Wie die Affäre 'Größenwahn bei EnBW' entstand - eine Chronologie des Aktienrückkaufs

Die Chronologie der Ereignisse rund um das Thema EnBW-Rückkauf

Den Namen "EnBW" (steht für Energieverbund Baden-Württemberg) gibt es erst seit 1998, die Vorläuferbezeichnung "EBW" seit 1997. Entstanden ist der süddeutsche Energieriese durch Fusionen nach und nach mit den badischen und württembergischen regionalen Energieversorgern, z.B. der Badenwerk AG, Karlsruhe, und den Neckarwerken Stuttgart u.a.. Hintergrund dieser Fusion war die von der EU-Kommission vorgegebene Liberalisierung der Energiemärkte in den 90er Jahren, die nach den Vorstellungen der EU-Kommissare in Brüssel europaweit aus der staatlichen 'Leibeigenschaft' entlassen werden und "privatisiert" werden sollten.

Für konservative (Wirtschafts)Politiker eine Steilvorlage: Durch den Verkauf der Unternehmensanteile (z.B. Aktienanteile an den Börsen) kam frisches Geld in die Kassen. Und zwar in erheblicher Größenordnung. Dass man damit weitgehend "Tafelsilber" verscherbelte, machten sich die Politiker damals nicht klar - sie befanden sich im absoluten Geldrausch. Deswegen spielten auch Argumente keine Rolle, die darauf hinwiesen, dass sich mit der Privatisierung von ehemals staatlich administrierten (Energie)Infrastrukturunternehmen auch deren unternehmerische Ziele verändern würden: weg von den Zielen Versorgungssicherheit und kostengünstige Versorgung für die Verbraucher hin zum Ziel hoher Dividenden für die (neuen) Aktionäre.

Gleiches gilt für die 'Konkurrenz'-Unternehmen e.on, RWE und Vattenfall, die eben nicht wirklich als Oligopole konkurrieren, sondern jeweils in ihrem eingestammten Versorgungsgebiet als Quasi-Monopolisten agieren (können). Die seinerzeit von der EU vorgegebene freie Stromanbieterauswahl für die Verbraucher funktioniert nur sehr eingeschränkt.

EnBW ist nach e.on und RWE das drittgrößte Energieversorgungsunternehmen in Deutschland. Mit der (bisherigen) Besonderheit, dass der Atomstromanteil im Jahr 2010 mit über 50% doppelt so hoch lag wie im bundeseutschen Branchendurchschnitt und der Anteil erneuerbarer Energieträger mit 10% unterdurchschnittlich (16%) war.

Dies ist die kompakte Chronologie des südwestdeutschen Energieriesen, der die längste Zeit unter schwarzer Politik agieren konnte und seit 2011 durch eine grün-rote Regierungskoalition geprägt wird. Die "Aktion Größenwahn" fällt zeitlich in die Ägide kurz vor dem grün-roten Wechsel.

2000

Im Januar nach der Jahrtausendwende verkauft das Land Baden-Württemberg unter seinem seit 9 Jahren regierenden Ministerpräsidenten Erwin TEUFEL, CDU, 25,1 % seines noch vorhandenen Aktienanteils an den französischen staatsdominierten Energiekonzern Électricité de France /EdF). Verkaufspreis: 2,4 Milliarden Euro, die in die Staatskasse fließen


2001

Die EnBW, die für die Energieversorgung im "Ländle", sprich Baden-Württemberg zuständig ist, kauft 29,9% der Aktien an den "Stadtwerken Düsseldorf AG"


2003

Ein neuer Vorstandschef hält Einzug bei der EnBW: Utz CLAASSEN - ein sogenannter dynamischer Jungmanager mit Goldkettchen am Handgelenk, der noch hoch hinaus will. 
CLAASSEN, der in seinen 30igern bei der Volkswagen AG in den Abteilungen Finanzen und Controlling gearbeitet hatte, und danach Vorstandschef eines Biotech- und Mechantronik-Unternehmen wurde, sieht bei EnBW, einem der vier großen deutschen Stromriesen, seine Karriere einmal weiter gekrönt: mit Ruhm und einem ausgesprochen ordentlichen Vorstandssalär im Jahr. 2004 wird es über 4 Millionen Euro betragen. 
In seine Amtszeit fallen

  • die Aufstockung der Anteile an den Stadtwerken Düsseldorf auf fast 55% aller Anteile
  • staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Bilanzfälschung, die 2006 eingestellt werden. Kritiker sagen, CLAASSEN wollte das Unternehmen schlecht rechnen, um sich danach als erfolgreicher Sanierer darstellen zu können
  • (sehr) viele Auftritte im Fernsehen, weil er u.a. zusammen mit Jürgen HOGREFE zwei Bücher über Ethik, Energie und Ästhetik publiziert hat und Geschmack an seinen selbstdarstellerischen Fähigkeiten findet. CLAASSEN hat HOGREFE, der bis dahin Redakteur beim Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL war, gleich mitgebracht: als Leiter und "Generalbevollmächtigter" des EnBW-Holdingbereichs "Wirtschaft, Politik und Gesellschaft"
  • und gerichtliche Auseinandersetzungen darum, ob die kostenlose Verteilung von Freikarten für die Fußball-WM 2006 an sechs Mitglieder der CDU-Landesregierung „Vorteilsgewährung“ im Sinne des Strafgesetzbuches darstelle. CLAASSEN kämpft sich hartnäckig durch alle Instanzen und obsiegt letztendlich. Die parallelen Verfahren gegen die fraglichen Politiker enden mit einer Zahlung in Höhe von je 2.500 €

