Bergischer Bote, 12.04.2006

von Ekkehard RÜGER

Entscheidung des BGH steht noch aus

Entscheidung des BGH steht noch aus

von Ekkehard RÜGER

Burscheid. Seit bald einem Jahr laufen die Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft gegen ehemalige und aktuelle Mitglieder des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung der Stadtwerke sowie den Stadtwerke-Geschäftsführer Siegfried Thielsch. Nach wie vor steht der Verdacht der Vorteilsannahme oder Beihilfe zur Vorteilsannahme im Raum, weil die Ratspolitiker sich von Eon-Ruhrgas Reisen auf eine norwegische Förderplattform, nach Straßburg und zu einem Essener Museum haben finanzieren lassen.

Der Vorwurf der Vorteilsannahme setzt keine konkrete Gegenleistung voraus; es genügt, für die allgemeine Dienstausübung einen Vorteil gewährt zu bekommen. Dürfen, müssen gar Politiker solche meist als Informationsfahrten deklarierte Angebote annehmen, um auf dem Laufenden zu bleiben? Das ist eine moralische, aber eben auch juristische Frage. Und da wird es kniffelig. Denn der Straftatbestand der Vorteilsannahme ist an den Begriff des Amtsträgers gebunden.

Als solche galten immer schon Beamte. Dass auch Ratsmitglieder darunter fallen, ist relativ neu. Im Jahr 2003 hatte die 7. große Strafkammer des Landgerichts Köln diese Einschätzung vertreten. Es ging im Ermittlungsverfahren gegen den früheren Kölner CDU-Ratsherrn Heinz Ludwig Schmitz um eine Beschwerde gegen die Beschlagnahmung größerer Geldsummen.Schmitz war im Zuge des Müllskandals vorgeworfen worden, in seiner Funktion als Ratsmitglied nach Abschluss von Beraterverträgen mit der Trienekens AG und einem Tochterunternehmen Zuwendungen im Wert von gut 370 000 Euro entgegengenommen zu haben. Damit habe sich Trienekens das allgemeine Wohlwollen des CDU-Politikers bei den Entscheidungen über die Privatisierung der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe erkaufen wollen.

Im vergangenen Jahr war Schmitz dann wegen Vorteilsannahme angeklagt worden. Ende März hat nun wiederum die 3. große Strafkammer des Kölner Landgerichts die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Ratsmitglieder, so die 3. Kammer im Widerspruch zu den Kollegen der 7. Kammer, würden nicht aufgrund eines Dienst- oder Auftragsverhältnisses zum Staat tätig, wovon der Gesetzgeber für den Begriff des Amtsträgers ausgegangen sei, sondern als gewählte Vertreter der gesamten Bürgerschaft. Letztlich, so die Richter, seien Ratsmitglieder eher mit Parlamentariern als mit Beamten vergleichbar.

Die Staatsanwaltschaft Köln hält an ihrer Einschätzung fest, dass auch Ratsmitglieder Amtsträger seien. „Wir haben gegen die Entscheidung der 3. großen Strafkammer Beschwerde eingelegt“, sagt Sprecher Günther Feld. Entsprechend laufen die Ermittlungen auch gegen die Burscheider und über hundert weitere Kommunalpolitiker vor allem in NRW weiter.

Für mehr juristische Klarheit könnte der Bundesgerichtshof sorgen. In Karlsruhe ist über die Rechtsfrage, ob Ratsmitglieder als Amtsträger gelten, noch nicht entschieden worden. Allerdings sind beim BGH mehrere Verfahren anhängig, bei denen es auf diese Frage ankommt – so im Zusammenhang mit der Revision des früheren SPD-Fraktionschefs im Kölner Rat, Norbert Rüther, der im September 2005 von der 7. großen Strafkammer des Kölner Landgerichts wegen Bestechlichkeit verurteilt worden war.

Man warte einen Spruch in Karlsruhe nicht ab, versicherte Staatswalt Feld. Gleichwohl ließ er offen, wann im Fall der Burscheider Beschuldigten mit einer Entscheidung seiner Behörde über Anklageerhebung oder Verfahrenseinstellung zu rechnen sei. Wer will, kann derweil die Frage noch weiterdrehen: Sollten Ratsmitglieder Amtsträger sein, was ist dann mit sachkundigen Bürgern? Von denen waren auch einige bei den Reisen dabei.