Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 05.02.2007

von Marion GIRKE

Gemeinde akzeptiert Richterspruch



Kummerfeld - Vor einem Jahr haben Hamburger Abendblatt und Pinneberger Zeitung die Berichterstattung über den juristischen Kampf von Thea Schädlich um ihr Haus und Grundstück in Kummerfeld begonnen. Gestern ist die alte Dame darüber ein Jahr älter geworden. Und jetzt steht endlich fest: Die inzwischen 69-Jährige wird das von ihren Betreuern gegen ihren Willen an die Gemeinde Kummerfeld verkauftes Grundstück zurückerhalten - jedenfalls im Prinzip.

Der Rechtsanwalt der Gemeinde, Gerd Nedderhut, hat im Auftrag des Kummerfelder Bürgermeisters Hanns-Jürgen Bohland erklärt: "Die Gemeinde wird den Beschluss des Landgerichts Itzehoe über die Ungültigkeit des zwischen den damaligen Betreuern und der Gemeinde geschlossenen Kaufvertrages nicht angreifen." Dieser Kaufvertrag und seine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht waren vom Landgericht Itzehoe für ungültig erklärt worden. Die rechtliche Grundlage für die Anfang 2006 erfolgte Eintragung der Gemeinde als neuer Eigentümerin ist damit weggefallen. Dies wird Kummerfeld nach Nedderhuts Worten akzeptieren. Schädlichs Anwalt Gunther Giese hat die Gemeinde aufgefordert, das Grundstück zurückzugeben und das Hausverbot für Schädlich aufzuheben.

Thea Schädlichs hart erkämpfter Erfolg vor Gericht ist Ergebnis einer relativ neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Die obersten Verfassungsschützer hatten im Jahr 2000 festgelegt, das Teile des für Betreuungsfälle geltenden gerichtlichen Verfahrensrechts anders angewendet werden müssen als zuvor. Unter Betreuung stehende Personen wie Schädlich haben nunmehr einen besseren Schutz gegen das mögliche Ausnutzen ihrer Situation.

Da Kummerfeld die Itzehoer Gerichtsentscheidung akzeptieren will, kommt es nicht darauf an, ob die Gemeinde eventuell noch Möglichkeiten der Gegenwehr verblieben wären. Dies hätte den Zeitraum der Ungewissheit für Thea Schädlich über das endgültige Schicksal "ihres" Grundstücks noch erheblich verlängern können. Bundesweit gab es seit 2000 erst sechs Fälle, bei denen es vor Oberlandesgerichten und den Bundesgerichtshof um derartige Verfahrensfragen ging. Der Fall der Thea Schädlich, der bundesweit in Medien für Aufsehen gesorgt hat, hat also sogar das Zeug dazu, ein Stück Rechtsgeschichte zu werden.

Wieder einmal wird sich aber auch erweisen, dass Recht haben nicht gleichbedeutend sein muss mit Recht bekommen. Denn die Gemeinde will laut Nedderhut das Grundstück nur rückübereignen, wenn Schädlich die Räumungskosten erstattet. Er erwartet, dass die alte Dame Kosten von mehr als 100 000 Euro übernimmt, die entstanden sind, weil die Gemeinde das gegen Schädlichs Willen erworbene Grundstück trotz juristischer Gegenwehr auch noch ratzekahl räumen und roden ließ.

Der Streit Schädlichs gegen Kummerfeld wird also noch weitergehen: Was die Gemeinde als vermeintlichen Müll für teures Geld hat wegschaffen lassen, betrachtet Schädlich als ihren Besitz und verlangt für die Vernichtung Schadensersatz.

Wer trägt die Verantwortung?
Wer trägt die Schuld daran, dass Thea Schädlichs Grundstück unter Verkehrswert und gegen ihren Willen verkauft und dann monatelang trotz heftiger Proteste der Betroffenen und ihres Rechtsanwaltes geräumt und gerodet wurde? Oder kann es sogar sein, dass weder die damaligen Betreuer, noch die Gemeinde Kummerfeld oder das beteiligte Vormundschaftsgericht zur Verantwortung gezogen werden? Auch diese Fragen werden in naher Zukunft möglicherweise Richter zu entscheiden haben. In Betracht kommen theoretisch sowohl Schadensersatzforderungen zum Beispiel für einen unter Verkehrswert liegenden Kaufpreis, abgeholzte Bäume oder im ersten Anlauf vergeblich geführte, weil von den Betreuern torpedierte Gerichtsverfahren. Denkbar sind auch strafrechtliche Konsequenzen für Beteiligte. Der Staatsanwaltschaft Kiel liegen Anzeigen wegen des Verdachts der Veruntreuung vor. Die Itzehoer Richter haben in ihrem Beschluss festgestellt: "Die Betroffene (Schädlich) hat systematisch ihren Vermögensbestand vor den Betreuern verschleiert."