Köln und seine Medien

Köln  ist neben Hamburg, Berlin und München einer der großen und bedeutenden Medienstandorte: 3 lokale Tageszeitungen – neben der BILD-Zeitung, 2 große Fernsehsender in Gestalt von WDR und RTL, ein lokales Stadtmagazin und viele weitere Medien haben hier ihr zuhause. Aber auch die DuMont-Reiseführer kommen aus Köln oder der Buchverlag Kiepenheuer & Witsch (k&w), der nicht nur Heinrich BÖLL, sondern auch Günter WALLRAFF verlegt hat. Der Verlag K&W ist (ebenfalls) ein DuMont – Unternehmen. Und  DuMont  ist jener Name, der – den Fernsehsektor ausgenommen – praktisch ganz Köln dominiert. 


So zum Beispiel den Tageszeitungsbereich. Die Ursprünge des DuMont-Verlags liegen mehrere Jahrhunderte weit zurück – auch damals schon war die  Kölnische Zeitung  aus dem Hause DuMont Schauberg das dominante Printorgan. Heute sind es 3 Zeitungen, die im DuMont Verlag erscheinen: der  Kölner Stadtanzeiger  (www.ksta.de) als größte Zeitung mit einer täglichen Auflage von rund 260.000 verkauften Exemplaren. Daneben unterhält der Verlag das Boulevardblatt  Express (www.express.de), das im Raum Köln-Bonn 187.000 Exemplare täglich verkauft und damit erheblich mehr als die  BILD-Zeitung  mit ihren 82.000 Exemplaren - im Boulevardbereich sind die Redakteure des  Express einfach besser drauf und auch schneller als die Kollegen von  BILD 


Die dritte Zeitung aus dem Hause DuMont ist die  Kölnische Rundschau  (www.rundschau-online.de  - nicht zu verwechseln mit der früheren  Kölnischen Zeitung , die heute vom  Kölner Stadtanzeiger weitergeführt wird). Sie war bis 1998 sozusagen ein Konkurrenzblatt des  Kölner Stadtanzeiger , aber erheblich kleiner (Auflage damals 150.000, heute 115.000) und vor allem wirtschaftlich schwächer. Um das Überleben der  Kölnischen Rundschau  zu sichern, hatte sich der DuMont Verlag frühzeitig an ihr finanziell beteiligt und mit der  Rundschau  zusammen auch mehrere lukrative Anzeigenblätter gegründet und auch beim Vertrieb kooperiert. Das reichte allerdings nicht aus, um die kleinere Zeitung am Leben zu halten. 

Der Verleger der  Kölnischen Rundschau , Helmut HEINEN - seit mehreren Jahren zugleich Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) - hatte daraufhin 1999 mit seinem „Konkurrenten“, Alfred Neven DuMONT, einen Deal vereinbart: Der DuMont-Verlag übernimmt das gesamte kaufmännische Geschäft der  Kölnischen Rundschau , also die Werbeeinnahmen aus dem künftig gemeinsamen (und nun nicht mehr konkurrierenden) Anzeigengeschäft, den Druck und Vertrieb usw.. Die Redaktion hingegen und das publizistische Konzept verbleibt beim Verleger HEINEN, der somit inhaltlich unabhängig agieren kann. Diese Lösung, die auch das Bundeskartellamt abgesegnet hatte, ist unter dem Stichwort „ Kölner Modell “ bekannt geworden: 2 inhaltlich konkurrierende, aber ökonomisch kooperierende Zeitungen unter einem gemeinsamen Dach. 


Dieses Modell ist in der Branche selbst akzepiert, in der wissenschaftlichen Fachwelt jedoch umstritten. Letzteres liegt daran, dass es bisher keine allumfassende und gründliche Untersuchung gibt, die alle relevanten Aspekte (wirtschaftliche und inhaltliche) zusammen betrachten und bewerten würde. 


