Die vielen Berichte der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) 2005 bis 2007, 27.08.2005

Fleisch für Fahnder

Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) , 27.08.2005

Mehrere Zollfahnder haben offenbar nach der Kontrolle einer Fleischfabrik in Brandenburg von der Betriebsleitung mehrere Pakete Grillfleisch als Geschenk angenommen. Bei der Staatsanwaltschaft Potsdam läuft derzeit in dieser Sache ein Ermittlungsverfahren.

Am 13. April überprüften Beamte der Zollabteilung „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (FKS) aus Potsdam das „Foodcenter“ in Schmerzke im Zuge einer bundesweiten Kontrolle bei Fleischunternehmen. Nach MAZ-Informationen wies der Betriebsleiter der Disselhoff Sachsenkrone GmbH seinen Produktionschef an, mehrere Kartons mit Grillfleisch im Treppenhaus abzustellen. Nach der Schlussbesprechung wurden die Kartons an sechs Beamte übergeben. Nur eine Fahnderin soll das Präsent mit dem Hinweis abgelehnt haben, sie möge kein Grillfleisch.

Umstritten ist der Wert der Gabe. Der Disselhoff-Mutterkonzern Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück spricht von zwei Paketen Nackenfleisch und einem Paket Bauchfleisch je Karton. Der Wert jedes Pakets habe weniger als zehn Euro betragen, sagte Produktionschef Josef Tillmann gestern. Beschäftigte vor Ort berichten dagegen von bis zu vier Kilo Grillfleisch pro Karton mit einem Supermarktpreis von je etwa 20 Euro.

Auslöser für die Gabe sei gewesen, dass die Beamten bis in den Abend stundenlang auf ein Fax aus Polen hätten warten müssen, sagte Tillmann. Er habe seinem Betriebsleiter daher genehmigt, die Fleischpakete anzubieten, damit die Beamten sich noch „vernünftig einen Grillen“ könnten. Voraussetzung sei gewesen, dass das Angebot „offen und nicht unter dem Tisch“ erfolgt. Die Beamten hätten auch dankbar zugegriffen. Von Vorteilsnahme oder Bestechung könne keine Rede sein.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam bestätigte die Vorwürfe gegen die Zollbeamten im Rahmen einer umfangreicheren Strafanzeige gegen den Betrieb. Das Ermittlungsverfahren läuft bereits seit Ende Juni. Erkenntnisse zu den Bestechungsvorwürfen liegen allerdings noch nicht vor. Es handle sich zunächst nur um Behauptungen, sagte gestern Oberstaatsanwalt Benedikt Welfens. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Neuruppin, zuständig für Wirtschaftskriminalität und Korruptionsfälle, sei bislang nicht eingeschaltet worden. „Wenn wir einen Anfangsverdacht sehen, werden wir den Fall abgeben“, versicherte Welfens.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Köln, zuständig für die bundesweite Öffentlichkeitsarbeit der Fahndungseinheit FKS, wies die Vorwürfe gegen ihre Beamten zurück. „Sie entbehren jeglicher Grundlage“, sagte eine Sprecherin gestern. Die Anschuldigungen seien aber bekannt und würden von der OFD Potsdam geprüft. Dort hieß es indes, die Vorwürfe seien nicht bekannt.