Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 23.12.2006

von Christian DENSO

Thea Schädlich: Jetzt bekommt sie ihr Haus zurück

Per Post kam die Behördensache am Freitagvormittag in die Pinneberger Kanzlei von Thea Schädlichs Anwalt Gunther Giese (64). Er zögerte keine Minute, den wichtigen Gerichtsbeschluss seiner Mandantin mitzuteilen: Die Vierte Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe hat eine Entscheidung getroffen, an die die alte Dame kaum noch geglaubt hatte.

Mit dem 14-seitigen Beschluss ist der Weg frei, damit die 68-Jährige ihr Grundstück in der Gemeinde Kummerfeld zurückbekommen kann - ein großer Erfolg von Thea Schädlich im Kampf um ihr Haus. Die Kummerfelderin war im Juli 2004 wegen eines vermeintlichen "Vermüllungssyndroms" unter rechtliche Betreuung gestellt worden. Das 7500-Quadratmeter-Areal hatten ihre damaligen Betreuer gegen ihren Willen Ende 2005 an die Gemeinde verkauft.

Die Gemeinde Kummerfeld hate zuvor die Betreuung der Rentnerin angeregt. Bürgermeister Hanns-Jürgen Bohland (CDU) plant langfristig, das Filetstück in der Ortsmitte bebauen zu lassen. Wie berichtet, argumentierten die Betreuer, der Verkauf sei nötig, damit Thea Schädlich Erbschaftssteuern zahlen konnte sowie die von der Gemeinde angedrohte Zwangs-Entmüllung des Grundstücks.

"Trotz des Beschlusses - so richtig freuen kann ich mich trotzdem nicht", sagte Thea Schädlich in einer ersten Reaktion: "Dafür habe ich einfach zu viel durchgemacht, schließlich war ich ein halbes Jahr eingesperrt." Für einige Tage hatte Schädlich die Psychiatrie in Elmshorn aufsuchen wollen, auf Betreiben ihrer - inzwischen abgelösten - Betreuer wurden daraus Monate.

Das Landgericht bestätigte die Auffassung des Schädlich-Anwalts, dass eine Veräußerung des Areals "objektiv nicht erforderlich" gewesen sei. Nach Ansicht des Vorsitzenden Richters und seiner zwei Beisitzerinnen wären andere, ausreichende Finanzmittel vorhanden gewesen. Daher wurde der Beschluss des Amtsgerichts Pinneberg, das den Kaufvertrag vormundschaftsrechtlich gebilligt hatte, aufgehoben.

"Der Vertrag ist jetzt praktisch unwirksam", so Anwalt Giese. Er will die Gemeinde auf eine schnelle Rückabwicklung drängen. Allerdings wird die Gemeinde die Erstattung des Kaufpreises sowie die Räumungskosten - ihre Höhe ist umstritten - fordern. "Aus unserer Sicht sind aber bei der Räumung erhebliche Schäden entstanden, die wir ersetzt haben wollen", sagte der Anwalt Schädlichs, der fürchtet, dass sich die Auseinandersetzung noch länger hinziehen wird.

Gunther Giese war zwar mit dem Versuch gescheitert, die Räumung des Areals gerichtlich zu stoppen. Den Abriss des Hauses konnte er aber verhindern. In das Gebäude will seine Mandantin nach Renovierung einziehen. Dagegen betont Bürgermeister Bohland weiterhin: "Das Grundstück wurde uns angeboten, wir haben uns an Recht, Ordnung und Gesetz gehalten." Wenn sich aus dem Beschluss ergibt, "dass wir das Gelände zurückgeben müssen, werden wir das natürlich tun." Bohland will zunächst prüfen, ob eine Beschwerde möglich ist.

Thea Schädlich, der nach wie vor untersagt ist, ihren ehemaligen Besitz in Kummerfeld zu betreten, kehrte am Freitag nach dem Gespräch mit ihrem Anwalt dorthin zurück - um ihre Katzen zu füttern, die weiter auf dem Grundstück leben. "Es ist ja Weihnachten", sagt sie.

