"Qualität ist gleich Transparenz" - ein Interview

Wir haben uns mit dem Vorsitzenden Direktor des Hans–Bredow-Instituts in Hamburg Prof. Dr. Uwe HASEBRINK, unterhalten: über dessen These „Unter Qualität versteht man Transparenz“. HASEBRINK ist Experte in allen Fragen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks.



Frage:
Ist die Rundfunkgebührenfinanzierung eine Garantie für die Unabhängigkeit der Sender?

Hasebrink: Eine Garantie alleine noch nicht, aber ein Mechanismus der es wahrscheinlicher macht, dass Unabhängigkeit bewahrt werden kann. Man muss zusätzlich fragen: Unabhängigkeit wovon? Die Rundfunkgebühr erhöht einerseits die Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen, andererseits erhöht sie aber gleichzeitig die Abhängigkeit von politischen Interessen.


Nach den Schleichwerbefällen in mehreren Serien wie „Marienhof“, „Tatort“, und „In aller Freundschaft“: Haben die Kontrollmechanismen versagt?

Natürlich haben sie versagt. Es gibt niemanden, der das im Nachhinein rechtfertigt, was man da gemacht hat. Es ist allen klar, dass irgendetwas versagt hat. Man muss sich fragen, wie es dazu kommen konnte? Das liegt aus meiner Sicht sehr stark am Kostendruck, den es nicht nur im kommerziellen Rundfunk, sondern auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt.


Und wie sieht das bei der gekauften Berichterstattung, also bei EMIG und MOHREN aus?

Der Fall hatte, anders als bei den anderen Schleichwerbefällen, ein besonderes Element. Die beiden Ebenen muss man sehr deutlich von einander unterscheiden. Eine Redaktion, die wenig Mittel zu Verfügung hat, setzt das Produktionsunternehmen, das für sie arbeitet, unter einen sehr starken Kostendruck. Also sehen wir zu, dass wir abgesehen von dem Geld, das wir von der Redaktion oder von dem Sender bekommen auch noch etwas vom Kooperationspartner kriegen, also: bauen wir eine Schokolade oder ein Reisebüro mit ein.Der andere Weg, wie es zu so etwas kommen kann, ist eben der Fall Emig. Bei Produktionsentscheidungen gibt es an allen Stellen individuelle Interessen. Das kann zu ganz normaler Bestechlichkeit führen, die darin besteht, dass jemand, der wesentliche Programmentscheidungen trifft, damit auch persönliche Vorteile verbindet. Die Gemeinsamkeit der beiden Themen liegt darin, dass es insgesamt eine hohe Bereitschaft gibt, sich neue Kooperationen auszudenken.


Die ARD sieht sich als Opfer, obwohl es rechtzeitig Signale gegeben hat. Ist diese Opferrolle berechtigt?

Ja und nein. Was ist mein Anteil daran, wenn ich betrogen werde von jemandem, der für mich eine Dienstleistung erbringt? In erster Linie kann ich sagen: Ich bin überhaupt nicht schuld daran, das ist jener, der unlauter arbeitet. In zweiter Linie bin ich vielleicht doch schuld daran, weil ich nicht hinreichend kontrolliert habe, ob das, was ich bekommen habe, meinen Kriterien entspricht. Es wird letztlich meine Verantwortung. Die ARD ist sende- und rundfunkrechtlich verantwortlich. Sie kann nicht sagen: ich habe gar keine Schuld. Dafür ist eine Redaktion da, die sie sich Programme anguckt.


Hat die Schleichwerbung (wenn überhaupt) einen Einfluss auf die Qualität des Programms?

Wenn man das Wort Schleichwerbung benutzt, meint man werblich gemeinte Aussagen in den Programmen, die so tun als seien sie keine Werbung. Das ist grobe Verletzung eines ganz wesentliches Qualitätskriteriums nämlich: Transparenz. Es ist wichtig bei der Qualität verschiedene Qualitätskriterien zu unterscheiden. Das andere Kriterium ist: Ist die Öffentlichkeit, ist das Publikum bereit zu akzeptieren, dass ein Sender, dessen Gebühren sie zahlen, für das Programm zusätzlich solche Machenschaften betreibt. Das ZDF mit „Wetten dass...“ argumentiert: solche Stars solche Show wäre ohne zusätzliche Sponsoren nie zu finanzieren. Durch eine Werbung wie z.B: DHL, Haribo ist es möglich, dass solche Stars wie z.B: Michael Jackson für drei Minuten auftreten können.


Wie würden Programme aussehen bzw. die Sender ohne Produktionshilfe dastehen?

Die Sponsoren sind ins Programm integriert und da sind eigentlich die Grenzen überschritten. Hauptpunkt ist: Unter Qualität versteht man die Transparenz. Ich finde die ganze Affäre ZDF „Wetten dass...“ schon nicht mehr so schlimm, wenn dauernd diese Debatte tobt darüber. Aus meiner Sicht: das ist die Kompromisslinie.


Am 12. und 13. September 2005 wurden Maßnahmen gegen Schleichwerbung beschlossen. ARD – Vorsitzender Dr. Thomas Gruber : „ Mit den heute beschlossenen Maßnahmen hat die ARD richtige Schlüsse aus den Vorfällen bei der Bavaria und ihren Tochterunternehmen gezogen. (...) Oberstes Ziel der ARD ist es, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit ihres Programms unter allen Umständen sicher zu stellen“.

Wie weit hat sich wirklich etwas geändert und was bringen die Maßnahmen für die Zukunft? Gibt es immer noch potenzielle Gefahren?

Potenzielle Gefahren gibt es bei jedem Programm, jeden Tag. Der normale Markt, so wie er funktioniert, ist eine permanente Gefahr, eine permanente Versuchung für jeden Journalisten. Die Ironie des Schicksals ist die derzeitige Entwicklung auf europäischer Ebene, dass nämlich Product-Placement, Themen-Placement in fiktionalen Programm künftig wahrscheinlich laut EU-Fernsehensrichtlinien erlaubt sein wird. Dem muss Deutschland sich nicht anschließen. Sie dürfen mit ihren eigenen Sendungen noch strenger sein als die Richtlinien, aber müssen mindestens so streng sein wie die Richtlinien.


Welche Tendenz haben Sie bei der Berichterstattung beobachtet? Gibt es immer mehr oder immer weniger gekaufte Berichterstattung? Und in welchen Genres (z.B. Sportübertragungen) ?

In der letzten Zeit kann ich keine systematische Veränderung feststellen. Wenn man einen generellen Trend ausmachen kann, dann geht er auf jeden Fall dahin, dass das Ausmaß an gekaufter Berichterstattung – über irgendwelche Kooperationen – zunimmt. Ein ganz wesentlicher Unterschied: Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk ist nicht gefeit vor diesen Tendenzen, aber im Verhältnis zu dem, was im kommerziellen Fernsehen los ist, ist das eben kaum vergleichbar, spielt sich das auf niedrigerem Niveau ab.

(joj)