Die Berichte des Handelsblatt, 15.12.2011

von Martin-Werner BUCHENAU, Jürgen FLAUGER

Mappus gibt bei Merck auf

Handelsblatt , 22.11.2011 

Vom grauen Stuttgart ins tropische Brasilien: So malte sich Stefan Mappus, quasi als Trostpflaster, seine Zukunft nach seiner kurzen Zeit als Ministerpräsident in Baden-Württemberg aus. Und der Darmstädter Pharmakonzern Merck schien diesen Traum wahr zu machen: Seit September bereitete sich Mappus dort auf die Rolle des Brasilien-Chefs vor. Umsonst. Der Traum von der Zukunft im Süden ist seit gestern ausgeträumt. Offenbar zermürbt von immer neuen, belastenden Details, was seine Rolle bei der Rückverstaatlichung des Energiekonzerns EnBW angeht, hat Mappus bei Merck aufgegeben.

Wie der Konzern bestätigte, hat der einstige CDU-Politiker um die Auflösung seines Vertrags zum Jahresende gebeten. Mappus selbst versuchte, seinen Abgang gestern offensiv zu vermarkten: "Die zumeist diffamierenden Angriffe und Verleumdungen gegen meine Person und die von mir geführte Landesregierung im Zusammenhang mit dem Einstieg des Landes bei der EnBW erfordern eine angemessene Reaktions- und Wehrfähigkeit meinerseits."

Man bedauere das Ausscheiden von Mappus sehr, hieß es offiziell in Darmstadt. Tatsächlich dürfte gestern aber ein Aufatmen durch das Merck-Management gegangen sein. Schon länger grübelte man dort, wie man Mappus wieder loswerden könnte.

Die vielen Vorwürfe, bei der 4,7 Milliarden Euro teuren Rückverstaatlichung von EnBw, die Mappus als Ministerpräsident vor einem Jahr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchgezogen hatte, sei vieles nicht mit rechten Dingen zugegangen, belasteten zunehmend auch den Konzern. Zumal das Landesverfassungsgericht den von Mappus mit seinem Freund Dirk Notheis, Deutschland-Chef von Morgan Stanley, eingefädelten Deal als Verfassungsverstoß wertete. Offensichtlich wurden zudem die Bücher der EnBW vor dem Kauf nicht intensiv geprüft. Hohe Risiken bei den Beteiligungen wurden übersehen. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft nach einer Anzeige derzeit, ob Ermittlungen gegen Mappus wegen Verdachts auf Untreue aufgenommen werden. Die derzeitige Landesregierung lässt durch eine Kanzlei untersuchen, ob sie Mappus auf Schadensersatz verklagen kann. Mittlerweile ist die Beteiligung des Landes an EnBW eine Milliarde Euro weniger wert als beim Einstieg vor Jahresfrist.

Alles Punkte, die bei Mappus' neuem Arbeitgeber nicht gut ankamen. Zumal die Personalie bei Merck von Anfang an umstritten war. Bereits als im Frühsommer die ersten Spekulationen kursierten, runzelten viele Mitarbeiter die Stirn. Selbst die Gründerfamilie, heißt es in Unternehmenskreisen, war nicht begeistert von der Idee, den Ministerpräsidenten a.D. zu verpflichten. Und im mittleren Management von Merck zeigten viele Unverständnis darüber, dass Merck die Position in Brasilien - wo Mappus rund 360 Millionen Euro Umsatz verantwortet hätte - nicht mit einem erfahrenen Manager besetzte.