Der jahrzehntelang maßgebliche Verleger in Köln,  Alfred Neven DuMONT  (in der Branche auch als „AND“ bekannt), war sich nie zu schade, sich mit so genannten Großkopferten oder Mächtigen seiner Branche anzulegen, egal ob dies Axel SPRINGER war oder Leo KIRCH. Mit Axel SPRINGER hatte er sich über die 1968-Studentenbewegung gestritten – der damalige Medienzar aus Hamburg setzte seine ganze publizistische Macht ein, die „Revolutionäre“ als „Spinner“ zu „diffamieren“. AND diskutierte mit ihnen ganz sachlich. Im anderen Fall hatte sich AND über die einseitige politische Parteinahme des Leo KIRCH-Senders SAT.1 (z.B. für Helmut KOHL) aufgeregt und stieg daraufhin kurzerhand als Gesellschafter aus. 


Auf der anderen Seite ist Kölns Großverleger sehr stark in den Kölner Strukturen engagiert. Ob man als (langjähriger) Präsident der Industrie- und Handelskammer industrie- und firmenkritische Artikel in seinen eigenen Blättern abdrucken lassen kann, bezweifeln nicht nur Wissenschaftler. Egal, ob die Firmen AVG oder sonstwie heißen. Gleiches gilt, wenn die Kontrolleure der publizistischen Macht mit großem Geld in (umstrittene) Infrastrukturobjekte oder Anlage-Fonds investieren – AND ist beispielsweise auch in Oppenheim-Esch-Fonds engagiert, z.B. in jenem, der die Messehallen errichten ließ, die nun im Mittelpunkt staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen stehen und ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik geraten sind. 


Publizistische Macht  und gleichzeitig große Nähe zu jenen Bereichen, Institutionen und Personen, über die man eigentlich als Watch-Dog wachen sollte, sind nicht die ideale Kombination, die hintergründig-kritische oder völlig unabhängige Berichterstattung befördert. Darüber sind sich nicht nur Medienwissenschaftler einig. Wer zu diesen Strukturen „quer liegt, wird in der insbesondere vom Verlagshaus DuMont beherrschten Medienstadt zum Außenseiter. Es ist so weit gekommen, dass in Köln BILD  als das unabhängigste Blatt erscheint“, hatte vor einiger Zeit die  Süddeutsche Zeitung  geschrieben. 


Daran ändert auch die Existenz der  Kölner Rundschau nichts – die in Köln erscheinende Tageszeitung verkauft in der Stadt Köln selbst weniger als 30.000 Exemplare. Dies ist weniger als ein Fünftel dessen, was der  Kölner Stadtanzeiger  in der Großstadt an Zeitungsexemplaren täglich absetzt; die  Rundschau  wird vor allem im eher ländlichen Kölner Umland gelesen. Entsprechend fällt auch das Gewicht der Berichterstattung zu jenen städtischen Themen aus, die die Kölner bewegen. 

Die  BILD-Zeitung  ist am wenigsten in die Kölner Strukturen, die man außerhalb von Köln auch den „Kölschen Klüngel“ nennt, eingebunden. Doch im Gegensatz zu DuMonts  Express  deckt die die Ausgabe der  BILD  ein zu großes Einzugsgebiet ab (Köln – Bonn), als dass sie so detailliert über Köln berichten könnte oder wollte wie der  Express . Die  BILD  ist zudem eine Boulevardzeitung, die sich nicht für alle Themen oder Details interessiert. 


So gesehen hat die viertgrößte Stadt Deutschlands zwar äußerlich betrachtet 2 voneinander unabhängige lokale Abozeitungen und 2 unterschiedliche Boulevardblätter, aber viele Themen, Fragen und Probleme kann man darin nicht lesen. 


Was man in den großen Blättern nicht lesen kann, findet man oft in der  StadtRevue  (www.stadtrevue.de), dem monatlichen „Kölnmagazin“. Der  StadtRevue -Verlag gehört nämlich nicht zu einem großen Pessehaus, Medienkonzern oder einer in irgendwelche „Strukturen“ eingebundenen Institution, sondern den  StadtRevue -Machern. Kurz gesagt: das Magazin ist als Kollektiv organisiert - Mitglied bzw. Eigentümer und damit mitspracheberechtigt kann nur sein, wer für die  StadtRevue auch arbeitet. Engagierte Journalisten haben in der Regel andere Interessen als etablierte Unternehmer. 

