PFT - Berichte der WamS, 26.11.2015

"Ein krimineller Akt"

Welt am Sonntag (WamS) , 12.08.2007 von David SCHRAVEN

Drei Tage vor einer Beratung im Umweltausschuss des Landtages kündigt Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) im Interview mit der "Welt am Sonntag" eine wissenschaftliche Konferenz zur Wasserbelastung mit dem Umweltgift PFT an. Sie soll Anfang 2008 stattfinden. Zu den aktuellen Belastungen des Ruhrwassers mit PFT, die diese Zeitung als erste aufdeckte, sagt der Minister: "Wir tun alles."


Welt am Sonntag:
Was antworten Sie, Herr Minister, auf die Fragen der Arnsberger Eltern, deren beide Kinder bis zu 17 Mal mehr vom Umweltgift PFT im Blut haben als andere Kinder aus Arnsberg - und bis zu 77 Mal mehr als Kinder aus nicht betroffenen Regionen?


Eckhard Uhlenberg:
Die Vorgänge, die dahinter stehen, insbesondere hinter der Verseuchung der großen Fläche in Brilon-Scharfenberg, halte ich für einen Akt höchster Kriminalität. Eine Verseuchung dieses Ausmaßes ist einmalig in Deutschland. Ich kann sagen, dass mich das besorgt, aber auch, dass ich die notwendigen Konsequenzen gezogen habe. Die Blutuntersuchungen, auf die sich Ihre Frage bezieht, habe ich angeordnet, damit wir Gewissheit haben. Wir haben auch ein Muttermilch-Monitoring auf den Weg gebracht. Die Ergebnisse der Untersuchungen habe ich sofort in Arnsberg erläutert. Wir unterstützen die Betroffenen und tun alles, um eine Wiederholung eines solchen Vorgangs zu verhindern. Kein Land hat vergleichbare Maßnahmen zur Bekämpfung des PFT, das überall auf der Welt vorkommt, eingeleitet und umgesetzt. Im Bundesrat habe ich ein PFT-Verbot beantragt.


Nochmals nachgefragt: Was sagen Sie den Betroffenen direkt?


Uhlenberg:
Wir lassen sie nicht allein. Wir kümmern uns um die betroffenen Kinder, haben ein umfangreiches Sanierungsprogramm eingeleitet, Lebensmittel und Milch untersucht, eine Million Euro zur Verfügung gestellt, um sofort die verseuchte Fläche in Brilon zu sanieren und das dortige Wasserwerk zu verbessern. Danach ist die Belastung auch für den Möhnesee zurückgegangen. Das ist der eine Teil. Gleichzeitig haben wir die Arnsberger Vereinbarung mit der Wasserwirtschaft erreicht, wonach sichergestellt ist, dass auch bei kriminellen Einleitungen die Trinkwasserversorgung sicher bleibt.
Dazu gehört, dass sich die Trinkwasseraufbereitung immer auf dem neuesten Stand der Technik befinden muss. Da geht es neben PFT auch um Arzneimittel, die Dünger und Industriechemikalien, die aus den Abwässern der Städte stammen. Allein zur Verbesserung der Trinkwasserqualität investieren die Wasserwerke an der Ruhr ab diesem Jahr 60 Millionen Euro, das wurde in Arnsberg vereinbart. Und wir haben eine Vorreiterrolle bei der Vermeidung von Einleitungen aus Industriebetrieben. Es gibt Gespräche und Vereinbarungen mit Wirtschaftsverbänden und den Betrieben in NRW, die mehr als 300 Nanogramm PFT pro Liter Abwasser in die Kanalnetze ableiten.


Wie viele davon liegen an der Ruhr?


Uhlenberg:
Insgesamt wurden 34 maßgebliche Industriebetriebe identifiziert, die hohe PFT-Konzentrationen in ihrem Abwasser aufweisen. Mit denen sprechen wir darüber, wie sie die Ableitungen verbessern oder PFT ersetzen.


