Die vielen Berichte der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) 2005 bis 2007, 25.11.2005

von Ulrich Wangemann

Eiterbollen herausgeschnitten

Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) , 25.11.2005

BRANDENBURG/H. Im Brandenburger Fleischskandal hat gestern eine weitere ehemalige Beschäftigte die Geschäftsleitung der Firma Disselhoff Sachsenkrone schwer belastet. Die im Pack- und Etikettierdienst bis Mitte 2004 angestellte Frau sagte der MAZ: „Da waren schon Eiterbollen in gefrorenem Fleisch. Wir haben die gelb-blauen Augen herausgeschnitten.“

 

Der Rest der Ware sei in einen Häcksler gekommen und anschließend gepresst als Kammscheiben eingelegt worden, behauptet die Frau, die unerkannt bleiben will, vor Gericht aber zu ihren Aussagen stehen würde. Weiter berichtet die ehemalige Angestellte, dass zum Teil gefrorene Steaks in der Waschanlage des Werks aufgetaut worden seien, weil die Firma unter Termindruck gestanden habe.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die Firma Disselhoff Sachsenkrone, die in Brandenburg/Havel ein Werk betreibt, möglicherweise in den Gelsenkirchener Fleischskandal verwickelt ist. Nachweislich hat die Firma Mitte 2004 mehrere Tonnen Fleisch an die Firma Domenz geliefert, bei der kürzlich verdorbene Ware konfisziert worden war (MAZ berichtete).

Der oberste Fleischbeschauer der Stadt Brandenburg, Knut Große, sieht allerdings „derzeit keinen weiteren Handlungsbedarf“. Gestern lud er zu einer Werksbesichtigung bei Disselhoff ein. Die Veranstaltung stellte Amtstierarzt Große unter das Motto: „Unsere Lebensmittel waren nie so sicher wie heute.“ Gleichwohl bestätigte er, dass im Werk wiederholt „Beanstandungen aufgetreten sind“. So habe seine Behörde ein Bußgeld gegen einen Beschäftigten verhängt, weil dieser eine reklamierte, an den Betrieb zurückgeschickte Fleischladung nicht als solche gekennzeichnet hatte.

Werksleiter Wolfgang Balczynski wies erneut alle Anschuldigungen gegen Disselhoff von sich und drohte mit rechtlichen Schritten gegen den ehemaligen Angestellten Klaus Grabitz. Dieser hatte das Unternehmen angezeigt und damit den Stein ins Rollen gebracht. Grabitz sei „ein Trittbrettfahrer“ des aktuellen Fleischskandals. Grabitz hatte jedoch bereits im Juni Anzeige erstattet. Gestern, also rund fünf Monate später, erhielt er eine Vorladung vom Landeskriminalamt.

In der Brandenburger Stadtverwaltung ist man nach Angaben von Große davon überzeugt, dass „effektive Kontrollen“ durchgeführt würden. Man setze auf tägliche Betriebsprüfungen und „die Eigenkontrolle“ des Unternehmens.

Derweil erfuhr die MAZ, dass gegen den Betrieb wegen verbotenen, weil zu schnellen Auftauens einer Ladung Geflügel ermittelt wird. Diese Fleischbehandlung fördert die Entstehung von Salmonellen.