Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 16.06.2006

von Marion GIRKE, Christian DENSO

Thea Schädlich - Jetzt ein Fall für die Bürgerschaft

Der Fall der alten Dame: Jetzt wird Thea Schädlich (68), deren Haus gegen ihren Willen von den gerichtlich bestellten Betreuern verkauft worden war, auch Thema in der Hamburger Bürgerschaft.

Die SPD nimmt diesen Fall zum Anlaß nachzuhaken: Wie hält es Hamburg mit der rechtlichen Betreuung hilfsbedürftiger Menschen? Dazu bringt die Fraktion heute einen 20-Punkte-Antrag in das Landesparlament ein. Darin wird der Senat aufgefordert, bis Jahresende einen umfassenden Bericht über die Betreuungssituation in der Hansestadt vorzulegen.

Die Sozialdemokraten verlangen dabei zunächst einmal vor allem Aufklärung über die aktuelle Situation: "Wir brauchen eine Bestandsaufnahme", sagte Dirk Kienscherf. Die Zahl der Betreuungen werde ansteigen, so der sozialpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion: Es gebe immer mehr ältere Menschen in der Gesellschaft, insbesondere mehr Senioren, die über 80 Jahre alt sind. "Das Problem Betreuung wird größer werden", sagt Kienscherf.

Wie berichtet, war der Fall der alten Dame aus Kummerfeld bereits Thema im Landtag in Kiel: Auch dort haken die Parteien nach, wie es um die Betreuung steht. Wollten Politiker sich anfangs - als mit der Pinneberger Zeitung eine der Regionalausgaben des Abendblatts über den Skandal berichtete - kaum äußern, scheint jetzt auch auf dieser Ebene Bewegung ins Spiel zu kommen.

In Hamburg fordert die größte Oppositionspartei insbesondere eine Stärkung der Betreuungsvereine, die sich um die Qualifizierung von ehrenamtlichen Betreuern kümmern: "Es kann nicht sein, daß es, wie in manchem Verein in Hamburg, nur zwei Mitarbeiter gibt, die sich um 900 ehrenamtliche Betreuer kümmern müssen", kritisiert Dirk Kienscherf: "Da muß der Senat helfen." Zudem müsse den Berufsbetreuern "mehr auf die Finger geguckt werden", sagte der Sozialexperte: "Die Qualität der Betreuungen muß sichergestellt werden."

Bisher sei der Senat allerdings in entscheidenden Punkten nicht auskunftsfähig - etwa über die Zahl der Ermittlungsverfahren, die gegen Betreuer eingeleitet wurden. Wichtig sei zudem, Schätzungen über die zukünftige Entwicklung der Zahl der Betreuungsfälle und die dabei anfallenden Kosten offenzulegen. "Wir brauchen endlich Zahlen auf den Tisch", fordert Dirk Kienscherf. Der Fall der alten Dame, insbesondere die Leserreaktionen, hätten gezeigt, wie wichtig Transparenz und Qualität bei Betreuungen seien, so die Sozialdemokraten in ihrem Antrag.

Die Oppositionspartei erhofft sich die Zustimmung der CDU, wenn wahrscheinlich nach der Sommerpause über den Antrag im Rathaus entschieden wird. SPD-Mann Kienscherf: "Wir brauchen einen Dialog. Das Thema Betreuung muß in Hamburg endlich ganz oben auf die Tagesordnung."

Gericht untersagt vorerst den Abriss des Hauses
Thea Schädlich, die alte Dame aus Kummerfeld, hat im Kampf um die Rückgabe ihres Grundstücks eine der letzten Hürden geschafft: Das Landgericht Itzehoe hat in einer einstweiligen Verfügung der Gemeinde den geplanten Abriß ihres ehemaligen Hauses vorläufig verboten.

Grundstück und Haus waren der Gemeinde von Thea Schädlichs gerichtlich eingesetzten Betreuern gegen den Willen der alten Dame und unter Verkehrswert verkauft worden. Dagegen wehrt sich Thea Schädlich seit Anfang des Jahres, als ihr vom Kummerfelder Bürgermeister ein Verbot erteilt wurde, das Grundstück weiterhin zu betreten. Bis auf das Haus ist das 7500 Quadratmeter große Gelände in Filet-Lage mitten im Ort bereits kahl geräumt und gerodet. Inzwischen wurde bekannt, daß 13 der abgeholzten Bäume laut Baumschutzordnung gar nicht hätten gefällt werden dürfen. Die Gemeinde muß deswegen vermutlich an anderer Stelle Ersatzpflanzungen in erheblichem Umfang vornehmen.

Das Abrißverbot gilt, bis abschließend über die Rechtmäßigkeit des Kaufvertrages entschieden ist, der zwischen den Betreuern und der Gemeinde geschlossen und vom Vormundschaftsgericht Pinneberg genehmigt wurde. Um die Rechtmäßigkeit der Genehmigung geht es in drei Wochen vor der Beschwerdekammer des Vormundschaftsgerichts beim Landgericht Itzehoe.