2007

So geräuschvoll CLAASSEN bei EnBW angefangen hat, so geräuschvoll tritt er ab: vorzeitig. Und gegen Zahlung einer außergewöhnlich hohen Frührente für den nunmehr 44jährigen: 400.000 Euro jährlich bis zum Jahre 2026. 
Ob der 7,6 Mio € fürs Nichtstun (400.000 € mal 19 Jahre) ereifern sich dann doch nicht nur die schwäbische Sparerseele, sondern breite Schichten. Es kommt zum Streit vor Gericht, der mit einer Art von gütlichen Einigung endet: einmalig 2,5 Mio € in cash. “Mein Ruhegehalt bewegt sich, gemessen an der absoluten Höhe, im Rahmen des Üblichen. In Relation zum Gehalt ist es sogar unterdurchschnittlich“ , wie CLAASSEN meint. 
CLASSEN wird danach eine Beratertätigkeit beim US-amerikanischen Finanzinvestor Cerberus annehmen („Heuschrecke“). Ab 1. Januar 2010 dann als Vorstandschef bei der Solar Millenium AG in Erlangen anfangen. 2 ½ Monate lang bleibt er, dann kündigt er. Und er kündigt an, für seine 74tägige Amtszeit a) Schadensersatz und b) eine Abfindung in Höhe von 7 Mio € zu fordern, insgesamt über 9 Millionen. Am Ende steht ein Vergleich in etwas geringerer Höhe, aber dafür verklagt CLAASSEN im April 2012 Solar Millenium in den USA: auf Schadensersatz in Höhe von 265 Mio US-Dollar - wegen Rufschädigung durch ehemalige Solar Millenium-Vertreter. 
Inzwischen residiert der Topmanager auf Mallorca, wo er den Fußballclub „RCD Mallorca“ weit nach vorne bringen will. Gleichzeitig wirkt der Topmanager auch in seiner Geburtsstadt Hannover, wo er

  • an der Leibnitz-Uni eine Honorarprofessur für Controlling innehat und
  • „Professor für innovative Unternehmensführung“ an der GISMA Business School ist, wie er in seinem Curriculum Vitae aufführt

2009

Die CDU regiert in Baden-Württemberg nunmehr bereits seit 56 Jahren, mal alleine, mal mit der FDP, zwischendrin sogar mal kurz mit der SPD als Juniorpartner, und immer noch ist der Hunger der EnBW im „Ländle“ nach noch mehr Größe ungestillt: EnBW kauft sich mit 26% an Oldenburger Energiekonzern EWE AG ein. Oldenburg liegt im hohen Norden. Und längst kommt der Strom von EnBW vor allem aus Kernkraftwerken. 
Das allererste AKW, das 1973 in Wyhl am Kaiserstuhl entstehen sollte, in einer der wichtigsten Herkunftsgebiete Badischer Weine, wurde letztlich durch Bürger verhindert. Jetzt stehen die beiden Meiler in Philippsburg am Rhein und in Neckarwestheim, einem traditionellen Weinanbaugebiet im Schwäbischen. 
2009 ist auch das Jahr, in dem sich in Stuttgart und Umgebung - für die politischen Herrscher angeblich unerwartet – immer mehr Protest breitmacht: gegen den geplanten Abriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs bzw. wegen des staatlich gesponserten Großprojekts „Stuttgart 21“


2010

Mehr als 50% beträgt inzwischen der Atomstromanteil bei EnBW – doppelt so viel wie im Bundesdurchschnitt aller Energieversorger. Regenerative Energiequellen hingegen machen ganze 10% aus – deutschlich unter dem deutschen Branchendurchschnitt. 
Auf der politischen Bühne kommt es zum Wechsel: Dem Ministerpräsidenten Günther OETTINGER, CDU und seit 2005 im Amt, winken höhere Weihen – er geht als EU-Kommissar nach Brüssel. Sein Zuständigskeitsgebiet: Energie. 
Für OETTINGER kommt im Februar Stefan MAPPUS. Für ihn wird das Großprojekt der Bahn "Suttgart 21" zur politischen Bewährungsprobe.