Da das Monatsmagazin aus den Neuen Sozialen Bewegungen der 70er Jahre heraus entstanden ist, gehört zum journalistischen Geschäftsprinzip auch der Anspruch, sich „in die politischen Diskussionen der Stadt einzubringen bzw. diese anzustoßen“ – neben der ausführlichen Berichterstattung über das kulturelle Geschehen der Hoch- und Subkultur in der Stadt. Die ersten Berichte über Ungereimtheiten, Merkwürdigkeiten und Widersprüche sowie nicht öffentlich bekannt gewordenen Informationen über die Planung und zum Bau der Kölner MVA finden sich daher bereits in den 90er Jahren in der  StadtRevue . Unter Klüngelliteratur finden Sie den Link auf das Online-Archiv der  StadtRevue , wo Sie viele dieser Berichte nachschlagen und lesen können. 


Mit einer monatlichen Verkaufsauflage von rd. 23.000 Exemplaren sowie weiteren Produkten („Spezials“ zu einzelnen Themen wie „Ökologie“ oder „Weiterbildung“, Hochschulmagazin, Programmheft zu „Lange Nacht der Museen“ u.a.m.) kann der kleine Verlag seit fast 30 Jahren in seiner Marktnische überleben. 


Nicht überleben konnte hingegen 1999 die neu gegründete Wochenzeitung  Kölner Woche , die als kritisches Blatt ein (kleines) Gegengewicht zur publizistischen Übermacht des Hauses DuMont darstellen sollte. Dort hatten vor allem die kritischen Geister in Köln recherchiert und publiziert. Beispielsweise hatte diese Wochenzeitung auch als erste die Informationen bekannt gemacht, dass der damalige OB-Kandidat Klaus HEUGEL, SPD, verbotene Insideraktiengeschäfte getätigt hatte. HEUGEL musste demissionieren und die SPD eine erdrutschartige Wahlniederlage verdauen. 
Neugründungen im Zeitungsbereich sind nicht nur mit hohen Investitionen, sondern vor allem mit längerem finanziellem Durchhaltevermögen verbunden. Beides hatten die Zeitungsgründer nicht. Sie mussten nach einem Jahr wieder aufgeben. 

Eine publizistisch erfolgreiche Zeitungsneugründung hingegen hatte es schon einmal vor rund 165 Jahren, genauer gesagt  im Jahre 1842  gegeben. Damals standen Köln und das Rheinland unter preußischer Hoheit. In der Domstadt dominierte eine einzige große Zeitung, die in allem den Ton angab: die „Kölnische Zeitung“ aus dem Hause DuMont. 


Vielen Unternehmen war diese publizistische Macht zu einseitig – sie beschlossen, mit ihrem Kapital eine eigene Zeitung zu gründen: die „Rheinische Zeitung“. Sie holten sich engagierte Journalisten und einen ausgeprochen hartnäckigen Chefredakteur, der schnell zum Schreckgespenst für die preußischen Zensurbehörden wurde. Die Zeitung praktizierte das, was man heute investigativen Journalismus nennen würde. In der „Rheinischen Zeitung“ wurden geplante Gesetzesvorhaben veröffentlicht, bevor der König von Preussen diese als verbindlich verkünden konnte – plötzlich sah sich die Obrigkeit mit öffentlichen Diskussionen konfrontiert, denn was in der „Rheinischen Zeitung“ gestanden hatte, wurde ganz schnell von anderen Zeitungen nachgedruckt. 


