Interview mit den beiden Frontal21-Journalisten

Das Interview mit den Redakteuren von Frontal21, die die Geschichte im deutschen Fernsehen kommuniziert haben

ansTageslicht.de:
Wie sind Sie auf die Geschichte gekommen? Hat sich El Masri bei Ihnen selbst gemeldet oder haben Sie etwa das Thema von anderen Medien aufgegriffen? Wie waren die Anfänge der Geschichte

Johannes Hano:
El Masri hatte schon ein Interview gegeben, der New York Times und der Süddeutschen Zeitung. Es bestand nun das Interesse unsererseits, das auch im Fernsehen darzustellen. Wir haben damals gesagt: wir machen das Interview auf jeden Fall, uns reicht es jedoch nicht, allein das Interview zu machen, wir müssen die Geschichte überprüfen. Als wir das Interview abgedruckt vor uns liegen hatten, haben wir gesagt: „Ja, wenn da was dran ist, ist es ein Skandal, möglicherweise kann es stimmen.“ Dann haben wir gesagt: „wir müssen aufpassen, weil in dieser ganzen Szene so viel Propaganda verbreitet wird, dass wir nicht senden, bevor wir einige Belege für die Echtheit der Geschichte gefunden haben.“ Dann haben wir das Interview mit El Masri geführt. Sehr ausführlich, das hat der Kollege Brase gemacht. Und parallel dazu haben wir versucht, viele seiner Angaben, zu überprüfen.

ansTageslicht.de:
Aus Ihren Berichten kann man erahnen, dass Sie schon im Vornherein gute Kontakte zu den ehemaligen CIA-Agenten hatten, wie etwa Melissa Boyle. Muss man solche Kontakte schon Jahre lang vorher pflegen oder wie kommt man auf solche Informanten, die sogar ihren Namen preisgegeben hatten.

J. Hano:
Also in diesem Falle ist die Erklärung weniger abenteuerlich und weniger konspirativ, als man sich das vorstellt. Die hatten bereits in den USA Veröffentlichungen zu dem Thema gemacht. Melissa Boyle hatte ein Buch veröffentlicht, in dem sie mehr oder weniger autobiographisch auf ihre abenteuerliche Arbeit bei der CIA eingeht und insofern war sie natürlich eine potenzielle Ansprechpartnerin für verschiedene Aufklärungspraktiken der amerikanischen Geheimdienste. Was den konkreten Fall El Masri angeht, darüber konnten wir nicht mit ihr sprechen, weil sie darüber keine Kenntnis hatte. Aber wir wussten, dass El Masri in ein Muster passt, was sie selbst als "extraordinary renditions" bezeichnet und von dem sie auch in ihrem Buch berichtete. Insofern war sie eine Gewährsfrau, ein Beleg dafür, dass der amerikanische Geheimdienst mit dieser Art von Verschleppung schon seit langer Zeit arbeitet.

ansTageslicht.de:
Haben Sie auch mit ihr einen persönlichen Kontakt aufgenommen oder brauchten Sie das dann gar nicht?

Jörg Brase:
Doch, natürlich. Ich musste mit ihr persönlichen Kontakt aufnehmen. Aber viel wichtiger für die Aufarbeitung der ganzen Geschichte war nicht die ehemalige CIA-Agentin. Für uns viel wichtiger war, zu belegen, dass El Masris Geschichte annährend stimmen kann. Wir mussten Beweise dafür finden, dass El Masri tatsächlich in Skopje war und dass er von Skopje nach Kabul geflogen wurde. Das war die eigentliche journalistische Leistung in der ganzen Geschichte.

ansTageslicht.de:
Genau. Sie haben das Flugkennzeichen und die Flugstrecke, die auf der Karte im Bericht erschienen ist, recherchiert. Waren Sie die ersten in der ganzen Medienlandschaft, die es so genau rekonstruiert hatten?

