Bergischer Bote, 11.05.2006

von Ekkehard RÜGER

Ermittlungen bei Eon-Lustreisen vergeblich?

Ermittlungen bei Eon-Lustreisen vergeblich?

von Ekkehard RÜGER, Horst Kuhnes


Köln. Ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) bringt jetzt die Kölner Staatsanwaltschaft ins Schwitzen. Der 5. Senat hatte am vergangenen Dienstag entschieden: „Mitglieder kommunaler Volksvertretungen sind jedenfalls dann keine Amtsträger, wenn sie nicht zusätzlich zu ihrer Abgeordnetentätigkeit mit der Erledigung konkreter Verwaltungsaufgaben betraut sind.“

Diese Entscheidung hat auch Folgen für die Ermittlungen in der so genannten „Lustreisen-Affäre“. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt seit dem vergangenen Sommer gegen insgesamt 159 Stadträte aus ganz NRW, die sich als Aufsichtsratsmitglieder kommunaler Stadtwerke vom Energie-Konzern Eon-Ruhrgas zu Reisen unter anderem nach St. Petersburg, Barcelona, Brügge oder ins Elsass hatten einladen lassen. Auch Trips zu Sterne-Köchen wie etwa ins Schlosshotel Lerbach in Bergisch Gladbach standen auf dem Programm. Zum Teil hatten die Reisen sogar in Begleitung von Partnern stattgefunden. Die Kölner Staatsanwaltschaft war bei ihren Ermittlungen davon ausgegangen, dass die Einladungen erfolgt waren, um die Stadträte wohlwollend für Gaslieferungen zu stimmen.

Nun allerdings scheinen sich die Ermittlungen weitgehend als vergeblich herauszustellen. „Das Urteil liegt noch nicht schriftlich vor, deshalb müssen wir den genauen Text noch abwarten, um ihn zu prüfen“, erklärte der stellvertretende Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Peter Domat, gegenüber unserer Zeitung. Aber der Tenor des Urteils sage „schon jetzt ganz klar, dass die Voraussetzungen für Ermittlungen gegen kommunale Mandatsträger zumindest eingeschränkt worden sind“. Deutlicher wird ein anderer Kölner Oberstaatsanwalt: „Bei etwa 100 Beschuldigten muss jetzt dezidiert nachgeforscht werden, ob sie als Mandatsträger noch unter den Tatvorwurf fallen.“

Dabei ist die „Lustreisen-Affäre“ längst nicht die einzige, in der aktuelle Ermittlungen der Kölner Staatsanwalt laufen. Auch in „zwei oder drei weiteren Verfahrenskomplexen“, so der Oberstaatsanwalt, werde es nun entsprechende Prüfungen geben.

Die mögliche Konsequenz aus diesen Nachforschungen ist gesetzlich vorgeschrieben: Sollte sich nach den Überprüfungen herausstellen, dass die betroffenen Kommunalpolitiker entsprechend dem jüngsten BGH-Urteil eben keine Amtsträger und somit im strafrechtlichen Sinne nicht bestechlich sind, müssen die Ermittlungsverfahren sofort eingestellt werden.

Damit scheint man in Burscheid zu rechnen. Dort hatte ein Bericht unserer Zeitung über eine von Eon-Ruhrgas „gesponsorte“ Reise der Stadtwerke-Aufsichtsratsmitglieder zu einer norwegischen Förderplattform im Juni 2005 die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgelöst. Gestern erklärte nun Stadtwerke-Prokurist Christian Meuthen, selbst Teilnehmer der Reise: „Wir kennen das Urteil im Einzelnen noch nicht. Aber nach dem, was bisher bekannt geworden ist, gehen wir davon aus, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird.“

Mit dieser Prüfung wird sich die Kölner Staatsanwaltschaft vermutlich jedoch noch ein wenig Zeit lassen. Denn am 12. Juli beginnt vor dem 2. Senat des Bundesgerichtshofes ein weiteres Verfahren, in dem es unter anderem ebenfalls um die Mandatsträgereigenschaft von Kommunalpolitikern geht. Dabei ist möglich, dass dieser Senat zu einer anderen Einschätzung kommt als der 5. Senat. Dann müsste sich nach dem Gerichtsverfassungsgesetz der Große Senat des Bundesgerichtshofes mit dem Thema befassen und eine dann endgültige Entscheidung treffen.