Wie die Geschichte 'Bestechung im Hessischen Rundfunk" entstand

von Frank THONICKE

Es begann am 29. Februar 2004. An diesem Tag spielten in der Deutschen Eishockey-Liga die Kassel Huskies gegen die Frankfurt Lions. Ich war in der Kasseler Eissporthalle - als ganz normaler Zuschauer.

Unter den Zuschauern war ein prominenter Gast - Jürgen EMIG, Sportchef des Hessischen Rundfunks war mit Ehefrau Atlanta KILLINGER nach Kassel gekommen, um sich das Spiel anzuschauen.

Das fiel auf. Denn in Kassel und Nordhessen ist man schon immer der Meinung, dass der in Südhessen (Frankfurt) residierende hr sich viel zu wenig um den Sport in Nordhessen kümmert. Auch auf der Pressetribüne in der Eishalle wurde also die Frage diskutiert: Was macht Herr EMIG samt Gattin in Kassel?

In den Drittelpausen des Eishockeyspiels gab es eine Volksgaudi. Zuschauer konnten aufs Tor schießen und gewannen dann etwas bei HessenLotto. Das Unternehmen wollte damit für seine Oddset-Sportwetten Werbung machen. Das allein war keineswegs verdächtig. Stutzig wurde ich erst, als ich später im Fernsehen den hr-Bericht über das Spiel sah. Von den fünf Minuten waren 50 Sekunden dem HessenLotto-Gewinnspiel in den Pausen gewidmet. Mehr Schleichwerbung ging wohl nicht. Die Frage war zunächst: Wie konnte hr-Sportchef EMIG so etwas absegnen?

Ich wusste, dass EMIG-Frau Atlanta KILLINGER eine Agentur besaß, die Sportveranstaltungen vermarktete und Promotion für Unternehmen machte. Und siehe da: Schon ein Blick auf die Hompage der Killinger-Firma zeigte, dass auch HessenLotto zu den KILLINGER-Kunden zählte. Eine Interessenkollision des Ehepaares EMIG-KILLINGER lag nahe: Da der Sportchef des öffentlich-rechtlichen Senders, der für die Berichterstattung verantwortlich war, dort seine Frau, die in den Sendungen ihre Kunden präsentierte.

Und noch etwas machte stutzig: Bei Interviews mit den Huskies-Spielern war im hr-Fernsehen im Hintergrund immer eine Tafel mit verschiedenen Firmen-Logos zu sehen, darunter auch HessenLotto und etwa Mainova (Frankfurter Energieversorger). Diese Firmen gehörten nicht zu den Huskies-Sponsoren und hatten nichts mit dem Kasseler Eishockey zu tun. Warum waren sie im Fernsehen zu sehen?

Wieder wurde ich bei der KILLINGER-Firma fündig. Alle Unternehmen, deren Logo per Tafel im HR-Fernsehen zu sehen waren, waren Kunden von Atlanta KILLINGER, der Ehefrau EMIGs.

Wir berichteten darüber - und traten eine Lawine los. Es meldeten sich Sportler, Funktionäre, Vereinspräsidenten, die fast unglaubliche Geschichten erzählten: Letztlich liefen sie immer darauf hinaus: Wer bei EMIG mit längeren Berichten ins Fernsehen kommen wollte, musste zahlen. Betroffen waren vor allem Randsportarten wie Rudern, Reiten und Tanzen aber auch Handball. Die Handballer im Nordhessischen Melsungen sammmelten sogar mal Geld, um ins öffentlich-rechtliche Fernsehen zu kommen.

Unter den ersten Informanten, mit denen ich sprach, war der Manager des ehemaligen Ruder-Weltmeisters, Marcel HACKER. Dabei half sozusagen die regionale Nähe. HACKER war ulkigerweise Mitglied im Frauenruder-Club Kassel. Sein Manager hatte offenbar auch spezielle Erfahrungen mit Herrn EMIG und Frau KILLINGER gemacht. Hintergrund war, dass der Hauptsponsor von Hacker die Unternehmensberatung Bearing-Point war. Bearing-Point gehörte auch zu den Kunden der KILLINGER-Agentur. KILLINGER wollte nun auch die Vermarktung von HACKER übernehmen, doch der lehnte ab. Sein Manger wunderte sich, warum der Ruderweltmeister fortan so wenig in Fernsehberichten des "Haussenders" hr vorkam. Man begann zu zählen - und siehe da: Selbst das Bayerische Fensehen und der MDR berichteten mehr über HACKER als der Sender, bei dem EMIG als Sportchef ‚regierte’.

Als ich darüber berichtete, meldeten sich weitere Ruderer - etwa die Frankfurter Ruder-Gesellschaft Germania. Auch die konnte über Merkwürdigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Duo EMIG KILLINGER erzählen: Zunächst sagte EMIG zu, über eine Regatta im Fernsehen berichten zu wollen, dann trat Ehefrau KILLINGER auf und wollte den Verein samt Regatta vermarkten. Als man ablehnte, wurde auch nichts im Fensehen übertragen.

In der Folge meldeten sich auch Kollegen - Journalisten, die schon lange in Sachen EMIG recherchiert hatten, aber meist ohne Erolg. Sie nannten weitere Informanten. Es entstand so eine lange Liste von Vereinspräsidenten, Agenturbesitzern, Sportfunktionären. Auch machte ich mir die Mühe, an einer Sitzung des hr-Rundfunkrates in Frankfurt teilzunehmen, auf der der Fall EMIG behandelt wurde. Weitere Recherchen ergaben EMIGs Kontakte zu Harald FRAHM, damals Präsident des DeutschenTanzsportverbundes. FRAHM hatte eine eigene Agentur und arbeitete auch mit der KILLINGER-Agentur zusammen. Über die Agenturen sollen vor Übertragungen so genannte Bereitstellungskosten für Kameras usw. kassiert worden sein, obwohl ja ein öffentlich-rechtlicher Sender übertrug. Informanten spielten mir zum Beispiel eine Rechnung zu, laut der etwa für die Übertragung des Handballspiels zwischen Melsungen und Lemgo im Jahr 1999 genau 6000 Mark geflossen waren.

In Untersuchungshaft belasteten sich EMIG und FRAHM gegenseitig. Der hr, der EMIG rauswarf, möchte nun auf dem zivilrechtlichen Weg von seinem ehemaligen Sportchef eine Million haben. Soviel Schaden sei dem Sender entstanden. Strafrechtlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt immer noch wegen Betrug und Steuerhinterziehung. Sie geht davon aus, dass EMIG 400.000 Euro kassierte.