Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 08.09.2006

von Marion GIRKE

Schadensersatz von Betreuern?

Pinneberg/Kummerfeld - Thea Schädlich, deren Hausgrundstück in Kummerfeld von ihren gerichtlich eingesetzten Betreuern gegen den Willen der alten Dame und unter Schätzwert an die Gemeinde Kummerfeld verkauft worden ist, geht jetzt in die Offensive: Die Rentnerin verlangt von den Betreuern Schadenersatz, weil die vermeintlichen Helfer sie aus ihrer Sicht absichtlich um einen erheblichen Teil ihres Vermögens gebracht haben, statt ihre Interessen pflichtgemäß zu vertreten.

Seit Anfang des Jahres hatten Schädlich und ihr Pinneberger Rechtsanwalt Gunther Giese zunächst alle Hände voll damit zu tun, um die unter anderem von den Betreuern mitinitiierten finanziellen Verluste so weit wie möglich in Grenzen zu halten. So gelang es zum Beispiel in letzter Minute zwar, per einstweiliger gerichtlicher Verfügung wenigstens das Wohnhaus Schädlichs vor dem Abriss zu bewahren.

Wegen der Dauer derartiger Verfahren konnte aber nicht verhindert werden, dass das 7500 Quadratmeter große Grundstück mitten in Kummerfeld von der Gemeinde als neuer Eigentümerin ratzekahl geräumt und gerodet wurde. Die Gemeinde plant, dort Bauplätze zu parzellieren und zu marktüblichen Preisen zu verkaufen, nachdem sie das gesamte Grundstück deutlich günstiger - sogar unter Verkehrswert - von den Betreuern erwerben konnte. Giese rechnet sich allerdings gute Chancen aus, diesen Kaufvertrag letztlich gerichtlich kippen zu können, sodass Schädlich Haus und Hof zurückerhalten könnte.

Bei der ersten Schadensersatzklage Schädlichs gegen ihre ursprünglichen Betreuer - sie sind inzwischen gegen Personen ihres Vertrauens ausgetauscht worden - geht es um einen Betrag von 3000 bis 4000 Euro. Es handelt sich um Gerichts- und Anwaltskosten, die Schädlich entstanden sind, weil die Betreuer ihre Mitwirkungsmöglichkeiten an der Wahrung von Rechten ihres Schützlings nicht ausgeschöpft haben könnten. Konkret verlor die alte Dame dadurch einen Gerichtsprozess, den sie bei entsprechender Mitwirkung hätte gewinnen können und den ihr Anwalt Giese für sie im zweiten Anlauf auch tatsächlich gewann.

Es ging bei dieser gerichtlichen Auseinandersetzung um die vorläufige Untersagung der Räumung und Rodung des Grundstücks bis zur Entscheidung über die Gültigkeit des Kaufvertrages. Diesen Prozess verlor Giese im März lediglich, weil er formal nicht befugt war, ihn für Schädlich zu führen. Die Betreuer hatten sich trotz Aufforderung geweigert, ihm die Prozessführung zu genehmigen. Die zuständige Richterin hatte zu erkennen gegeben hatte, dass sie inhaltlich zugunsten von Schädlich entschieden hätte.

Erst ein Vierteljahr später konnte Giese schließlich, inzwischen von den neuen Betreuern dazu ermächtigt, die gewünschte einstweilige Verfügung erwirken. Zu diesem Zeitpunkt war Schädlichs Grundstück aber bis auf das Haus bereits kahl und diverses dort gelagertes Baumaterial wie Müll entsorgt. Giese lastet dieses Verschwinden ebenfalls den Betreuern an, und auch die Staatsanwaltschaft stellt Vorermittlungen wegen möglicher Untreue an.

Die Chronologie der Ereignisse
Mit Schadenersatzforderungen gegen die ersten Betreuer von Thea Schädlich hat jetzt die zweite Runde der gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Betreuungsverfahren an sich und den gegen ihren Willen erfolgten Verkauf des Grundstücks begonnen. Was bislang geschah:

Im Juli 2004 ordnet das Amtsgericht Pinneberg auf Anregung des Amtes Pinneberg-Land eine Betreuung für Thea Schädlich unter anderem für Hausangelegenheiten an. Im August 2004 wird ein weiterer juristischer Ergänzungsbetreuer eingesetzt. Im November 2004 begibt sich Schädlich nach dem Tod ihres Lebenspartners freiwillig in nervenärztliche Behandlung ins Klinikum Elmshorn. Im Februar 2005 lässt der Betreuer ein Wertgutachten für Schädlichs Kummerfelder Haus erstellen und leitet den Verkauf an die Gemeinde in die Wege. Im Mai 2005 wird Schädlich aus dem Krankenhaus entlassen, in dem sie sich auf Veranlassung von Gericht und Betreuern zeitweise in der geschlossenen Abteilung befand. Im November 2005 wird ihr 7500 Quadratmeter großes Grundstück für 337 000 Euro an die Gemeinde verkauft - 30 000 Euro unter Verkehrswert. Im Januar 2006 beginnt die Gemeinde mit der Räumung und Rodung. Im März wird Nanija Kroemer neue Betreuerin. ImApril 2006 stoppt das Landgericht Itzehoe vorläufig den Abriss des Wohngebäudes. Im Juli 2006 wird der Juraprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen weiterer neuer Betreuer.