Die Berichte des Handelsblatt, 01.08.2011

von Martin-Werner BUCHENAU, Jürgen FLAUGER

Landesregierung streitet mit EnBW

Handelsblatt , 01.08.2011 

Als das Land Baden-Württemberg im vergangenen Dezember überraschend bei der EnBW einstieg, ließ sich der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) für "ein Stück moderne Industriepolitik" feiern. Mappus träumte schon davon, den Energiekonzern in den Dax zu führen.

Ein gutes halbes Jahr später ist Mappus' Deal für die grün-rote Nachfolgeregierung nur noch ein Ärgernis. Durch den Atomausstieg, der zwei von vier Kernkraftwerken des Konzerns unmittelbar stilllegte, musste die EnBW im ersten Halbjahr einen Verlust von knapp 600 Millionen Euro verkraften. Damit sind die Dividende für 2011 und die Finanzierung des Kaufpreises von rund fünf Milliarden Euro, die Mappus an Electricité de France überwies, gefährdet.

Jetzt erwägt EnBW-Chef Hans-Peter Villis auch noch eine Kapitalerhöhung. Das Land soll also zusätzliches Kapital zuschießen, um den Umbau des durch die Energiewende gebeutelten Konzerns zu finanzieren.

Kommunen halten sich bedeckt 

Es werde "über Kapitalmaßnahmen nachgedacht", teilte das Unternehmen bei der Bekanntgabe der Halbjahreszahlen mit. Noch seien keine konkreten Maßnahmen beschlossen, betonte ein Sprecher. In der vorangegangenen Aufsichtsratssitzung sei mit den Großaktionären - neben dem Land hält auch der kommunale Zweckverband OEW 46,5 Prozent - aber schon über eine Finanzspritze gesprochen worden, hieß es in Unternehmenskreisen.

Die Landesregierung lehnt die Forderung ab. "Sie können sich vorstellen, dass meine Begeisterung nicht groß ist, noch mehr ins Risiko zu gehen", sagte Baden-Württembergs Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid, der auch im Aufsichtsrat sitzt, dem Handelsblatt. Die OEW hielt sich auf Anfrage bedeckt. Beim Land würde eine milliardenschwere Kapitalspritze aus Steuergeldern die gesamte Finanzplanung über den Haufen werfen. Neben Stuttgart 21 ist die EnBW das Thema, das die noch keine 100 Tage agierende Regierung so beschäftigt, dass sie kaum andere Akzente setzen kann. Pumpt das Land Milliarden in die Energiewende, verliert sie jeglichen Spielraum.

Ob das Land bei der Ablehnung bleiben kann, ist aber fraglich. Die EnBW braucht Milliarden für Investitionen in erneuerbare Energien, um den Atomstrom zu ersetzen. Eine Fremdfinanzierung alleine ist nicht möglich, weil sonst das Rating in Gefahr gerät. Ein schlechteres Rating hätte höhere Zinszahlungen zu Folge, die bei der in den vergangenen sechs Monaten ohnehin von 8,1 auf 8,7 Milliarden Euro noch einmal gestiegenen Verschuldung heftig zu Buche schlagen würden.

Angesichts der Bredouille wächst offenbar auch die Unzufriedenheit mit der Ausrichtung des Energiekonzerns und der Strategie von Konzernchef Villis. Schmid sieht "erheblichen Veränderungsbedarf". Und ausdrücklich betonte er, dass die EnBW nicht nur durch den Atomausstieg, sondern auch durch die Beteiligungen belastet wird. Die EnBW musste nicht nur über eine Milliarde durch den Atomausstieg verkraften, sondern auch den Wert der Beteiligungen am Oldenburger Regionalversorger EWE um 370 Millionen Euro und an der österreichischen die Beteiligung an EVN um 245 Millionen Euro berichtigen.

Insbesondere die Probleme bei der EWE werden im Aufsichtsrat direkt Villis angekreidet. Der hatte vor drei Jahren 2,1 Milliarden Euro für ein 26-Prozent-Paket bezahlt. Der Kaufpreis war nur zu rechtfertigen, weil Villis hoffte, über die EWE die Kontrolle am ostdeutschen Gasgroßhändler Verbundnetz Gas (VNG) zu erlangen. Der Plan ist aber bislang gescheitert, weil sich die anderen VNG-Aktionäre sperren. Ärger droht Villis auch mit den Arbeitnehmervertretern. Wegen der Energiewende muss er auch das Sparprogramm aufstocken. Bisher war geplant, die Kosten bis 2013 um 300 Millionen Euro zu senken. Jetzt solle das Programm "mindestens verdoppelt werden", hieß es in Unternehmenskreisen.

Für Villis kommen die Probleme zur Unzeit. Sein Vertrag läuft im September 2012 aus - die Verhandlungen über eine Verlängerung dürften schwierig werden.