Die Berichte des Handelsblatt, 21.10.2011

von Martin-Werner BUCHENAU, Jürgen FLAUGER

Staatsanwältin zeigt Mappus an

Handelsblatt , 21.10.2011 

Die Affäre um den teuren Einstieg des Landes Baden-Württemberg beim Energiekonzern EnBW könnte für Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus bald ein juristisches Nachspiel haben. Bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart ist nämlich eine Strafanzeige eingegangen. Das Papier ist brisant, denn es stammt selbst von einer Staatsanwältin, einer Kollegin aus Bayern. Sie sieht sowohl bei Mappus als auch bei Ex-Finanzminister Willi Stächele einen Verdacht auf Untreue gegeben. Den "beteiligten Rechtsanwälten und Investmentbanken" wirft sie eine mögliche Beihilfe zur Untreue vor.

Der Staatsanwaltschaft Stuttgart liegen zwar schon mehrere Anzeigen auf Untreue vor. Bislang verneinte die Behörde jedoch einen Anfangsverdacht, sie hat noch keine Ermittlungen aufgenommen. Das könnte sich nun ändern. Die neue Anzeige, die dem Handelsblatt vorliegt, drängt die Stuttgarter Behörde endlich zum Handeln.

Staatsanwaltschaft zögert noch

Unter Mappus Regie hatte das Land Baden-Württemberg im Dezember 2010 dem französischen Energieriesen Électricité de France dessen 45-prozentige Beteiligung an EnBW abgekauft und dafür rund fünf Milliarden Euro bezahlt. Inzwischen hat sich der Deal als Milliardengrab erwiesen, das Land hat schon jetzt einen Verlust von einer Milliarde Euro zu tragen. Vor allem ist die Transaktion juristisch fragwürdig. Der Staatsgerichtshof in Stuttgart hat einen Verfassungsbruch attestiert. Mappus hatte die Vereinbarung geschlossen, ohne das Parlament einzubinden. Er hatte sie sich nur von Finanzminister Willi Stächele genehmigen lassen.

In ihrer Strafanzeige und im Gespräch mit dem Handelsblatt bemängelt die Staatsanwältin aus Bayern, dass der Ministerpräsident und der Finanzminister die zwingend notwendige Beteiligung des Parlaments "bewusst umgangen" hätten. Sie hätten damit ihre "Verfügungsbefugnis in missbräuchlicher Weise" überschritten. Es liege der Tatbestand des Missbrauchs und des Treuebruchs vor. Sie verfolge den Fall seit längerem, weil sie gebürtig aus Baden-Württemberg kommt, und sei fassungslos, sagte sie. Deshalb habe sie die Strafanzeige als Privatperson vor einigen Tagen an die Staatsanwaltschaft Stuttgart geschickt.

Der Behörde in der Landeshauptstadt liegt das Papier nach eigenen Angaben noch nicht vor. Das könne aber auch am internen Zustellungssystem liegen. Bislang sieht sie keinen Anlass für Ermittlungen.

Die ersten vier Strafanzeigen im Fall EnBW waren bereits im Frühjahr eingegangen. Unter anderem hatten ein Rechtsanwalt aus Hannover und ein Stuttgarter Wirtschaftsanwalt Schriftstücke eingereicht. Stets betonte die Staatsanwaltschaft Stuttgart aber, dass sie keine Ansatzpunkte für den Verdacht der Untreue sehe. Für strafrechtlich relevantes Verhalten müsste der Vertragsabschluss als treuwidriges Risikogeschäft bewertet werden, das den Regeln der kaufmännischen Sorgfalt widerspricht.

Dies war nach Überprüfung der Staatsanwaltschaft nicht der Fall. Weder das hohe Volumen des Vertrages noch die Kurzfristigkeit des Geschäftsabschlusses lassen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hinreichend konkret auf wirtschaftlich unvertretbare Risiken schließen. Besonders der Punkt "kaufmännische Sorgfalt", könnte noch wichtig werden. Sollte tatsächlich der Verdacht erwiesen werden, dass die Bücher der EnBW bei dem Blitzkauf nicht sorgfältig geprüft wurden, könnten die Ermittlungen doch noch in Gang kommen.

Nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs dürften die Kläger neue Argumente haben. Für die Staatsanwältin aus Bayern ist der Fall klar: "Jede andere Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stuttgart als die der Aufnahme von Ermittlungen würde auf Unverständnis stoßen und an Strafvereitelung im Amt grenzen."