J. Hano:
Ja, also die ersten die das rekonstruiert hatten waren wir. Für diesen konkreten Flug. Wir hatten schon recherchiert und hatten schon gehört, da es diese Rendition-Praxis der US Geheimdienste gibt. Die Praxis, Leute zu verschleppen und in andere Länder zu bringen. Das wussten wir. Auch war bekannt, dass es da geheime Flugzeuge geben soll. Das wussten wir auch. Den Flug, mit dem El Masri wahrscheinlich verschleppt wurde, haben wir auf zwei Wegen rekonstruiert: einmal hatte ich eine Quelle angerufen bei einer europäischen Behörde und die habe ich gefragt, ob es an diesem Tag, von dem El Masri behauptet, er sei von Skopje nach Kabul geflogen worden, einen Flug von Skopje nach Kabul gegeben hat. Einen offiziellen oder inoffiziellen Flug. Diese Quelle durfte mir aber keine Details sagen, aus Datenschutzgründen. Sie hat mich aber auf eine Fährte gebracht, dass ich doch mal im Internet recherchieren soll. Dann haben wir eine Internetrecherche gemacht. Wir haben ein Flugzeug samt seiner Kennung gefunden, das gestartet war in Palma de Mallorca mit dem Ziel Skopje. Jetzt hatten wir die Flugnummer und ein Foto. Daraufhin habe ich meine Quelle wieder angerufen und habe gesagt: „Ich habe eine Flugnummer und ein Foto. Die Maschine ist dann und dann gestartet und muss dann und dann ungefähr gelandet sein. Ist das die Maschine? Wohin ist diese Maschine weitergeflogen?“ Und meine Quelle hat mir dann bestätigt, dass es just diese Maschine war, dass sie weitergeflogen ist über Bagdad nach Kabul. Das war aber nur eine Quelle, die das bestätigt hatte. Allerdings eine Quelle aus einer offiziellen Flugbehörde in Europa.

ansTageslicht.de:
Also glaubwürdig genug.

ansTageslicht.de:
Wie sind Sie auf die Geschichte gekommen? Hat sich El Masri bei Ihnen selbst gemeldet oder haben Sie etwa das Thema von anderen Medien aufgegriffen? Wie waren die Anfänge der Geschichte?

J. Hano:
El Masri hatte schon ein Interview gegeben, der New York Times und der Süddeutschen Zeitung. Es bestand nun das Interesse unsererseits, das auch im Fernsehen darzustellen. Wir haben damals gesagt: wir machen das Interview auf jeden Fall, uns reicht es jedoch nicht, allein das Interview zu machen, wir müssen die Geschichte überprüfen. Als wir das Interview abgedruckt vor uns liegen hatten, haben wir gesagt: „Ja, wenn da was dran ist, ist es ein Skandal, möglicherweise kann es stimmen.“ Dann haben wir gesagt: „wir müssen aufpassen, weil in dieser ganzen Szene so viel Propaganda verbreitet wird, dass wir nicht senden, bevor wir einige Belege für die Echtheit der Geschichte gefunden haben.“Dann haben wir das Interview mit El Masri geführt. Sehr ausführlich, das hat der Kollege Brase gemacht. Und parallel dazu haben wir versucht, viele seiner Angaben, zu überprüfen.

ansTageslicht.de:
Aus Ihren Berichten kann man erahnen, dass Sie schon im Vornherein gute Kontakte zu den ehemaligen CIA-Agenten hatten, wie etwa Melissa Boyle. Muss man solche Kontakte schon Jahre lang vorher pflegen oder wie kommt man auf solche Informanten, die sogar ihren Namen preisgegeben hatten.

J. Hano:
Also in diesem Falle ist die Erklärung weniger abenteuerlich und weniger konspirativ, als man sich das vorstellt. Die hatten bereits in den USA Veröffentlichungen zu dem Thema gemacht. Melissa Boyle hatte ein Buch veröffentlicht, in dem sie mehr oder weniger autobiographisch auf ihre abenteuerliche Arbeit bei der CIA eingeht und insofern war sie natürlich eine potenzielle Ansprechpartnerin für verschiedene Aufklärungspraktiken der amerikanischen Geheimdienste.Was den konkreten Fall El Masri angeht, darüber konnten wir nicht mit ihr sprechen, weil sie darüber keine Kenntnis hatte. Aber wir wussten, dass El Masri in ein Muster passt, was sie selbst als "extraordinary renditions" bezeichnet und von dem sie auch in ihrem Buch berichtete. Insofern war sie eine Gewährsfrau, ein Beleg dafür, dass der amerikanische Geheimdienst mit dieser Art von Verschleppung schon seit langer Zeit arbeitet.

ansTageslicht.de:
Haben Sie auch mit ihr einen persönlichen Kontakt aufgenommen oder brauchten Sie das dann gar nicht?

