Die Berichte des Handelsblatt, 15.09.2011

von Martin-Werner BUCHENAU, Jürgen FLAUGER

EnBW fordert Kapital für die Energiewende

Handelsblatt , 15.09.2011 

EnBW-Chef Hans-Peter Villis benötigt von seinen Großaktionären eine Finanzspritze von rund 800 Millionen Euro zur Neuausrichtung des Energiekonzerns. Das Geld benötigt die EnBW zuzüglich zu geplanten Verkäufen und einem Sparprogramm. Es soll dazu verwendet werden, die Herausforderungen durch die Energiewende bewältigen zu können, wie gestern in Kreisen bestätigt wurde, die mit den internen Planungen vertraut sind. Villis wird seinen beiden Großaktionären, dem Land Baden-Württemberg und dem kommunalen Zweckverband OEW, die Pläne auf der kommenden Aufsichtsratssitzung am 22. September darlegen.
Vor allem beim Land stößt Villis aber auf großen Widerstand. Finanzminister Nils Schmid (SPD) reagierte pikiert. "Der Vorstand soll erst einmal seine Strategie vorstellen und klar sagen, wohin er mit dem Konzern will, bevor wir über die Finanzierung reden", ließ Schmid über seinen Sprecher mitteilen. Der Finanzminister sitzt für das Land im EnBW-Aufsichtsrat.
Die EnBW ist - wie die Konkurrenten Eon und RWE - durch den überraschenden Beschluss zum Atomausstieg in Deutschland unter Druck geraten. Zum einen brechen die Kernkraftwerke, die bislang rund die Hälfte des EnBW-Stroms produzierten, als zuverlässige Gewinnbringer weg. Im ersten Halbjahr musste die EnBW einen Verlust von knapp 600 Millionen Euro verkraften - unter anderem wegen Abschreibungen und Rückstellungen in der Kernkraftsparte.
Zum anderen benötigt das Unternehmen Kapital für Investitionen, um sich an der Energiewende zu beteiligen. Es will in erneuerbare Energien investieren, beispielsweise in weitere Windparks in Nord- und Ostsee, sowie Gaskraftwerke bauen. Dabei drückt den Konzern schon jetzt eine Nettoverschuldung von 8,6 Milliarden Euro. Die Ratingagenturen haben die EnBW wie auch Eon und RWE unter strenger Beobachtung. Der Konzern muss um sein gutes "A"-Rating bangen.

750 Millionen-Euro-Sparpaket 

Die EnBW will deshalb den Planungen zufolge 1,5 Milliarden Euro durch den Verkauf von Minderheitsbeteiligungen einnehmen. Unter anderem soll der russische Gasproduzent Novatek Anteile am ostdeutschen Gasimporteuren Verbundnetz Gas übernehmen. Auf der Verkaufsliste stehen aber auch der Anteil am österreichischen Versorger EVN und Beteiligungen in Polen. Zudem könnte die EnBW im Stammgebiet Stadtwerke aus Baden-Württemberg einbinden. 750 Millionen Euro soll zudem ein Sparprogramm einbringen. Davon dürfte rund ein Drittel Personalkosten betreffen.

Die beiden Blöcke werden den internen Berechnungen zufolge aber noch nicht ausreichen, um dem Konzern den nötigen Spielraum zu verschaffen. Deshalb sollen sich auch die beiden Großaktionäre, das Land und der kommunale Zweckverband OEW, die jeweils 46,5 Prozent halten, beteiligen.

Finanzminister Schmid hatte bereits Ende Juli erklärt, das Land wolle bei der EnBW nicht noch mehr ins Risiko gehen. Damals, bei der Vorlage der schlechten Halbjahresbilanz, hatte Villis zum ersten Mal über "Kapitalmaßnahmen" gesprochen, ohne sie aber näher zu konkretisieren. Insbesondere eine Kapitalerhöhung hatte er abgelehnt.

In Unternehmenskreisen wird inzwischen ein anderes Modell gehandelt. Der Zweckverband OEW könnte sich durch stille Beteiligungen engagieren. Das Land könnte auf Ausschüttungen verzichten.
Aber auch das dürfte der grün-roten Landesregierung schwerfallen. Sie sieht die EnBW-Beteiligung, die sie beim Regierungswechsel im Frühjahr von der schwarz-gelben Vorgängerregierung unter Stefan Mappus geerbt hatte, ohnehin als große Haushaltsbelastung. Mappus hatte erst Monate zuvor das Aktienpaket für rund fünf Milliarden Euro von Electricité de France (EDF) gekauft. Die Transaktion sollte über die Dividendenzahlungen finanziert werden.

Für Villis ist die Situation heikel. Er selbst kämpft um eine Verlängerung seines Vertrags, der im Herbst 2012 ausläuft. Die Frage soll bis zum Jahresende geklärt werden. Vertreter der Landesregierung stehen ihm skeptisch gegenüber. Bei den Arbeitnehmervertretern und zahlreichen kommunalen Aktionären hat er dagegen Rückhalt.