Die Berichte des Handelsblatt, 14.12.2000

von Martin-Werner BUCHENAU, Sönke IWERSEN

Mappus hat den Landtag übergangen

Handelsblatt , 14.12.2010 

Neue Ungereimtheiten bei der Teilverstaatlichung des Energiekonzerns EnBW durch das Land Baden-Württemberg: Ministerpräsident Stefan Mappus hat den Vertrag über den Kauf des 45-Prozent-Anteils an EnBW vom französischen Energieriesen EdF ohne Gremienvorbehalt geschlossen. Der Landtag kann das Geschäft mit einem Volumen von 4,57 Milliarden Euro nicht mehr verhindern. Das bestätigten Insider sowie ein Sprecher der Kommunikationsagentur Hering Schuppener, die in dieser Angelegenheit für das Land tätig ist. Auf die Frage, ob der Landtag den Kauf noch stoppen könne, antwortete der Sprecher von Hering Schuppener schriftlich: "Nein, jedenfalls nicht durch Verweigerung der Zustimmung zu dem Geschäft. Das Land ist gebunden."

Das erhärtet den Verdacht, dass Mappus den Landtag nicht nur nicht informiert, sondern übergangen hat. Oppositionspolitiker und Juristen sehen darin eine gravierende Pflichtverletzung. Denn das Land braucht für die Finanzierung des Deals eine Bürgschaft, der das Parlament zustimmen muss.

Das Staatsministerium hält mit einer nebulösen Erklärung dagegen: "Für die erforderliche Entscheidung gibt es zwischen Landesregierung und Landtag ein abgestimmtes Verfahren." Auf Drängen der Opposition wird Mappus sich den Fragen des nicht öffentlich tagenden Finanzausschusses stellen. Im Zentrum der Kritik steht auch die Vergabe des Beraterauftrags ohne vorheriges Auswahlverfahren an die Investmentbank Morgan Stanley.

Baden-Württemberg hat den Kauf der EnBW-Anteile weitgehend unumkehrbar gestaltet. Nicht nur auf einen Gremienvorbehalt und damit die Zustimmungspflicht des Parlaments wurde nach Informationen des Handelsblatts in dem Vertrag verzichtet. Selbst wenn das Kartellamt den Deal untersagt, soll der Vertrag nicht automatisch nichtig sein, sondern Verpflichtungen für das Land vorsehen. Die Kritik an dem Vertragswerk, das das Land offensichtlich einseitig belastet, wird immer heftiger. "Für den Fall, dass das Ganze dann mit Verlust läuft, zahlt der Steuerzahler. Gewinne machen letztlich dann die Maultaschenfreunde aus alter Junge-Union-Zeit von Morgan Stanley", sagte Franz Untersteller, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag.

Der Opposition ist beim Zustandekommen des Deals vor allem ein Dorn im Auge, dass Mappus seinem Parteifreund und Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis direkt den Beratungsauftrag erteilt hat. Die Grünen sehen in der Abwicklung des Milliardendeals einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht. Im Eilverfahren will Mappus die Übernahme erst heute durch den Finanzausschuss, dann morgen durch das Parlament bringen. "Die Hinweise verdichten sich, dass Mappus es mit den Regeln und der Wahrheit beim EnBW-Kauf nicht so ernst genommen hat", kritisierte auch der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, die Vorgehensweise gegenüber Handelsblatt Online. Die SPD will das notfalls auch mittels eines Untersuchungsausschusses klären lassen. Ex-Eigner EDF bekomme einen ungewöhnlich hohen Kaufpreis, CDU-Funktionär Notheis einen Millionenauftrag, und beim geplanten Börsengang später wollten noch andere die Hand aufhalten. "Dieses Spiel wird die SPD aufdecken helfen und verhindern", sagte Kelber.