J. Brase:
Doch, natürlich. Ich musste mit ihr persönlichen Kontakt aufnehmen.Aber viel wichtiger für die Aufarbeitung der ganzen Geschichte war nicht die ehemalige CIA-Agentin. Für uns viel wichtiger war, zu belegen, dass El Masris Geschichte annährend stimmen kann. Wir mussten Beweise dafür finden, dass El Masri tatsächlich in Skopje war und dass er von Skopje nach Kabul geflogen wurde. Das war die eigentliche journalistische Leistung in der ganzen Geschichte.

ansTageslicht.de:
Genau. Sie haben das Flugkennzeichen und die Flugstrecke, die auf der Karte im Bericht erschienen ist, recherchiert. Waren Sie die ersten in der ganzen Medienlandschaft, die es so genau rekonstruiert hatten?

J. Hano:
Ja, also die ersten die das rekonstruiert hatten waren wir. Für diesen konkreten Flug. Wir hatten schon recherchiert und hatten schon gehört, da es diese Rendition-Praxis der US Geheimdienste gibt. Die Praxis, Leute zu verschleppen und in andere Länder zu bringen. Das wussten wir. Auch war bekannt, dass es da geheime Flugzeuge geben soll. Das wussten wir auch. Den Flug, mit dem El Masri wahrscheinlich verschleppt wurde, haben wir auf zwei Wegen rekonstruiert: einmal hatte ich eine Quelle angerufen bei einer europäischen Behörde und die habe ich gefragt, ob es an diesem Tag, von dem El Masri behauptet, er sei von Skopje nach Kabul geflogen worden, einen Flug von Skopje nach Kabul gegeben hat. Einen offiziellen oder inoffiziellen Flug. Diese Quelle durfte mir aber keine Details sagen, aus Datenschutzgründen. Sie hat mich aber auf eine Fährte gebracht, dass ich doch mal im Internet recherchieren soll. Dann haben wir eine Internetrecherche gemacht. Wir haben ein Flugzeug samt seiner Kennung gefunden, das gestartet war in Palma de Mallorca mit dem Ziel Skopje. Jetzt hatten wir die Flugnummer und ein Foto. Daraufhin habe ich meine Quelle wieder angerufen und habe gesagt: „Ich habe eine Flugnummer und ein Foto. Die Maschine ist dann und dann gestartet und muss dann und dann ungefähr gelandet sein. Ist das die Maschine? Wohin ist diese Maschine weitergeflogen?“Und meine Quelle hat mir dann bestätigt, dass es just diese Maschine war, dass sie weitergeflogen ist über Bagdad nach Kabul. Das war aber nur eine Quelle, die das bestätigt hatte. Allerdings eine Quelle aus einer offiziellen Flugbehörde in Europa.

ansTageslicht.de:
Also glaubwürdig genug.

