Die Berichte des Handelsblatt, 20.10.2011

von Martin-Werner BUCHENAU, Jürgen FLAUGER

Aktion Größenwahn

Handelsblatt , 20.10.2011 

Als Stefan Mappus (CDU) am 15. Dezember im Stuttgarter Landtag ans Rednerpult trat, war seine Brust vor Stolz geschwellt. Was er hier zu verkünden habe, sei "eine gute Nachricht für den Industrie- und Energiestandort Baden-Württemberg", rief er der Opposition zu.

Der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg hatte kurz zuvor ein spektakuläres Geschäft abgeschlossen. Das Land stieg für knapp fünf Milliarden Euro mit 45 Prozent bei der "Energie Baden-Württemberg", dem drittgrößten deutschen Versorger, ein. Mappus hatte die Anteile dem französischen Energiekonzern Électricité de France (EdF) abgekauft. Das alles sei ein "Stück moderne Industriepolitik", schwärmte Mappus.

Der Traum ist ausgeträumt. Zehn Monate nach Geschäftsabschluss steht fest: Der Kauf war ein miserables Geschäft für das Land. Baden-Württemberg hat schon jetzt einen Wertverlust von rund einer Milliarde Euro zu tragen. Die EnBW-Aktien sackten nach der Landtagswahl ab.

Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, wie dubios das Geschäft ablief. So haben sich zentrale Punkte, mit denen Mappus und sein Berater, Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis, die Transaktion rechtfertigten, als unwahr herausgestellt. "Wir haben nicht die Katze im Sack gekauft", sagte Mappus damals.

Heute weiß man: Es gab keine bei derartigen Geschäften übliche Prüfung der Bücher, die "Due Diligence". Und es wurde auch darauf verzichtet, einen Tag nach Bekanntwerden des Deals eine Generalüberprüfung der Geschäftszahlen durchzuführen.

Auch die damalige Begründung, warum Mappus das Parlament nicht einbeziehen wollte, erweist sich als unwahr. "Die EdF hat einen Parlamentsvorbehalt ausdrücklich abgelehnt. In diesem Punkt blieb sie trotz mehrfacher Vorstöße von unserer Seite unnachgiebig", hatte Mappus am 15. Dezember vor dem Parlament in Stuttgart gesagt.

Die EdF-Führung erinnert sich anders und widersprach gestern: "Wir haben nie verlangt, dass das Parlament nicht eingebunden werden sollte", sagte ein Sprecher des Unternehmens dem Handelsblatt. Es war Mappus, der diese Frage aufgeworfen und zu seinen Gunsten beantwortet hat: "Wir haben vom Käufer eine schriftliche Bestätigung bekommen, dass es nicht nötig ist, das Parlament einzubinden", sagte der Sprecher.

Auch in einem anderen Punkt widersprechen EdF-Manager der Darstellung von Mappus. Mappus hatte vor dem Parlament behauptet, die EdF habe signalisiert, aussteigen zu wollen. Ein hochrangiger EdF-Vertreter dagegen sagt: "Wir wollten unsere Anteile behalten. Aber der uns gebotene Preis war einfach zu attraktiv."

Mappus, vom Handelsblatt auf die jüngsten Ungereimtheiten angesprochen, reagierte ausweichend: "Ich habe meinen detaillierten Darstellungen als Ministerpräsident gegenüber dem Parlament wie auch gegenüber der Öffentlichkeit bezüglich des Erwerbs von Unternehmensanteilen der EnBW nichts hinzuzufügen", teilte er schriftlich mit.