Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 06.01.2016

von Frank THONICKE

Schleichwerbung war gang und gäbe

Hessische/Niedersächsische Allgemeine , 15.08.2008

Einer der wichtigsten Geschäftspartner von Ex-HR-Sportchef Jürgen Emig (63), der sich vor dem Frankfurter Landgericht wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit verantworten muss, war Lotto in Hessen.

In den Jahren von 1993 bis 2004 sorgte Emig dafür, dass Hessen-Lotto insgesamt 3,38 Millionen Euro an den Hessische Rundfunk zahlte. Hinzu kamen 611 000 Euro, mit denen sich Lotto an Produktionskosten von Sendungen beteiligte.

Lotto sponsorte damit den "Sportkalender", bezahlte Ziehungen der Lottozahlen oder Sendungen über die Sportwette "Oddset". Emig gestern vor Gericht: "Das Oddset-Gewinnspiel war ganz klares Product-Placement. Die Sendung wurde bezahlt".

Sponsoren bei Radrennen

Ein anderes Spezialgebiet von Jürgen Emig waren Radrennen, bei denen sich auch viel Geld einwerben ließ. Für vier Übertragungen vom Giro d'Ìtalia zahlte die Telekom, sagte Emig weiter. Ein anderer Klassiker war das Radrennen "Rund um den Henninger Turm." Das Rennen wurde vom HR unter anderem mit drei Hubschraubern übertragen. Die hoben zwischendurch auch für Sponsoren wie Fiat, den Rhein-Main-Verkehrsverbund und die Sparda-Bank ab. Aber auch Politikernamen tauchten auf einer Liste potenzieller Mitflieger auf, die gestern von Gericht verlesen wurde: Bouffier, Koch, Scharping.

Auch Kommunen zahlten, um beim Radrennen ins Fernsehen zu kommen. Unter anderem Schwalbach, Bad Soden, Hattersheim und Hofheim öffneten den Stadtsäckel, um bei der Berichterstattung positiv erwähnt zu werden. Jürgen Emig: "Ich öffnete beim Radrennen die Türen für die Sponsoren."

Derlei Schleichwerbung war offenbar bei der ARD gang und gäbe. Der Vorsitzende Richter Christopher Erhard berichtete, dass ihm ein ehemals leitender Redakteur des Saarländischen Rundfunks (SR) berichtet hatte, dass beim SR alle vorgesetzten Stellen einschließlich des Intendanten in die Praxis der Schleichwerbung eingeweiht waren. Der mitangeklagte Harald Frahm (64), ehemaliger Präsident des deutschen Tanzsportbundes, sagte, er hätte sich "niemals auf eine geschäftliche Verbindung mit Emig einlassen dürfen." Frahm war Geschäftsführer der Agentur SMP, über die Emigs Geschäfte liefen und die der Emig-Ehefrau Atlanta Killinger teilweise gehörte. Harald Frahm: "Ich war zu gutgläubig. Ich hätte Fragen stellen müssen, habe das aber nicht getan. Das bedauere ich sehr."

Verwicklung des MDR

Frahm fragte zum Beispiel nicht nach, als er von Emig die Anweisung erhielt, an Wilfried Mohren, Ex-Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), insgesamt 40 000 Euro über die Agentur SMP zu zahlen. Dies sei Geld, das Mohren zustehe, weil er früher der Emig-Ehefrau gefällig war, hieß es. In Wirklichkeit sorgte Mohren dafür, dass von SMP produzierte Motorsportsendungen beim MDR ausgestrahlt wurden.

Insgesamt habe Emig ihm gegenüber immer den Eindruck erweckt, alles geschehe im Einvernehmen mit dem HR, sagt Harald Frahm weiter. Ein Mann der HR-Revision sei auch einmal bei der Agentur SMP erschienen, habe aber gar nichts wissen wollen.