J. Hano:
Glaubwürdig genug, aber auch wieder nicht glaubwürdig genug, weil es nur eine Quelle war. Die Quelle war zwar schon an sich recht glaubwürdig, aber nur auf Grund einer solchen Tatsache hätten wir das nicht gemacht. Das heißt, das war relativ glaubwürdig, aber es war uns noch nicht genug. Wir mussten mindestens eine zweite Quelle finden. Daraufhin ist der Kollege Brase, aber das kann er gleich selbst erzählen, nach Skopje gefahren. Ich habe dann das Foto ausgedruckt und herausgefunden, dass es über diese Maschine Gerüchte gibt, dass sie zu einer CIA-Tarnfirma gehört. Ich habe das Foto ausgedruckt, ich habe dem Kollgen Brase dann die Informationen gegeben, die ich hatte. Und mit diesen Informationen und mit einigen anderen Informationen, ist er dann nach Mazedonien gefahren.Er hat dort zwei Sachen gecheckt: zum Einen hat er versucht herauszufinden, ob es dort irgendeinen zweiten Beleg gibt, dass der Flug tatsächlich stattgefunden hat. Zum Anderen hatte El Masri uns das Hotel beschrieben, in dem er gefangen gehalten wurde. Dann war die Überlegung: können wir dieses Hotel finden? Und auch deswegen ist der Kollege Jörg Brase selbst nach Mazedonien gefahren.

ansTageslicht.de:
Wie haben sie die zweite Quelle herausgefunden? Wie wurde ihre Information über die Flugkennung und –strecke beim zweiten Mal bestätigt? 

J. Brase:
Ja, wir sind zur mazedonischen Flugsicherung gegangen. Und da haben wir mit denen darüber geredet, nach dem Motto: wir wollen euch nichts Böses, aber es geht schlicht und einfach darum, dass wir ein paar Angaben gegenchecken wollen. Das heißt: Wir haben Informationen, dass es diesen Flug gegeben hat. Und im Übrigen ist er schon oft durch die mazedonische Presse gegangen, wobei die Zusammenhänge zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar waren. Also es gab Presseberichte über ein ominöses Zivilflugzeug, das in Skopje gelandet ist, einige Stunden auf dem Flughafen stand und dann mit unbekanntem Ziel wieder weggeflogen sein soll. Das passte vom Datum dann hinterher genau auf das, was wir im Internet recherchiert hatten. Und damit bin ich dann zur Flugsicherung gegangen und habe gesagt: wir wollen diese Infos noch mal gegenchecken. Wo kam die Maschine her? Wer ist der Halter? Was habt ihr da für Angaben über Flugziel und -zeiten. Dann haben sie sich bereit erklärt, den Computerauszug preiszugeben und haben auf den entsprechenden Knopf auf ihrem Computer gedrückt. Und insofern hatten wir dann die Bestätigung, dass es diesen Flug gab, wo er herkommt, wie lange er da war, wo er hingeflogen ist und wo er angekommen ist.

ansTageslicht.de:
In ihren Beiträgen stand, dass sie einen bekannten Journalisten vor Ort hatten, Herrn Alexander Bozinovski, der Ihnen wahrscheinlich weiter geholfen hat.

J. Brase:
Bei diesen Recherchen nicht.

ansTageslicht.de:
Muss man da vielleicht diese Flugsicherung bestechen oder wie bringt man die Leute dazu, dass sie die Informationen über die geheimen Flüge preisgeben? Also Sie sind da, Sie sprechen Deutsch oder vielleicht Englisch, die Mazedonier wahrscheinlich weder Deutsch noch Englisch. Wie kommt so was zustande? 

J. Brase:
Sie können es ins Protokoll aufnehmen, dass Frontal 21 niemanden besticht und es in diesem Falle natürlich auch nicht getan hat. Also das ist teilweise Kunst der Überredung, wie man mit den Leuten redet und ihnen das Gefühl gibt, dass sie nicht die Gejagten sind und was Schlimmes getan haben. Sondern hier geht es einfach um ganz normale journalistische Recherche, um einen Gegencheck von Angaben, die man zu diesem Zeitpunkt bereits hatte und wofür ich eine offizielle Bestätigung brauche. So haben wir damals den Ausdruck bekommen. Wichtig war, dass wir schwarz auf weiß den Nachweis hatten, dass dieser Flieger, mit dieser Kennung, von da nach dort, um diese Uhrzeit, an dem und dem Tag gekommen, gelandet und wieder weggeflogen war. Dass dieses Flugzeug tatsächlich da war, haben wir dann letztlich sowohl über die Presseberichte, als auch über den Flughafendirektor, als auch über die Fluglotsen im Tower und viele andere Quellen bestätigt bekommen.

