Die Berichte des Handelsblatt, 07.12.2010

von Martin-Werner BUCHENAU

EnBW wird wieder Staatskonzern

Handelsblatt , 07.12.2010 

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus liebt Überraschungseffekte. Kurzerhand sagt er gestern eine Pressekonferenz der Landesregierung um 12 Uhr ab und bittet dem "Anlass entsprechend" eine halbe Stunde später in die Lobby des Landtags. Sichtlich stolz stapft er ans Mikro, das seine Leute direkt neben der Reiterskulptur "il miracolo" - "das Wunder", vom Mailänder Bildhauer Marini Marino, positioniert haben.

"Baden-Württemberg übernimmt die Beteiligung von 45,01 der Electricité de France an der EnBW", intoniert Mappus. "Unser Ziel ist, dass der Energiekonzern nach Daimler, Heidelcement und SAP der vierte Dax-Konzern im Land wird", sagt Mappus, der sich im März der Landtagswahl stellt und sich freut, nach dem Streit um den Bahnhof Stuttgart 21 endlich in die Vorwärtsbewegung zu kommen. Das Land wolle die Beteiligung nur auf Zeit halten und strebe einen Börsengang an. Auch werde den Stadtwerken die Möglichkeit gegeben, sich zu beteiligen. "Das ist ein Stück moderne Industriepolitik", sagt er stolz.

Und dazu ein schwäbisches. Den Steuerzahler werde der Deal keinen Cent kosten. Der Kauf der 112,5 Millionen Aktien kostet das Land 4,67 Milliarden Euro. Der Stückpreis von 41,50 Euro liege, die zwischenzeitliche Inflation einberechnet, zehn Prozent unter dem, den das Land beim Verkauf vor neun Jahren an die Franzosen erhalten habe. Im Preis enthalten sind noch 1,5 Prozent Dividende, so dass der Nettopreis bei 40 Euro liegt. Mit dem Kauf soll der Haushalt nicht belastet werden. Deshalb wickelt das Land die Beteiligung über die bereits als Hülle bestehende Neckarpri GmbH ab, die in der nächsten Woche eine Anleihe in Höhe des Kaufpreises begibt. Die Zinskosten der Anleihe würden unter den erwarteten Dividenden liegen.

Mappus ist allen zuvorgekommen. Zwar war bekannt, dass der Konsortialvertrag zwischen EDF und dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), der ebenfalls 45,01 Prozent hält, Ende 2011 auslaufen würde. In diesem war festgehalten, dass beide gleichberechtigt beteiligt sind. Weil die Franzosen keine Chance sahen, der OEW die Mehrheit abzuringen, drängten sie seit Monaten auf eine Aufspaltung der EnBW, wie es in Branchenkreisen hieß. Das wollte das Land auf jeden Fall verhindern.
Aber dass Mappus so schnell eine Lösung präsentiert, hat offenbar selbst die EnBW-Zentrale überrascht.

Einen solchen Deal hätte allerdings auch Mappus nicht allein aushecken können. Er trägt vielmehr die Handschrift der beratenden Investmentbank Morgan Stanley und ihres Deutschland-Chefs Dirk Notheis. Kaum ein großer Deal geht im Ländle ohne den ehemaligen Vorsitzenden der baden-württembergischen Jungen Union über die Bühne. Schon Privatplatzierung und Umschuldung von Heidelcement organisierte Notheis. Schließlich gelang dem Baustoffkonzern sogar der Aufstieg in den Dax. Gleiches soll auch EnBW gelingen.

Notheis ist ein enger Freund von Mappus. Morgan Stanley dürfte jetzt auch große Chancen haben, sowohl bei der Anleihe als auch beim späteren Börsengang zum Zuge zu kommen. Das Gespann Mappus/Notheis hat perfekt harmoniert. Seit seinem Amtsantritt hatte Mappus klargemacht, dass er den drittgrößten deutschen Energiekonzern mit 20000 Beschäftigten und 15,5 Milliarden Euro Umsatz nicht den Franzosen überlassen will. Geschickt gelang es, dass die Franzosen nicht an jemand anderen verkauften und dass niemand Wind bekam. So kann der seit dem rabiaten Wasserwerfereinsatz gegen Bahnhofsgegner angeschlagene Ministerpräsident einen dringend benötigten politischen Erfolg vor der Landtagswahl verbuchen. Denn im Amt gleicht Mappus ein bisschen der bronzenen Reiterfigur im Foyer des Landtags. Er hält sich mit Mühe, und man weiß nicht genau, ob ihn das Ross abwerfen wird. Mit dem EnBW-Deal sitzt er wieder fester im Sattel. Ob die Rechnung für ihn und das Land aufgeht, werden erst die Wahl und der Börsengang zeigen