Thilo SARRAZIN's Rezepte

Ein (Ex)Finanzsenator weiß, wie man sich mit weniger als 4 Euro am Tag bestens ernähren kann

 

"Deutschland schafft sich ab" lautet sein Erfolgsbestseller. Ein Buch voll mit vielen platten Überlegungen, vereinfachten und zurechtgelegten statistischen Zahlensammlungen sowie teilweise plumpen Vorschlägen. Zu allem möglichen. Wie man der Ausländerproblematik Herr wird, wie man Staatsausgaben einfrieren kann und vieles andere mehr. Einiges ist vom Ansatz ausgesprochen interessant. Aber das hätte (sehr viel) mehr präsziser Ausführungen bedurft und das wäre möglicherweise eine absolute Verkaufsbremse für die Millionenauflage gewesen.

Harsche Kritik hatte SARRAZIN für dieses Buch geerntet. Er hatte es bewusst darauf angelegt, denn Provokation ist eines seiner Markenzeichen. Provozieren als Stilmittel um Diskussionen anzuregen?

 

Als Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn AG hatte dies nicht lange vorgehalten, ganze eineinhalb Jahre, danach wurde er abberufen. Seine Idee: Die geplante Privatisierung der Bahn durch Ausgabe stimmrechtsloser Volksaktien insoweit einzugrenzen, dass sie nicht zum Spielball privater Investoren (bzw. Spekulanten) auf den Aktienmärkten werden könne. Seinem Widersacher, dem glühenden Vorkämpfer für die Privatisierung und kapitalisierung, Bahnchef Hartmut MEHDORN, konnte dies nicht gefallen. Er bezeichnete SARRAZIN als "Autisten". SARRAZIN über MEHDORN: ein "Zwerg".

Als Finanzsenator für Berlin (2002 bis 2009) war SARRAZIN wesentlich erfolgreicher. Dem schier zügellosen Ausgabengebaren der zu Mauerzeiten finanziell durch "Staatsknete" verwöhnte Stadt verordnete er einen rigiden Sparkurs. Einen besonders finanziellen Exzess konnte er ebenfalls erfolgreich beenden: die "Luxusfinanzierung und Luxussubventionierung" im Berliner Sozialen Wohnungsbau. Mit seiner teilweise grobschlächtigen Art, seiner unbeirrbaren Hartnäckigkeit ließ er alle Lobbyisten und Betroffenen abblitzen, die sich jahrzehntelang an ein völlig absurdes Subventionssystem gewöhnt hatten und meinten, es gäbe einen unumkehrbaren Vertrauensschutz. 

Seine anschließende Tätigkeit als Vorstandsmitglied in der Deutschen Bundesbank wurde ebenfalls schnell zum öffentlichen Aufreger: durch seine Buchveröffentlichung 2010 "Deutschland schafft sich ab" und die darin enthaltenen Behauptungen bzw. politischen Thesen.

Noch zu Finanzsenators Zeiten, im Jahr 2008, meinte SARRAZIN zu wissen, wie man als Hartz IV-Empfänger mit dem Regelbetrag bestens über die Runden kommen würde. Insbesondere wenn man seinem von ihm entworfenen und angeblich selbst auch ausprobierten Speiseplan Genüge tun würde. Und so sehen SARRAZINS Empfehlungen aus:

 

Hier das selbsterstellte Hartz-IV-Tagesmenü von Thilo SARRAZIN, anteilig errechnet aus den Preisen für z.B. 1 Dose Sauerkraut, 1 Kilo Bananen usw.:

 

Zum Frühstück gibt es

·         3 Scheiben Vollkornbrot (0,12 Euro)

·         2 Scheiben Wurst (0,30)

·         1 Scheibe Käse (0,25)

·         2 Tassen Kaffee (0,10)

·         1 Glas Saft (0,30)

·         20 g Butter (0,10)

·          1 Mandarine (0,25)

Mittagessen (Bratwurst mit Sauerkraut)

·         1 Bratwurst (0,38)

·         Kartoffelbrei (0,25)

·         150 g Sauerkraut (0,12)

·         Gewürze/Öl (0,20)

 Nachmittags-Snack

·         1 Kaffee und 1 Banane (0,30)

 Abendbrot

·         2 Scheiben Brot (0,12)

·         100 g Kräuterquark (0,30)

·         1 Scheibe Schinken (0,30)

·         2 Tomaten (0,27)

·         2 Glas Tee (0,10)

Summe: 3,76 Euro

Der Hartz-IV-Regel-Essenssatz beträgt 4,25 Euro/Tag. Ergo: Von Hartz IV kann man auskömmlich leben. 7 Tage jede Woche. Bzw. 4 Wochen im Monat. Oder 12 Monate jährlich. Meistens sogar mehrere Jahre lang.


SARRAZIN will alle Zahlen von seinem Finanzbeamten geprüft lassen haben. Allerdings: Auf Anfrage nach den Originalunterlagen bei der zuständigen Pressestelle der Berliner Finanzverwaltung im Dezember 2013 haben wir folgende Antwort erhalten:

"Es gibt keine offiziellen Dokumente aus dem Jahr 2008 zum Vorstoß des damaligen Finanzsenators Dr. Sarrazin. Es handelte sich um eine von ihm getätigte Äußerung, die erhebliche mediale Aufmerksamkeit nach sich gezogen hat".

 

Thilo SARRAZIN beharrte auf Nachfragen immer wieder darauf, dies alles selbst ausprobiert zu haben. Wie lange er das durchgehalten haben wollte, sagte er allerdings nicht. Es hatte damals auch niemand danach gefragt.

Egal wie: Wenn SARRAZIN das alles wirklich ganz ernst gemeint haben sollte, lässt er einen weiteren logischen Rezeptvorschlag aus: Dass nämlich jedermann/jedefrau - und er selbst eingeschlossen - so leben könne. Und dann bräuchte man eigentlich auch keine Gehälter mehr, die mehr aus Tausend Euro monatlich betragen. Auch nicht für jene, die solche Ratschläge geben.

So gesehen schafft sich nicht Deutschland ab. Es ist eher anders - und so entspricht es auch den Realitäten: SARRAZIN hat sich mit seinen teilweise völlig absurden Rezepten selbst "abgeschafft".

 

(JL / N.Z.)