnerin hatten bekanntlich das knapp 7500 Quadratmeter große Grundstück in bester Ortslage an die Gemeinde Kummerfeld verkauft. Als Kaufpreis flossen 337 000 Euro - rund 30 000 Euro weniger als der geschätzte Verkehrswert. 174 000 Euro veranschlagte die Gemeinde für die Beseitigung "gemischten Siedlungsabfalls" als Wertminderung.

Giese hat die Kosten-Auflistung zurückgewiesen und die Gemeinde aufgefordert, die Angaben stärker zu konkretisieren. In seinem Schreiben heißt es: "Wir weisen bereits jetzt darauf hin, dass die Aufstellung diverse Positionen enthält, die mit den abzurechnenden Räumungskosten nichts zu tun haben und allein von der Gemeinde Kummerfeld zu tragen sind." (Beispiele siehe Kasten)

Fragwürdig sind nicht nur die Positionen im einzelnen. Augenfällig ist auch, dass es von den Betreuern selbst eingeholte Alternativangebote von Müllentsorgungsfirmen gab, die die Kosten auf 43 000 Euro beschränkt hätten. Nach Erkenntnissen von Giese bestand einer der beiden ursprünglichen Betreuer jedoch darauf, dass der Sachverständige für die Ermittlung des Grundstückswerts den Betrag von 174 000 Euro ungeprüft zu übernehmen hatte.

Dies führte dazu, dass der Experte in seinem Gutachten ausdrücklich von "eventuell noch erheblichen Einsparmöglichkeiten in einer Größenordnung von 50 000 bis 70 000 Euro" sprach und den Kostenansatz als "relativ hoch" bewertete.

Ferner enthält die Entsorgungskosten-Abrechnung keinerlei Einnahmen zugunsten von Schädlich - obwohl selbst nach dem schriftlich in der Akte festgehaltenen Eindruck einer der Betreuer auf dem Grundsstück in erheblichem Maße noch brauchbare Baumaterialien und Holz gelagert waren. Nach Schädlichs Beobachtungen haben Bauarbeiter außerdem wertvolle Habseligkeiten von ihr mitgenommen und nicht als Müll entsorgt, ohne dass ihr Gegenleistungen angerechnet wurden.

Sogar Kummerfelds Bürgermeister Hanns-Jürgen Bohland hat eingeräumt, dass von dem Grundstück einiges geklaut worden sein könnte. Warum hat er nicht eingegriffen, obwohl er praktisch täglich den Fortgang der Räumungsarbeiten überwachte und Schädlich dabei mehrfach von ihrem ehemaligen Grund und Boden vertrieb?

Die jetzt tatsächlich erzielte Einsparung gegenüber dem ursprünglichen Kostenansatz von 174 000 Euro für die Müllentsorgung steht Schädlich nicht einmal in vollem Umfang zu: Laut dem von ihren Betreuern mit der Gemeinde Kummerfeld ausgehandelten und vom Vormundschaftsgericht Pinneberg genehmigten Kaufvertrag erhält sie lediglich die Hälfte der über 5000 Euro hinausgehenden Ersparnis. Warum sollte sie von vorneherein auf 5000 Euro verzichten und warum den Rest nicht ganz erhalten?

Bürgermeister Bohland hat diese Passage im Kaufvertrag, nach der die andere Hälfte der Ersparnis die Gemeinde behalten darf, als Anreiz bezeichnet, aus eigenem Interesse auf Kostenbewusstsein bedacht zu sein. Für Schädlichs Anwalt Giese ist diese Benachteiligung Schädlichs ein Grund dafür, die Wirksamkeit des gesamten Kaufvertrags zu bezweifeln und dies gerichtlich überprüfen zu lassen.

Grundstück vom Müll Befreit für 101 403,54 Euro
101 403,54 Euro sind der Betrag, den die Gemeinde Kummerfeld für die Beseitigung von vermeintlichem Müll abrechnen möchte. Doch nicht nur Müll im engeren Sinne spielt bei dieser Kostenaufstellung eine wesentliche Rolle. Die GAB stellte der Gemeinde als Entsorger für Abfall rund 18 800 Euro in Rechnung und verlangte weitere 2200 Euro für dessen Transport vom Kummerfelder Grundstück zum Abfallzentrum in Tornesch-Ahrenlohe. Die Kosten für eigenes und ausgeliehenes Personal zur Räumung des Grundstücks werden mit 50 000 Euro angegeben, Maschinenstunden kommen mit 12 700 Euro hinzu. Kurios sind kleinere Posten wie Arbeitshandschuhe, die mit 95 Euro zu Buche schlagen, oder "Film- und Fotoarbeiten für Beweissicherung", die sich Kummerfelds Bürgermeister Hanns-Jürgen Bohland mit zehn Euro bezahlen lassen möchte. Zu den Entmüllungskosten gezählt werden aber auch 6700 Euro für die Abwicklung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Schädlichs Grundstück. Da werden unter anderem Fahrtkosten zum Landgericht Itzehoe geltend gemacht - für ein Verfahren, bei dem die Gemeinde Kummerfeld den kürzeren zog. Der Termin endete mit der Entscheidung, dass die Gemeinde vorerst das ehemalige Wohnhaus Schädlichs nicht abreißen darf. Auch der Verwaltungsaufwand von Mitarbeitern des Amtes Pinneberg-Land wird aufgeschlüsselt, der im Zusammenhang mit dem Kauf des Grundstücks entstand. Im Klartext: Thea Schädlich soll einen um 1570 Euro verminderten Kaufpreis akzeptieren, weil das Amt Pinneberg-Land den gegen den Willen der alten Dame erfolgten Grunderwerb vorbereiten musste.