Noch einmal zu den Wasserwerken. Sie sagen, die sollen auf dem neuesten Stand der Technik sein. Warum nutzen Sie die Möglichkeiten des Landeswassergesetzes nicht und ordnen an, dass dieser oder jener PFT-Wert in NRW nicht überschritten werden darf?


Uhlenberg:
Es gibt sie nicht, weil es keine vorgeschriebenen PFT-Grenzwerte fürs Oberflächenwasser gibt. Wir haben stattdessen den Konsens gesucht und die Arnsberger Vereinbarung auf den Weg gebracht. So kommen wir ans gleiche Ziel. Der Fortgang der vereinbarten Maßnahmen wird überprüft, wir sind dauernd im Gespräch.


Also bleiben die Folterwerkzeuge, über die jeder Staat verfügt, erst einmal im Schrank, auch die Drohung einer möglichen Wasserwerksschließung, die Sie vergangenes Wochenende ausgesprochen haben?


Uhlenberg:
Die Folterwerkzeuge hat die Vorgängerregierung laufend herausgeholt. Und deshalb hat es keinerlei Gespräche mehr zwischen der Wasserwirtschaft und diesem Ministerium gegeben.


Das heißt, dass die Wasserwirtschaft tatenlos blieb, ein schwerer Vorwurf.


Uhlenberg:
Das heißt, dass mein Dialog-Stil zum Erfolg führt, dass wir mehr erreicht haben.


Sie hätten auf alle Fälle gern, dass der Zielwert von 100 Nanogramm möglichst bald unterschritten wird...


Uhlenberg:
Ja, völlig klar.


Sie sagen zugleich, dass Sie keine rechtliche Handhabe sehen, bestimmte Werte durchzusetzen?


Uhlenberg:
Ja.


Also schwanken die Werte weiter im Bereich zwischen 300 und 100 Nanogramm hin und her...


Uhlenberg:
... sie werden allmählich weniger, weil wir aufgrund der Vereinbarungen das Wasser in Möhne und Ruhr laufend verbessern und zugleich die Wasserwerke auf den neuesten Stand gebracht werden. Das Ziel ist möglichst unbelastetes Trinkwasser.


Das geht mit Aktivkohlefiltern oder Membranfiltern...


Uhlenberg:
...ja, aber es ist nicht Sache eines Ministers, eine bestimmte Technik vorzuschreiben.


Bisher fließt abgelagertes PFT aus Brilon ungehindert aus dem Möhnesee in Richtung Ruhrgebiet. Aber was tun die Wasserwerke dort eigentlich genau, um besser zu werden?


Uhlenberg:
Sie halten sich an die Vereinbarungen. Wenn nicht, würde ich das Notwendige anordnen.


Und was ist mit den Industriebetrieben, die PFT einleiten?


Uhlenberg:
Alle Industriebetriebe müssen den PFT-Eintrag in die Gewässer reduzieren. Da geht es um Produktionsumstellung, um andere Einsatzstoffe und auch um Abwasserbehandlung. Das wird in den nächsten Monaten umgesetzt.


Können Sie sagen, welche Giftmengen die Firmen einleiten?


Uhlenberg:
Insgesamt beträgt deren Anteil heute weniger als 25 Prozent der Belastung der Ruhr, das ist eine industrielle Belastung, wie sie an allen vergleichbaren Gewässern gefunden wird.


Wenn man die Diskussion über Grenzwerte und deren Bewertung liest und hört, wird deutlich, wie wenig die Verbraucher damit anfangen können - ist es nicht an der Zeit, das gesamte Fachwissen zum Thema PFT hier in NRW zu versammeln, sich dabei dann über den Stand der Dinge, die nötigen Maßnahmen und auch über einen verbindlichen Zeitrahmen zu verständigen?


Uhlenberg:
Das ist geplant, eine Bestandsaufnahme mit namhaften Wissenschaftlern und eine Diskussion über die Schlussfolgerungen wird gerade vorbereitet.


Wann soll das stattfinden?


Uhlenberg:
Anfang nächsten Jahres. Wir tun alles, und Nordrhein-Westfalen ist inzwischen zum Modell dafür geworden, wie die anderen Bundesländer künftig mit dem Problem PFT umgehen wollen.