PFT - Berichte der WamS, 29.12.2015

Korruption in der Wasserwirtschaft?

Welt am Sonntag (WamS) , 24.08.2008 von David SCHRAVEN

Im Strafverfahren gegen einen ehemaligen Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium geraten nun auch das Wirtschaftsministerium von Christa Thoben (CDU) und das Wissenschaftsministerium von Andreas Pinkwart (FDP) wegen des Verdachts auf Korruption in das Fadenkreuz der Ermittler. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ haben Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) die Ministerien als „Durchsuchungsobjekte“ bereits im Juni „aufgesucht“ und Dutzende Akten sichergestellt.


Offiziell wollte sich kein Beteiligter zu den Recherchen äußern. Die „Welt am Sonntag“ hatte jedoch Einblick in die Ermittlungsunterlagen. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal und die Kommission „Stuhl“ beim LKA vermuten, dass es rund um die Einrichtung der Wasserwirtschaftsinitiative NRW (WWI) zu Vergabeverstößen gekommen ist. Die Initiative wird gemeinsam vom Umweltministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie dem Wissenschaftsministerium vorangetrieben.


Insgesamt überprüfendie Ermittler die Verwendung vonrund 1,8 Millionen Euro, die seitdem Jahre 2005 zumindest teilweise zweckwidrig verwendet wordensein sollen. Das Strafverfahren wurde durch drei Anzeigen des Umweltministeriums unter Eckhard Uhlenberg (CDU) gegen einen Ex-Abteilungsleiter initiiert.


Insgesamt werden 13 Beschuldigte verdächtig, gemeinsam über vier Millionen Euro unterschlagen zu haben. Die ersten Ideen für die WWI entstanden bereits im Jahr 1999 nach dem üblichen Strickmuster der Wirtschaftsförderung unter dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD): mit Hilfe von Landesgeld sollten mittelständische Unternehmen zusammengefasst und weltweit vermarktet werden.


Die ersten Konzepte zeichnete der damalige Wirtschaftsminister Peer Steinbrück persönlich ab. Ein an den Verhandlungen Beteiligter erinnert sich: „Die WWI war von allen beteiligten Ministern auf Kabinettsebene gewollt.“ 2002 bekam die Firma Matrix aus Düsseldorf den Zuschlag, das Projekt zu führen.


Kurz vor den Landtagswahlen 2005 sollte der Vertrag für die WWI erneuert werden. Doch nach mehreren Zeugenaussagen waren die Ministerien nicht mit der Matrix GmbH zufrieden. Bei einer neuen Ausschreibung, an der alle Ministerien beteiligt waren, bekam das Institut FIW aus Aachen unter Professor Max Dohmann den Zuschlag. Dohmann war damals in den Müllskandal um Helmut Trienekens verstrickt.


Wie die Ermittler herausfanden, bekam auch die Matrix GmbH nach einer Vergabebeschwerde ein Trostpflaster. Für rund 100.000 Euro im Jahr sollte sie unter anderem Projekte in Rumänien betreuen. Interessant ist, dass die heutige SPDFraktionschefin Hannelore Kraft damals als Wissenschaftsministerin in das Verfahren involviert war. Dabei hatte sie eine über Eck eine Verbindung zur Matrix GmbH. Die Firma kooperierte in Sachen WWI mit dem alten Arbeitgeber von Kraft, der Mülheimer Zenit GmbH. Nach Aussagen von mehren Beteiligten lag die Federführung und die Initiative für das WWI im Wirtschaftsministerium.


Den Vertrag mit dem FIW schloss das Ministerium sogar erst nach dem Regierungswechsel im August 2005 unter Christa Thoben (CDU).


Der vom Umweltministerium der Korruption verdächtigte Ex-Abteilungsleiter hatte nach mehreren übereinstimmenden Zeugenaussagen nur am Rand mit der WWI zu tun. Unterdessen weitet sich die Abhöraffäre rund um das Verfahren weiter aus. Wie die „Welt am Sonntag“ erfuhr, wurden etliche Telefonate zwischen den Beschuldigten und ihren Rechtsanwälten mitgeschnitten. Auch ein Gespräch zwischen dem Anwalt des Hauptbeschuldigten und dem grünen Landtagsabgeordneten Johannes Remmel zeichneten die Beamten auf. Aus der Staatsanwaltschaft hieß es, diese Telefonate würden nun alle gelöscht.