Die Berichte des Handelsblatt, 25.07.2011

von Jürgen FLAUGER

Unsicher in staatlicher Obhut - Der Spielraum des süddeutschen Energiekonzerns wird immer kleiner

Handelsblatt , 25.07.2011 

Der neue Eigentümer verlangt einen radikalen Strategieschwenk, fordert milliardenschwere Investitionen, wird dem Unternehmen aber zunächst einmal die größten Gewinnbringer nehmen. Der Chef von Energie Baden-Württemberg (EnBW), Hans-Peter Villis, steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Der neue Großaktionär, die grün-rote Landesregierung, fordert den Wandel des Atomkonzerns in ein Vorzeigeunternehmen für erneuerbare Energien. Die Finanzen des Unternehmens sind aber jetzt schon angespannt und werden es durch den Strategieschwenk noch mehr.

Der abgewählte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat Villis einen schlechten Dienst erwiesen, als er Ende vergangenen Jahres überraschend das 45-Prozent-Paket von Electricité de France (EDF) übernahm. Nach dem Regierungswechsel muss sich Villis mit der neuen grün-roten Landesregierung arrangieren. Schwieriger könnten die Rahmenbedingungen für den EnBW-Chef nicht sein.

Die Bundesregierung hat mit ihrem Moratorium nach dem Reaktorunglück von Fukushima die beiden EnBW-Reaktoren Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1 zunächst für drei Monate zum Stillstand gezwungen - und wird sie vermutlich nie wieder ans Netz lassen. Eigentlich müsste sich Villis entschieden für die weitere Nutzung der Atomkraft einsetzen. Mit vier Kernkraftwerken deckt die EnBW schließlich gut 50 Prozent der Stromerzeugung ab - und macht gute Gewinne. Allein das Moratorium kostet EnBW rund 80 Millionen Euro. Bleiben die Reaktoren vom Netz, könnten es zwischen 350 und 450 Millionen Euro sein.

Wenn Villis seinen Job behalten will, kann er aber nur mit halber Kraft für seine Überzeugung kämpfen. Von Neckarwestheim 1 hat er sich schon offiziell verabschiedet, von Philippsburg 1 wohl innerlich. Villis weiß, was seine neuen Eigentümer hören wollen: Er verspricht, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf zwanzig Prozent zu verdoppeln.

Aber das kostet Geld. Rund acht Milliarden Euro. Und das bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen, weil die bisherigen Gewinnbringer ausfallen.

Dem EnBW-Chef bleibt nur die Hoffnung, dass auch die Landesregierung ihre Erwartungen auf einen raschen Strategieschwenk dämpft. Schließlich steckt auch sie in einem Dilemma. Leidet die Ertragskraft des Unternehmens zu sehr, sinken die Dividenden - und die Finanzierung des Einstiegs des Landes bei EnBW ist gefährdet.