ansTageslicht.de:
Also das war die sensationelle Nachricht, dass El Masri mit dem Flugzeug…

J. Brase:
Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch keine Passagierlisten und wir hatten natürlich noch nicht den Beweis, dass El Masri da wirklich drin gesessen hat. Letztlich kamen aber viele Dinge zusammen. Das heißt, er erzählt eine abenteuerliche Geschichte, bei der er relativ genaue Angaben macht, was die Daten angeht. Und wenn dann plötzlich ein solches Flugzeug auftaucht, und das stimmt mit den Daten 100 % überein und mit den zeitlichen Angaben, die er macht, und wenn dieses Flugzeug auch von etlichen Quellen vorher in direkten Zusammenhang mit CIA-Tarnfirmen gebracht wurde, wenn es an verschiedenen Orten aufgetaucht ist, an denen Menschen verschwunden sind, dann kann man das wohl in einen Zusammenhang stellen. Also natürlich, wenn uns jetzt jemand fragt: „Können Sie beweisen, dass El Masri in dieser Maschine gesessen hat?“, dann werden wir sagen: nein, das können wir nicht, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß. Er tauchte um diesen Zeitpunkt herum in Afghanistan auf. Das zumindest belegen die Haarproben, die die Staatsanwaltschaft in München genommen und analysiert hat. Sie können nachweisen, dass El Masri offenbar in einem Gebiet, das Afghanistan sehr ähnlich ist, zu diesem Zeitpunkt angekommen sein muss.

ansTageslicht.de:
Das war also ein nächster Beweis in dieser Richtung. Dann haben Sie auch mal wieder recherchiert, dass es die geheimen CIA-Flüge in weiten Teilen Europas gegeben hat, also dass innerhalb von zweieinhalb Jahren über 80 mal die CIA-Flugzeuge in Frankfurt und Rammstein gelandet sind.

J. Brase:
Da besteht die journalistische Kunst, glaube ich, darin, ein Netzwerk aufzubauen. Also, was Sie jetzt hier ansprechen, diese über 80 CIA-Flüge und die verschiedenen Flughäfen, die von den CIA-Maschinen angeflogen wurden, die ergaben sich aus Recherchen, die Kollegen in anderen Staaten schon gemacht hatten. Kollege Hano widerspricht.

J. Hano:
Diese über 80 Flüge haben wir selbst recherchiert, und zwar auf Grund von Datensammlungen von sog. Planespottern - europaweit.

ansTageslicht.de:
Was sind Planespotter?

J. Hano:
Planespotter sind Leute, die Flugzeuge fotografieren. Und es gab Seiten, auf denen holländische und deutsche Planespotter, die Militärflugbewegungen aufgeschrieben haben. Und diese Seiten hatten wir uns angesehen. Und da hatten wir festgestellt, dass es allein in Deutschland über 80 Flüge dieser Art gegeben hat. Wir wussten vorher, dass sie auch in anderen europäischen Ländern gelandet sind, aber in Deutschland waren es, wie gesagt, über 80 Flüge, 85 Flüge die wir zusammengezählt hatten. Wir haben das dann mit Kollegen besprochen. Es gibt manchmal sehr viel Recherche und der eine weiß nicht immer genau, was der andere macht. Auf jeden Fall hat sich das nachher noch sehr viel mehr ausgeweitet. Es gab viele Kollegen, die es recherchiert haben. Die Briten waren da sehr weit vorne, Kollegen vom Guardian. Wir kamen da nachher auf insgesamt ca. 400 Flüge oder noch mehr. Ich weiß es nicht mehr genau. Übrigens sind einige dieser Planespotter-Websites mittlerweile aus dem Netz verschwunden.

ansTageslicht.de:
Also, um jetzt ein Missverständnis zu vermeiden. Sie habe diese 80 Flüge allein aus den Seiten der Planespotter recherchiert.

