Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 13.04.2006

von Marion GIRKE

Wie die alte Dame um ihr Recht kämpft

Der Fall der alten Dame - jetzt hat sie einen weiteren wichtigen Teilerfolg im Kampf um ihr Haus und Grundstück geschafft. Das zuständige Landgericht hat der Gemeinde, der neuen Eigentümerin des 7500 Quadratmeter großen Filetstücks, vorläufig verboten, das darauf stehende Haus abzureißen. Unter Androhung eines Ordnungsgelds von bis zu 20 000 Euro sind damit die Abrißbagger der Gemeinde gestoppt, die das Grundstück vollständig räumen sollen.

Das Gelände war gegen den Willen der Eigentümerin von ihren Betreuern unter umstrittenen Umständen verkauft worden. Als das Abendblatt über den Fall berichtete, erwirkte einer der Betreuer beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung. Seitdem darf die Redaktion nicht mehr Namen und Orte in der Affäre nennen.

Die alte Dame - Schritt für Schritt erkämpft sie sich derzeit ihr Recht. Erst wurde vom Vormundschaftsgericht einer der beiden Betreuer ausgetauscht. Zudem stellte der Richter klar: Es gibt kein Redeverbot für die alte Dame gegenüber der Öffentlichkeit. Und: Es schwelt ein Streit um den Kaufvertrag zwischen der Gemeinde und den bisherigen Betreuern. Sie drohen, den Kaufvertrag ihrerseits anzufechten, weil sie vor dem Verkauf angeblich nicht wußten, daß die Gemeinde das Areal als Bauland ausweisen will.

Seit Anfang des Jahres hatte die Gemeinde ohne Rücksicht auf laufende Verfahren das Grundstück geräumt. Bäume und Sträucher wurden abgeholzt, neben Müll auch verwertbares Baumaterial abgefahren. Die für die Gemeinde zuständige Amtsverwaltung hatte dafür gesorgt, daß die alte Dame wegen eines "Vermüllungssyndroms" unter Betreuung gestellt worden war. Die Gemeinde hatte das Grundstück erheblich unter dem Verkehrswert gekauft. Die Seniorin soll zudem bis zu 174 000 Euro für Müllbeseitigung zahlen.

In der neuen Gerichtsentscheidung heißt es jetzt: Der Gemeinde "wird vorläufig und längstens bis zum 10. August 2006 untersagt, das auf dem Grundstück vorhandene Wohnhaus weiterhin zu verändern, insbesondere weiterhin abzureißen." Diese Entscheidung hat für die alte Dame der Anwalt ihres Vertrauens erwirkt. Er ist damit erstmals vom Landgericht als Prozeßbevollmächtigter anerkannt worden - ein weiterer Erfolg. Denn ein früherer Versuch, mit einer einstweiligen Verfügung die Räumung des Grundstücks zu stoppen, war gescheitert, weil die damaligen Betreuer der alten Dame diesen Anwalt nicht genehmigten. Eine damals zuständige Richterin des Landgerichts hatte den Antrag daher aus formalen Gründen zurückgewiesen - obwohl sie Verständnis für das Anliegen äußerte. Inzwischen ist ein anderer Richter für das erneute Verfahren zuständig, der sich bis zur Verhandlung Ende Mai erst einarbeiten muß. "Jetzt darf auf dem Grundstück erst einmal nichts mehr passieren, bevor das Gericht entschieden hat", sagte der Anwalt der alten Dame. Er möchte letztlich erreichen, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts für den Grundstückskauf aufzuheben. Dann könnte das Grundstück rückübertragen werden.

Gemeinde und Amtsverwaltung reagierten auf die Entscheidung so: "Die Gemeinde ist an Recht und Gesetz gebunden und wird diesen Gerichtsbeschluß selbstverständlich beachten. Die Gemeinde hat in der Vergangenheit und wird auch in der Zukunft nach Recht und Gesetz handeln."

Presserechtlich wird das Verfahren bereits am heutigen Donnerstag fortgesetzt: Dann verhandelt das Landgericht Berlin den Widerspruch des Abendblatts gegen den Maulkorb für die Zeitung.