Die neue Zeitung und insbesondere der Chefredakteur vor rund 165 Jahren recherchierten aber auch, z.B.  offenkundige Missstände  („öffentliche Übel“). Das bekannteste Beispiel: die Gründe für die verheerende Armut der Moselbauern („Krebsschäden der Moselgegend“), die in einem ungerechten Steuersystem und in der rigiden Praxis der Behörden lagen. Die Journalisten waren gerade dabei, auch Roß und Reiter in der Verwaltung zu nennen („Die Vampyre der Moselgegend“). Die Kapitalgeber waren begeistert – endlich frischer Wind in der politischen Diskussion. Ebenso reagierten die Leser – die Auflage stieg schnell, denn das, was man da so ungeschminkt in der Zeitung lesen konnte, empfand man als „Sensation“. 

Wenig begeistert hingegen waren die preußischen Behörden. Der Preussenkönig Friedrich Wilhelm IV wies seinen Statthalter im Rheinland an, die Zeitung zu verbieten. Daran konnten dann auch die einflußreichen Kapitalgeber bzw. Aktionäre der Zeitung nichts mehr ändern, die (damals) Interesse an einer unabhängigen und vor allem kritischen Berichterstattung hatten. 


Die Namen dieser Aktionäre und Unternehmen gibt es zum Teil noch heute: das Kosmetikunternehmen Mühlens („ 4711 “), der Inhaber der Colonia-Versicherung (heute  Axa-Colonia) und viele andere, aber auch der Bankier OPPENHEIM (heute: Bankhaus Sal.Oppenhei). Der Name des engagierten Chefredakteurs ist ebenfalls kein Unbekannter:  Karl MARX


Hörfunk und Fernsehen gab es damals noch nicht. Wohl aber in den 90er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts. Im  WDR -Hörfunk informierte (bis 2004) das „kritische Tagebuch“ - ein tägliches Sendeformat, dass sich bereits zu diesem Zeitpunkt mit vielen Aspekten der Diskussion um die MVA auseinandergesetzt hatte. Allerdings war die Reichweite dieser Sendereihe nicht übermäßig groß. 

Eine hohe Reichweite hingegen hat  Radio Köln , die sehr viel lokale Informationen und Nachrichten bringen, vorzugsweise aktuelle Hinweise auf Veranstaltungen in der Köln-Arena sowie dazu, was sonst noch alles läuft in Köln. Und natürlich viel Sport. Über die vielen merkwürdigen Vorgänge bei der Planung und beim Bau der MVA war hier praktisch nichts zu hören. Als ausgesprochen ‚politisch’ verstehen sich private Hörfunksender nicht. 


Nicht viel anders war dies auch beim  WDR Fernsehen . Die Sendung „Lokalzeit“ hatte zwar oft über das Thema Köln und seine geplante oder im Bau befindliche MVA berichtet. Es kamen aber vorzugsweise jene zu Wort und ins Bild, die als Funktions- und Amtsträger die kommunalen Geschicke lenkten oder im Auge hatten, insbesondere jene der MVA. Erst nachdem die ganze Affäre ans Tageslicht gekommen war, wurden die Berichte offener und kritischer. Gleiches gilt auch für die anderen Formate. In der investigativen Fernsehreihe „die story“ beispielsweise lief eine 45-Minutendokumentation „Schmiergeld, Spenden, schwarze Kassen – die Kölner MVA-Affäre“ erst im November 2003 – nachdem der ganze Skandal aufgeflogen war. 


Mit Widersprüchen und Ungereimtheiten beschäftigten sich auch im  WDR  als öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalt nur ganz wenige Berichte. Zum Beispiel im Jahr 1996 in der Sendung „Markt“. Dort wurden damals ähnlich kritische Fragen gestellt und Informationen thematisiert, die bereits die  StadtRevue  ins Heft gehoben hatte. 


So gesehen sind die meisten etablierten Medien erst richtig in eigene Recherchen und kritische Berichterstattung eingestiegen, als der Skandal für die Öffentlichkeit offenkundig wurde. Die ‚richtigen’ Fragen gestellt – bereits früher – hatten nur (sehr) wenige.

 

(JL)