Eine Chronik der Betreuungs-Affäre, die bundesweit Schlagzeilen machte
Die Betreuungs-Affäre um Thea Schädlich: Im vergangenen Februar stand sie eines Tages in der Redaktion der "Pinneberger Zeitung" und erzählte ihre Geschichte. Erst griff die Regionalausgabe das Thema auf, dann das Hamburger Abendblatt selbst. Und nach und nach berichteten auch andere Medien, etwa der NDR, der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung". Eine Chronik der Ereignisse:

  • 26. Mai 2004: Das Amt Pinneberg-Land regt an, wegen des aus Sicht der Gemeinde Kummerfeld vermüllten Grundstücks der Thea Schädlich eine gerichtliche Betreuung zu erwägen.
  • 23. Juli 2004: Für Thea Schädlich wird vom Amtsgericht Pinneberg eine Betreuerin unter anderem für Hausangelegenheiten bestellt. Es liegt ein erstes, vom Gericht veranlasstes medizinisches Gutachten vor. Für die Erstellung dieser Beurteilung unternahm der Sachverständige elf vergebliche Kontaktversuche. Nur einmal gelang es ihm, Schädlich an einem Altpapiercontainer persönlich abzupassen. Und: Er telefoniert mit Schädlichs Hausarzt.
  • 18. August 2004: Dasselbe Gericht erlässt den Beschluss, einen zweiten Betreuer als juristischen Ergänzungsbetreuer einzusetzen. Davon erfährt Schädlich nur zufällig.
  • November 2004: Schädlich begibt sich freiwillig in nervenärztliche Behandlung im Klinikum Elmshorn. Aus wenigen Tagen wird auf Betreiben der Betreuerin ein monatelanger Aufenthalt. Die Klinikärzte erstellen ein weiteres Gutachten im gerichtlichen Auftrag - Angaben zur Krankengeschichte macht in erheblichem Umfang die Betreuerin.
  • 8. Februar 2005: Für das Kummerfelder Haus lässt der Ergänzungsbetreuer ein Wert-Gutachten erstellen. Der Verkauf wird in die Wege geleitet.
  • 29. Mai 2005: Schädlich wird aus dem Krankenhaus entlassen.
  • 29. November 2005: Die Betreuer verkaufen gegen den Willen Schädlichs das Grundstück in Kummerfeld für 337 000 Euro an die Gemeinde Kummerfeld.
  • 1. Januar 2006: Die Gemeinde beginnt mit der Räumung.
  • 29. März 2006: Nanija Kroemer wird auf Wunsch von Thea Schädlich vom Amtsgericht Pinneberg als neue Betreuerin eingesetzt, Anfang Juli tauscht das Gericht auch den zweiten Betreuer aus: Jetzt kümmert sich auch der Hamburger Strafrechts-Professor Bernd-Rüdeger Sonnen um die 68-Jährige. Er hat Erfahrung in schwierigen Betreuungsfällen.
  • 11. April 2006: Das Landgericht Itzehoe stoppt vorläufig die Räumung des Grundstücks und den Abriss des Hauses.
  • Juli 2006: Thea Schädlich verklagt ihre ehemaligen Betreuer: Sie will Schadenersatz, weil sie um einen erheblichen Teil ihres Vermögens gebracht worden sei.
  • Oktober 2006: Verspätet legt die Gemeinde die Abrechnung über die Räumungskosten des Grundstücks vor: Sie bleibt mit etwas mehr als 100 000 Euro um etwa 73 000 Euro unter den geschätzten Kosten.
  • November 2006: Thea Schädlich will ein neues Gutachten über sich erstellen lassen - um künftig ganz ohne Betreuer leben zu können. Die 68-jährige Frau sagt: "Betreuung ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, sofern er nicht wirklich geistig stark abgebaut hat."