Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 22.09.2006

von Marion GIRKE

War wirklich alles Müll?



Pinneberg/Kummerfeld - Im Fall der Thea Schädlich, deren Grundstück in Kummerfeld von gerichtlich eingesetzten Betreuern gegen den Willen der alten Dame an die Kommune verkauft worden ist, gerät das Gemeindeoberhaupt Hanns-Jürgen Bohland zunehmend in Erklärungsnöte. Der Bürgermeister legte stets Wert auf die Feststellung, streng nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben. Wirklich? Bohland hat zugelassen, dass die Gemeinde von Wertgegenständen direkt profitierte, die Schädlich weiterhin gehören und trotzdem von ihrem Grundstück abtransportiert wurden.

Bohland räumte im Gespräch mit der Pinneberger Zeitung ein, einen dort aufbewahrten, nagelneuen Rasenmäher für den Einsatz auf öffentlichen Grünflächen verwendet zu haben. "Den haben wir aber nur an einem einzigen Tag benutzt, weil der andere kaputt war", sagte das Gemeindeoberhaupt. Schädlich hatte das Modell Sabo 52 Vario E im Juli 2005 für 1450 Euro erworben und seitdem noch nie benutzt. Das Gerät gehört nicht zum mitverkauften Hausinventar, was der Gemeinde Kummerfeld bekannt ist. Nach Protesten von Schädlichs Betreuern ist der nun nicht mehr neuwertige Mäher inzwischen sichergestellt.

Ferner hat die Gemeinde erst jetzt mit erheblicher Verspätung und auf mehrfaches Drängen von Schädlichs Anwalt Gunther Giese eine Übersicht der Kosten für die komplette Räumung und Rodung des 7500 großen Areals zusammenstellen lassen. Zugesagt war diese Abrechnung, zu der die Gemeinde laut Grundstückskaufvertrag "nach Abschluss der Arbeiten" verpflichtet war, bereits für Mitte Juli.

Bei der vermeintlichen Entmüllung des Grundstücks selbst hatte Bohland eine größere Eile an den Tag gelegt. Lediglich das Wohnhaus konnte mit Hilfe einer einstweiligen gerichtlichen Verfügung gerade noch vor der Vernichtung gerettet werden.

Obwohl das Grundstück in Filetlage an der Bundesstraße jetzt bis auf das Haus ratzekahl ist, kommt die Gemeinde bei der Abrechnung nicht annähernd auf den für Müllbeseitigung vom Kaufpreis einbehaltenen Betrag von 174 000 Euro. Belegt sind bislang nur 130 000 Euro. Selbst von den so gesparten 44 000 Euro bekommt Schädlich nur rund die Hälfte ab, weil die Gemeinde laut Kaufvertrag den Rest als Belohnung fürs Knausern kassiert.

Die von dem ursprünglichen Ergänzungsbetreuer Schädlichs eingeholte Kostenschätzung war von Branchenkennern von Anfang an als überteuert eingestuft worden. Im Klartext: Schädlich sollte für Entmüllung so viel abgezogen werden wie in der Gegend für ein ganzes Haus bezahlt werden muss. Außerdem gab es sogar Alternativangebote von Firmen, die von Kosten in Höhe von rund 40 000 Euro ausgingen, aber nicht zum Zuge kamen.

Bohland erklärte die Diskrepanz zum einen damit, dass es sich bei der jetzigen Aufstellung um eine Zwischenabrechnung handele. "Da muss noch was geräumt werden", sagte er, gab aber zu: "Auf 174 000 Euro insgesamt werden wir nicht kommen." Günstiger sei die Abrechnung ferner, weil Gemeindearbeiter den Müll sortiert hätten. Es sei zwar kein Material verkauft worden, Fahrräder habe aber beispielsweise ein Schrotthändler kostenlos übernommen. Altpapier habe getrennt als Wertstoff entsorgt werden können.

Behauptungen Schädlichs, Mitarbeiter von Gemeinde und Fremdfirmen hätten sich auf ihrem ehemaligen Grundstück mit dort gelagerten, brauchbaren Wertgegenständen eingedeckt, wies Bohland zurück. Für möglich hält er jedoch, dass von anderen "einiges geklaut" worden sein könnte. Ähnlich ungenau ist seine Erklärung für ein vor einem von der Gemeinde genutzten Lagerraum gesichtetes Gartentor, das haargenau jenem gleicht, das sich früher auf Schädlichs Grundstück befand. "Ein Tor? Mag sein, dazu kann ich nichts sagen", lautete Bohlands Antwort auf eine Nachfrage der Pinneberger Zeitung.

Schließlich sind die Arbeiter, die im Auftrag und unter häufiger Kontrolle des Bürgermeisters das ursprünglich dicht bewachsene Grundstück von Schädlich gerodet haben, nicht eben zimperlich mit von der Gemeinde selbst gesetzten Umweltvorschriften umgegangen. Gefällt wurden unter anderem 13 Bäume, die nach der Kummerfelder Baumschutzsatzung unter Schutz stehen. Als Ersatz haben die gemeindlichen Gremien bereits die Anpflanzung von 40 Gehölzen andernorts beschlossen.