Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 30.04.2007

Fall der "alten Dame": Gericht hebt Maulkorb-Beschluss auf



Der Kampf um das Recht der "alten Dame", deren Haus und Grundstück in Kummerfeld (Kreis Pinneberg) die Betreuer gegen ihren Willen verkauft haben: Jetzt sind die letzten Hürden gefallen - das Abendblatt darf bei seiner Berichterstattung wieder in vollem Umfang "Ross und Reiter" nennen. Das Berliner Kammergericht entschied, dass die Redaktion identifizierend über den mittlerweile ausgetauschten Betreuer berichten darf - also seinen vollen Namen, den Beruf und seinen Wohnort nennen kann.

Die Aufhebung auch dieser am 23. März vor einem Jahr erlassenen einstweiligen Verfügung, dieser Art Maulkorb für das Abendblatt, markiert das vorläufige Ende einer ganzen Serie von Entscheidungen für Thea Schädlich und die Redaktion - und das, nachdem erst die bangen Hoffnungen der heute 69-Jährigen immer wieder enttäuscht wurden und sich Erfolge nur sehr langsam einstellten.

Die Berliner Richter sagten in ihrer Entscheidung, es müsse das Interesse des betroffenen Betreuers abgewogen werden, der nicht namentlich mit Verdächtigungen in der Öffentlichkeit benannt werden wolle. Dagegen stehe aber das Interesse der Redaktion, konkrete Namen zu nennen. Und wenn einer der Betreuer, wie geschehen, auch noch die Vertretung von Thea Schädlich gegenüber der Presse für sich reklamiere, sei das Maß überschritten: Der Name des Betreuers, eines Rechtsanwalts, dürfe voll und ganz genannt werden.

Mehr als ein Jahr hat der Kampf der Rentnerin um das gegen ihren Willen verkaufte Grundstück bislang gedauert. Im Februar vergangenen Jahres war Thea Schädlich in der Redaktion der "Pinneberger Zeitung" (PZ), eine der Abendblatt-Regionalausgaben, persönlich erschienen - mit der dringenden Bitte um Hilfe. Ihr damaliger Betreuer engagierte nach ersten PZ-Berichten einen berühmt-berüchtigten Berliner Medienanwalt. Er schaffte es zunächst, dass die Redaktion in keiner Weise identifizierend berichten durfte. So durfte nicht einmal die betreffende Gemeinde selbst in der Zeitung genannt werden, Teile der Berichte mussten geschwärzt werden.

Und das, obwohl sich in Kummerfeld ein Betreuungskrimi abspielte, der bald bundesweit Beachtung finden würde. Erst war Thea Schädlich wegen eines angeblichen "Vermüllungssyndroms" auf Antrag von Behörden unter Betreuung gestellt worden. Dann verkauften ihre damaligen Betreuer ihr Grundstück im November 2005 an die Gemeinde: 750 000 Quadratmeter in Filet-Lage für 337 000 Euro, etwa 30 000 Euro unter dem geschätzten Verkehrswert - und gegen den Willen der Rentnerin, obwohl es wahrscheinlich andere Möglichkeiten gegeben hätte, anstehende Erbschaftssteuern zu bezahlen. Und: Der "Fall der alten Dame" ist kein Einzelfall im deutschen Betreuungswesen, wie sich bald herausstellte.

Im Januar 2006 hatte die Gemeinde dann als neue Eigentümerin Schilder mit der Aufschrift "Betreten verboten" anbringen lassen und die "alte Dame" mehrfach von ihrem bisherigen Grundstück verjagt. Bis April ließ die Gemeinde das Areal im Herzen Kummerfelds bis auf das Wohnhaus komplett räumen und roden. Immerhin erreichte Thea Schädlichs Pinneberger Rechtsanwalt Gunther Giese vor Gericht, dass vorläufig das Wohnhaus vom Abriss verschont blieb.

Für die Räumung wurden der Rentnerin aber 100 000 Euro in Rechnung gestellt - dafür, dass fast ihr gesamter Besitz auf dem Grundstück, amtlicherseits als "Müll" deklariert, vernichtet wurde. Sogar Bäume wurden dabei abgeholzt, die nach der von der Gemeinde Kummerfeld selbst beschlossenen Baumschutzsatzung nicht hätten gefällt werden dürfen. Statt die Räumungskosten zu zahlen, fordert Schädlich nun von der Gemeinde Schadenersatz.

Seit etwa einem Jahr hat sie neue Betreuer gefunden und vom Gericht eingesetzt, die die Wünsche der alten Dame stärker berücksichtigen. Im März wurde Nanija Kroemer aus Pinneberg für die Wahrnehmung der persönlichen Angelegenheiten verpflichtet. Im Juli übernahm der Hamburger Rechtsprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen auf ehrenamtlicher Basis die Aufgabe, die juristischen Belange im Auge zu behalten. Thea Schädlich selbst will jetzt aber noch weitergehen. Sie hofft, mithilfe neuer Gutachten belegen zu können, dass sie ganz ohne Betreuung leben kann.

Kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres entschied das Landgericht Itzehoe dann zugunsten der Rentnerin: Der von den ehemaligen Betreuern ausgehandelte und vom Vormundschaftsgericht Pinneberg genehmigte Kaufvertrag ist nichtig und kann rückabgewickelt werden. Das bedeutet: Thea Schädlich kann Haus und Grundstück zurückbekommen. Und bereits seit Ostern des vergangenen Jahres durfte das Abendblatt zumindest schon wieder identifizierend über die "alte Dame" und den Ort Kummerfeld berichten - so, wie jetzt auch über ihren damaligen Betreuer. Das Abendblatt verzichtet darauf, ihn an dieser Stelle mit Namen zu nennen. Denn die mittlerweile abgesetzten Betreuer können keine Handlungen mehr vornehmen, die Thea Schädlich belasten könnten. Die Kosten des gut ein Jahr dauernden Rechtsstreits über zwei Instanzen muss der Anwalt tragen.