Hessische/Niedersächsische Allgemeine, 06.01.2016

von Frank THONICKE

Wir reden auch über Köpfe

Hessische/Niedersächsische Allgemeine , 16.03.2004

KASSEL/FRANKFURT. Die Sportredaktion des Hessischen Rundfunks und ihr Chef Jügen Emig müssen sich weiter vor den Aufsichtsgremien des Senders verantworten. Im der gestrigen Sitzung des Fernsehausschusses wurde noch nichts entschieden - es wird aber weiter geprüft und recherchiert. Die nächste Sitzung ist für den 19. April terminiert. Es geht zum einen um fragwürdige Zahlungen von Sportvereinen an den HR, zum anderen um die möglichen Verflechtung von beruflichen und privaten Intereressen bei Sportchef Jürgen Emig.

Unsere Zeitung hatte berichtet und mit mehreren Beispielen belegt, dass Sportvereine Geld an den HR zahlen, damit ihre Veranstaltungen im Fernsehen übertragen werden. So zahlten etwa die Melsunger Handballer schon im Jahr 1999 Geld für die Übertragung eines Pokalspiels, das Spangenberger Reitturnier überweist dem HR mindestens 15000 Euro im Jahr, das Askina-Sportfest im Auestadion zahlt 25000 bis 30000 Euro.

Medienwissenschaftler halten diese Praxis für verboten. Jürgen Emig geriet außerdem ins Schussfeld der Kritik, weil seine Ehefrau Atlanta Killinger eine Sponsoring-Agentur betreibt, die mit dem HR zusammenarbeitet. Ihre Kunden tauchen immer wieder in Sportsendungen des HR auf, für die Ehemann Jürgen Emig die Verantwortung trägt. Diese Praktiken schlagen weiter hohe Wellen. Der Focus berichtet in seiner neuesten Ausgabe darüber. Zitat: Durch Berichte der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) kam jetzt die fragwürdige Praxis ans Licht.

Empört ist auch die FDP-Landtagsfraktion. Sie fordert den Fernsehausschuss des HR auf, schnell für eine Änderung der Sendepraxis zu sorgen. Der sportpolitische Sprecher der FDP Landtagsfraktion, Heinrich Heidel: Es ist ein Schlag ins Gesicht aller ehrenamtlich Tätigen, wenn der HR nur gegen Vorkasse von regionalen Sportereignissen berichtet.

Auch der Landesportbund Hessen mit seinem Präsidenten Rolf Müller hatte die HR-Praxis verurteilt. Nun werde man im Sender auch über Köpfe reden, zitiert der Focus jetzt Müller, der auch im Rundfunkrat des HR sitzt.

Mit dem Ehepaar Killinger/Emig sollen schon einige Sportveranstalter schlechte Erfahrungen gemacht werden. Beispiel Rudern: Einer der Kunden von Atlanta Killinger ist Bearing Point, eine Unternehmensberatung. Bearing Point ist auch Sponsor der Weltcupveranstaltungen der Ruderer. Auf diesen Veranstaltungen, so erzählen Ruderer, soll Atlanta Killinger lauthals getönt haben, sie habe die besten Kontakte zum Fernsehen und könne Türen öffnen.

Auch die Frankfurter Rudergesellschaft Germania soll schlechte Erfahrungen gemacht haben. Als die Ruderer eine Regatta ausrichten wollten, war man zunächst hocherfreut, als Emig Sendezeit zusicherte. Nach Emigs Ankündigung sei dann seine Ehefrau bei den Ruderern aufgetreten. Sie wolle die Regatta vermarkten, als Sponsor würde Bearing Point auftreten und im Fernsehen zu sehen sein. Aus dem Deal wurde aber nichts. Als bekannt wurde, dass es auch beim HR-Engagement beim Footballteam der Frankfurt Galaxi zu Merkwürdigkeiten gekommen sein soll und die BILD darüber berichtete (Schlagzeile: Sendeplatz nur gegen Geld) habe sich Bearing Point zurückgezogen. Gegenüber dem Focus räumte Atlanta Killinger jetzt Berührungspunkte zwischen ihrer Firma und dem HR ein. Aber: Ich habe mir nichts vorzuwerfen.