Die Berichte des Handelsblatt, 15.12.2010

von Martin-Werner BUCHENAU, Sönke IWERSEN

Mappus in der Defensive

Handelsblatt , 15.12.2010 

Die Rolle des Triumphators hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus binnen weniger Tage wieder verloren. Mit dem handstreichartigen Erwerb der EnBW-Beteiligung wollte er Wirtschaftskompetenz zeigen und musste gestern in der Sache persönlich vor den nicht-öffentlichen Finanzausschuss. Danach stellte er sich in einem Nebenraum des Landtags der Presse.
Mappus wirkt angespannt, zupft an seinen Hemdsärmel. Er versucht zu erklären, warum der Beraterauftrag an seinen Parteifreund Dirk Notheis, den Deutschland-Chef von Morgan Stanley, gegangen ist. "Wenn ich jemanden persönlich kenne, darf er daraus geschäftlich keinen Vorteil haben, aber - darauf lege ich Wert - auch keinen Nachteil", sagte Mappus. Die konkrete Höhe des Beraterhonorars für Morgan Stanley verriet er nicht. Es liege aber "meilenweit unter" den üblichen 0,8 bis ein Prozent der Transaktionssumme. Warum die Vergabe direkt ohne jede Form eines vertraulichen Auswahlverfahrens geschah, begründet Mappus mit dem Gebot zur Geheimhaltung. Viele Deals würden dadurch scheitern, dass bei der Auftragsvergabe unterlegene Investmentbanker ausplauderten. Das habe er nicht riskieren können. "Sie hätten mich in einem solchen Fall doch zerrissen."

"Der Erfolg gibt uns recht." 

Aber jetzt treibt Mappus noch ein anderer Sachverhalt in die Defensive: Offen gibt er zu, dass im Kaufvertrag mit der französischen EDF kein Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments steht. Die Verantwortung dafür schiebt er geschickt auf die Franzosen. "Die EDF hat klargemacht, dass sie keinen Parlamentsvorbehalt duldet", sagte Mappus. Ein Vorbehalt könne zum Scheitern führen, und das hätte für die börsennotierte EDF "katastrophale Folgen" gehabt. Mappus gab zu, dass damit auch für ihn politische Risiken verbunden seien. "Sie kommen immer zu einem Punkt, wo Sie sagen müssen: Ja oder Nein. Und ich habe Ja gesagt, und der Erfolg gibt uns recht", betont Mappus.

Bei seinem Vorgehen beruft er sich auf Artikel 81 der baden-württembergischen Landesverfassung, der besagt: "Über- und außerplanmäßige Ausgaben bedürfen der Zustimmung des Finanzministers. Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Die Genehmigung des Landtags ist nachträglich einzuholen."

Mappus verweist darauf, dass die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz, die die Landesregierung bei dem Deal beriet, vorher alles rechtlich geprüft habe. In jedem Fall hat Mappus ohne jegliche Miteinbeziehung des Parlaments den Ankauf der EnBW-Anteile der EDF beschlossen und vollzogen. Ob beim Kauf des Anteils von 45,01 Prozent der EnBW von der EDF ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis bestanden hat, beschäftigt bereits die Juristen. "Es handelt sich bei Artikel 81 der Landesverfassung um eine absolute Ausnahmevorschrift", sagt der renommierte Vergaberechtsexperte und Fachautor Thomas Maibaum. "Außerplanmäßige Ausnahmen dürfen nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses genehmigt werden." Dass das hier der Fall gewesen sei, müsse stichhaltig begründet werden.

Nils Schmid, der Fraktionsvorsitzende der SPD und designierte Gegenkandidat von Mappus bei der Landtagswahl im kommenden März, hat sein Urteil bereits gefällt: "Das Parlament wird missachtet. Aktienrecht bricht nicht Verfassungsrecht", moniert er. Auch die Grünen haben ihre Juristen bereits befragt. Um die Zustimmung des Landtags zu umgehen, habe der Finanzminister eine Zustimmung im Rahmen des Notbewilligungsrechts benutzt. "Artikel 81 ist nur für außergewöhnliche Vorkommnisse, in denen sehr schnell finanziell eingegriffen werden muss, vorgesehen. Etwa bei Naturkatastrophen muss eine Landesregierung in der Lage sein, sofort und unbürokratisch zu handeln", sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Winfried Kretschmann. "Der Ankauf der EnBW-Aktien ist keine Sondersituation, die sich aufgrund externer Vorkommnisse ergab, sondern eine Lage, die der Ministerpräsident und das Kabinett selbst und aktiv herbeigeführt haben. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Notbewilligung sind hier überhaupt nicht erfüllt",betont Kretschmann. Es habe schlicht und einfach gar keinen Grund gegeben, überhastet über den Ankauf zu entscheiden, denn der Konsortialvertrag bindet die Anteilseigner EDF und OEW noch bis Ende 2011", kritisiert Kretschmann weiter.

Weiterhin gelte die Landeshaushaltsordnung, nach der dem Landtag "Fälle von grundsätzlicher oder erheblicher Bedeutung unverzüglich vorzulegen" sind. Nicht mal diese Mitteilung sei erfolgt, sagte Kretschmann.

Einen Plan B habe er nicht. 

Mappus hingegen bleibt bei seiner Linie, es habe andere Interessenten für die EnBW-Beteiligung gegeben, was ein Handeln der Landesregierung erfordert habe. Das derzeit niedrige Zinsniveau habe den Deal finanzierbar gemacht. "Es gab nur ein ganz enges Zeitfenster, schon heute wären die Konditionen schlechter", begründet Mappus die Eile.

Die Frage, ob denn bei diesem Zeitdruck das Unternehmen genau bewertet wurde, provoziert ihn zum Angriff: "Ja glauben Sie denn, wir haben die Katze im Sack gekauft?" Mappus gab gestern auch erstmals offiziell die Höhe der für die Begebung der Anleihe notwendigen Landesbürgschaft bekannt. Es sind 5,85 Milliarden Euro, die den Kaufpreis von 4,67 Milliarden Euro, die Dividende für die Franzosen für das Geschäftsjahr 2010 von 170 Millionen und die für das Pflichtangebot an die zehn Prozent freien Aktionäre von rund einer Milliarde Euro abdecken. Die Anleihe wird von der L-Bank begeben. Heute gibt Mappus im Landtag eine Regierungserklärung ab. Und dem für die Bürgschaft notwendigen Nachtragshaushalt soll der Landtag zustimmen. Bei den Mehrheitsverhältnissen dürfte er damit keine Probleme haben. Alles andere wäre für Mappus das Aus. "Einen Plan B habe ich nicht", sagte er.