Die Berichte des Handelsblatt, 15.03.2011

von Martin-Werner BUCHENAU

Stefan Mappus: Macher ohne Fortune

Handelsblatt , 15.03.2011 

Die Szene ist für Stefan Mappus symptomatisch. Als Ministerpräsident eröffnete er im November zum ersten - und vielleicht letzten - Mal mit einem Walzer den Landespresseball in der Stuttgarter Liederhalle. Alles andere als leichtfüßig bewegte sich der 44-Jährige über das Parkett. Tanzen ist nicht seine Sache, Mappus spielt Fußball, "am liebsten Mittelstürmer". Angriff prägt auch seinen Politikstil - und das könnte ihm als Landesvater jetzt zum Verhängnis werden.

Nach dem Streit über das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21", den er nur mühsam und mit Hilfe von Heiner Geißler als Schlichter entschärfte, droht ihn nun die neu entbrannte Atomkraftdebatte den Sieg bei der Landtagswahl am 27. März zu kosten. Denn in dieser Frage hatte sich Mappus bisher nicht nur politisch als Befürworter präsentiert, sondern sich als Landesvater mit dem Einstieg beim Energiekonzern EnBW sogar unternehmerisch betätigt.

Der baden-württembergische Ministerpräsident gilt als Fan der Kernkraft, die im Südwesten die Hälfte der Stromversorgung trägt. Bei der Atomdebatte, die sich zuletzt nach dem Wahlsieg von Schwarz-Gelb in Berlin entzündet hatte, legte sich Mappus schwer ins Zeug. In der heißen Phase des Streits über die Laufzeitverlängerung für die 17 deutschen Atommeiler im vergangenen Jahr attackierte er die Kernkraftgegner. Und selbst die eigenen Mannschaftskameraden verschonte er nicht. So forderte er Kanzlerin Angela Merkel auf, den Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der sich gegen eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen hatte, "zurückzupfeifen". Diese Haltung gefährdet nun seine Bestätigung im Amt. 60 000 Atomkraftgegner bildeten am Samstag eine Menschenkette vom Kernkraftwerk Neckarwestheim nach Stuttgart. Und damit waren wie schon bei den Protesten gegen Stuttgart 21 wieder Zehntausende auf den Straßen, um gegen seine Regierung zu protestieren.

Seit dem Wochenende versucht Mappus deshalb zu retten, was noch zu retten ist. Der CDU-Politiker lässt erstmals eine gewisse Kernkraftskepsis durchblicken: Er sei zu allen Diskussionen bereit, sagt er jetzt. Und kündigt eine "unverzügliche, sorgfältige Prüfung möglicher Konsequenzen für Baden-Württemberg" an. Merkels überraschende Aussetzung der Verlängerung der Laufzeiten begrüßte er gestern ausdrücklich als "konsequent, mutig und richtig". Glaubwürdig wirkt er in der neuen Rolle als Skeptiker aber noch nicht. Denn Mappus ist ein Macher, kein Moderator.

In der Kernkraftdebatte hat sich der Pforzheimer Politiker aber auch durch ein Geschäft selbst in die Bredouille gebracht. Die Landesregierung ist quasi selbst Kernkraftwerksbetreiber: Im Dezember kündigte Mappus überraschend an, das Land Baden-Württemberg werde gut 45 Prozent der Aktien des Versorgers EnBW für 4,67 Milliarden Euro vom französischen Versorger Electricité de France (EdF) übernehmen. EnBW betreibt unter anderem den Reaktor Neckarwestheim I, einer der ältesten in Deutschland. So wie Mappus ruderte gestern auch EnBW-Chef Hans-Peter Villis zurück und bot einen "offenen Dialog" über Altanlagen an.

Der EnBW-Deal trug Mappus Kritik ein - und zwar nicht nur von Atomkraftgegnern. Der Einstieg war im Hauruckverfahren am Parlament vorbei durchgezogen worden und hatte zudem ein Geschmäckle. Denn die Investmentbank Morgan Stanley, deren Deutschland-Chef Dirk Notheis ein Freund von Mappus ist, war ohne Ausschreibung aktiv geworden.

Mappus fehlt als Ministerpräsident die nötige Fortune. Selbst sprachliche Bilder glücken ihm nicht. So hatte er beim Protest gegen Stuttgart 21 einst gesagt, dass er das Gefühl habe, es gehe darum, in der Mitte Stuttgarts ein neues Atomkraftwerk zu bauen. Nach der Katastrophe in Japan veränderte er am Wochenende auf einer Wahlkampfveranstaltung dieses sprachliche Bild und redete nur noch von einem Kohlekraftwerk.

Es wird immer brenzliger für Mappus. Eifrig wollte er alle schwierigen Themen vor der Wahl abgehandelt haben: Stuttgart 21, Laufzeitverlängerung und EnBW. Auf unselige Weise holen ihn alle Themen aber wieder ein. Heute muss der Macher ohne Fortune zur Kanzlerin, die alle Ministerpräsidenten zum Atomgipfel ins Kanzleramt geladen hat.

Für den früheren Mittelstürmer des Vereins "Viktoria Enzberg" ist das die vielleicht letzte Gelegenheit, sich taktische Anweisungen für das Wahlkampf-Finale abzuholen.