Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 27.11.2006

von Marion GIRKE

Sie will wieder allein über ihr Leben bestimmen



Kummerfeld - Die alte Dame Thea Schädlich (68), deren Grundstück Ende vorigen Jahres von ihren damaligen Betreuern gegen ihren Willen und deutlich unter Verkehrswert an die Gemeinde Kummerfeld verkauft worden ist, will zurück in ein selbst bestimmtes Leben. Sie möchte künftig ohne Betreuer entscheiden und ihre Angelegenheiten selbst regeln. Gutachter sollen jetzt befinden, ob Thea Schädlich geistig so fit und stabil ist, dass die vom Gericht angeordnete Betreuung aufgehoben werden kann.

"Betreuung ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, sofern er nicht wirklich geistig stark abgebaut hat", sagt Thea Schädlich. Wieder und wieder hat sie seit Juli 2004 - dem Beginn der Betreuung - erleben müssen, wie Fremde angeblich zu ihrem Wohl Entscheidungen getroffen haben, mit denen sie nicht einverstanden war. Der möglicherweise wirtschaftlich völlig unnötige Verkauf ihres Grundstücks war nur die Spitze des Eisbergs.

Freiwillig würde Schädlich die 7500 Quadratmeter große Fläche nicht hergeben, auch nicht für einen höheren als den von Gemeinde und Betreuern vereinbarten Kaufpreis von 337 000 Euro. Dies hat sie erst vor gut drei Wochen Richtern des Landgerichts Itzehoe versichert.

Bei der Verhandlung ging es um die Frage, ob der von den Betreuern mit der Gemeinde Kummerfeld geschlossene Kaufvertrag möglicherweise unwirksam ist und Schädlich ihr Grundstück zurückbekommen muss. Die Entscheidung wird das Gericht in wenigen Tagen verkünden.

Schädlich wurde außerdem gegen ihren Willen monatelang in der psychiatrischen Abteilung des Klinikums Elmshorn therapiert. Während dieser Zeit wurde der Verkauf des Grundstücks von den Betreuern vorangetrieben. Die alte Dame hatte sich zwar aus eigenem Antrieb nach dem Tod ihres Lebensgefährten in Behandlung begeben. Aus den geplanten wenigen Tagen wurde ein Aufenthalt von einem halben Jahr.

Als Schädlich sich wehrte und ihren Fall in der Pinneberger Zeitung publik machte, versuchten die damaligen Betreuer sogar, die Rentnerin mundtot zu machen. Mit einstweiligen Verfügungen wollten sie - angeblich zum Schutz der alten Dame - einen Maulkorb für die Rentnerin selbst sowie das Hamburger Abendblatt und andere Medien durchsetzen. Das Vorhaben misslang, weil das Landgericht Berlin das Verbot der identifizierenden Berichterstattung aufhob.

Das Amtsgericht Pinneberg hat jetzt Mediziner eines Partnerunternehmens der Kieler Universität mit der Begutachtung beauftragt. Regelmäßige Überprüfungen sind gesetzlich vorgeschrieben. Die Kieler Ärzte wollen den Wunsch der alten Dame respektieren, frühere Gutachten erst nach einem ersten, unvoreingenommenen Gespräch mit der Rentnerin einzusehen. Schädlich legt auf ein möglichst neutrales Urteil großen Wert, weil sie fürchtet, dass die Schatten der Vergangenheit sie einholen könnten.

Ihr Misstrauen ist geweckt, weil sie mit Sachverständigen schlechte Erfahrungen gemacht hat. Eine Ungereimtheit: Ein erster vom Amtsgericht Pinneberg bestellter medizinischer Gutachter traf die alte Dame nach elf Versuchen lediglich einmal an - ohne Terminabsprache zufällig in der Nähe eines Altpapiercontainers. "Sammeltrieb mit Realitätsverlust" attestierte er.

Merkwürdig ist ferner: Der lange Aufenthalt im Klinikum Elmshorn ist von den Ärzten unter anderem mit folgender Empfehlung begründet worden: "Da sie freiwillig keine Medikamente nimmt, die stationäre Unterbringung fortführen." Nach Schädlichs eigenen Angaben hat sie es auch im Krankenhaus geschafft, die Einnahme der verabreichten Arzneien zu umgehen.

Schädlichs jetzige Betreuerin, Nanija Kroemer, ist gespannt auf das Ergebnis des neuerlichen Gutachtens. "Ich hoffe für Frau Schädlich, dass es ein Ergebnis gibt, das unvoreingenommen und in ihrem Sinne ist. Wenn sich das bestätigen sollte, sind wir alle froh und glücklich", sagte sie.