J. Hano:
Es gibt Leute, die beschreiben Flugbewegungen. Das sind Zivilisten, sie fotografieren Militärflugzeuge und interessante Flugzeuge auf den Flughäfen. Und dann gibt es Leute, die arbeiten auf den Flughäfen. Die notieren alle interessanten Flüge und sie sind in einem Verein zusammengeschlossen, oder in mehreren Vereinen. Und die haben wiederum Internetseiten und die stellen diese Flugbewegungen auf diese Internetseiten. Wenn man diese Seiten, die nicht ganz einfach zu finden sind, findet, hat man eine relativ gute Datenbank. Wir haben das dann recherchiert und haben über 80 Flüge bekommen und haben damit die Bundesregierung konfrontiert. Wir haben die Bundesregierung auf einer Pressekonferenz gefragt, ob sie denn das weiß, dass es über 80 solche Flüge gegeben hat und zwar relativ früh letztes Jahr schon.

ansTageslicht.de:
Sie haben wahrscheinlich den Regierungssprecher, Bela Anda, gefragt.

J. Hano:
Genau. Das war noch zu einer Zeit, als wir Frontal-21-Kollegen von vielen noch belächelt wurden wegen dieser Fragen. Denn es war noch nicht ein größeres Thema war zu dem Zeitpunkt.

ansTageslicht.de:Also sie waren da relativ vorne mit ihren Recherchen.

J. Hano:
Also, was diese Flugbewegung angeht, auf jeden Fall. Daran kann ich mich noch sehr genau erinnern, dass alle gedacht haben, wir sind bescheuert. Was stellen wir für beknackte Fragen an die Bundesregierung.

ansTageslicht.de:
Das war dann sozusagen der Anfang eines neuen Skandals, so kann man das sehen.

J. Hano:
Durch die El Masri Recherchen hat sich diese zweite Geschichte dann ergeben. Doch zum Skandal wurde sie erst als auch die Berliner Zeitung im Herbst mit der Geschichte kam.

ansTageslicht.de:
Also man konnte eine zweite Story daraus machen. Also mittlerweile ist man schon auf über 1000 von solchen geheimen Flügen europaweit gekommen und die amerikanische Regierung hat nur vier von diesen Flügen bestätigt.Was denken Sie jetzt, die amerikanische Justiz hat die Klage El Masris gegen den CIA-Chef Tennet abgelehnt. Ist das auch für Sie schon das Ende der Geschichte, oder bleiben Sie noch weiter dran?

J. Brase:
Natürlich bleiben wir da weiter dran, denn zum Einen ist damit der juristische Prozess noch nicht beendet. El Masris Anwälte denken darüber nach, in die Berufung zu gehen. Und zum Zweiten wird natürlich weiter recherchiert an der Geschichte. Es ist ja nicht der einzige Fall, aber es ist eines der wenigen bekannten Beispiele, bei denen es die Chance gibt, weitere Indizien zu finden und die journalistische Beweislage auszubauen.Und wenn die Juristen nicht weiterkommen, dann sind die Journalisten die einzigen, die dort weiter graben können. Also werden wir selbstverständlich weiter recherchieren. Das gilt im Fall El Masri genauso wie für andere Verschleppungsfälle auch. Das gilt für die Flüge, für die Geheimgefängnisse und für die Methoden der CIA im Antiterrorkampf.

ansTageslicht.de:
Haben sie das Gefühl, politisch etwas bewegt zu haben, die Regierung dazu zu bringen, sich mit dem Fall auseinanderzusetzen?

J. Brase:
Ich denke schon. Also ich rede nicht nur von uns hier persönlich, sondern ich rede von der deutschen Presse im Allgemeinen. Natürlich hat die Berichterstattung über den Fall El Masri und die CIA-Flüge dazu beigetragen, dass es Untersuchungsausschüsse gibt im deutschen Bundestag und in der EU, dass es einen politischen Prozess gibt, dass der Europarat ermittelt. Das ist im großen Teil auf die Öffentlichkeit zurückzuführen, die die Journalisten hergestellt haben.Vielen Dank für das Gespräch.

Gesprochen haben: Jörg Brase, Johannes Hano. Das Interview führte Lukasz Mikolajczak