MAPPUS gewinnt diese Auseinandersetzung nicht. Am 30. September werden auf einer Großdemonstration durch das harte Vorgehen der Polizei Baumschützer, Kinder und Jugendliche verletzt – die Bilder gehen durch alle Medien und die Auseinandersetzung eskaliert von Monat zu Monat. Äußerst ungünstig für MAPPUS, der sich auf die anstehenden Landtagswahlen im März nächsten Jahres einstellen muss. Denn nicht nur ‚linke Spinner’ meist jüngeren Alters, sondern auch gestandene Landsleute sind unter den Demonstranten. Und die typisch schwäbische Oma vermag sich ernsthaft zu erzürnen, wenn ihre Enkel Opfer staatlicher Übergriffe werden. 
MAPPUS steht unter (Erfolgs)Druck


6. Dezember 2010, ein Montag

Pressekonferenz im Landtag . Ministerpräsident MAPPUS "liebt Überraschungseffekte. Kurzerhand sagt er gestern eine Pressekonferenz der Landesregierung um 12 Uhr ab und bittet dem 'Anlass entsprechend' eine halbe Stunde später in die Lobby des Landtags. Sichtlich stolz stapft er ans Mikro, das seine Leute direkt neben der Reiterskulptur 'il miracolo' - 'das Wunder', vom Mailänder Bildhauer Marini Marino, positioniert haben. 
'Baden-Württemberg übernimmt die Beteiligung von 45,01 der Electricité de France an der EnBW', intoniert Mappus. 'Unser Ziel ist, dass der Energiekonzern nach Daimler, Heidelcement und SAP der vierte Dax-Konzern im Land wird', sagt Mappus, der sich im März der Landtagswahl stellt und sich freut, nach dem Streit um den Bahnhof Stuttgart 21 endlich in die Vorwärtsbewegung zu kommen. Das Land wolle die Beteiligung nur auf Zeit halten und strebe einen Börsengang an. Auch werde den Stadtwerken die Möglichkeit gegeben, sich zu beteiligen. 'Das ist ein Stück moderne Industriepolitik', sagt er stolz."

So beginnt tags drauf der Stuttgarter Redakteur des Handelsblatt , Martin-Werner BUCHENAU, tags drauf seinen ersten Bericht über den Coup von MAPPUS: EnBW wird wieder Staatskonzern
BUCHENAU ahnt, was da auf ihn zukommen könnte: eine längere Geschichte. Denn "Notheis ist ein enger Freund von Mappus. Morgan Stanley dürfte jetzt auch große Chancen haben, sowohl bei der Anleihe als auch beim späteren Börsengang zum Zuge zu kommen. Das Gespann Mappus/Notheis hat perfekt harmoniert," schreibt BUCHENAU.

Und schnell ist auch der Zentralredaktion in Düsseldorf klar: Das wird eine längere Geschichte. Und ebenso schnell ist ein Dreierteam gebildet, zu dem sich der Energieexperte beim Handelsblatt , Jürgen FLAUGER, und der Leiter des "Team Investigative Recherche, Sönke IWERSEN, gesellen


8. Dezember 2010

Bereits einen Tag nach der veröffentlichten Überraschung, die auf allen Wirtschaftsseiten anderer Blätter ganz oben steht, erscheint bereits der zweite Handelsblatt -Artikel, diesesmal von BUCHENAU und FLAUGER: Alte Probleme mit neuem Eigentümer . Darin geht es nicht nur um den von MAPPUS angekündigten Deal,

  • 45% der EnBW-Anteile von EdF
  • und dies für 4,67 Milliarden Euro zurückzukaufen,
  • wobei dies angeblich das "Ländle" keinen Pfennig kosten solle, weil die Zinsbelastung aus den Dividendenerträgen refinanziert werden könne,

sondern auch um einige nicht gut laufenden Geschäfte von EnBW. Die hängen z.B. mit dem Einstieg in den Oldenburger Regionalversorger EWE zusammen


10. Dezember 2010, Freitag

Das neue Dreierteam arbeitet flott. Rechtzeitig zum Wochenausklang erscheint eine erste größere Hintergrundgeschichte über die besonderen Beziehungen zwischen Ministerpräsident MAPPUS und seines Freundes Dirk NOTHEIS, dem deutschen Morgan Stanley-Chef: Zwei Freunde, ein Geschäft


12. Dezember 2010

Für die Montagsausgabe des Handelsblatt machen die drei Journalisten einen "Faktencheck": Zweifel am Milliardendeal . Nicht nur die Opposition im Stuttgarter Landtag steht Kopf, auch die Journalisten haben Zweifel an diesem "Stück moderner Industriepolitik"


13.-15. Dezember

Kaum ein Tag vergeht, an dem die Handelsblatt -Redakteure nicht mit neuen Informationen aufwarten:

  • Der Vergaberechts-Experte, Prof. Dr. Martin DIPPEL, meint, schon wegen des Auftragsvolumens und des damit verbundenen Honorars hätte die Abwicklung des Deals ausgeschrieben werden müssen. Das Honorar für die Investmentbank ist - derzeit - zwar nicht bekannt, aber das Gesetz nennt eine Schwelle: 193.000 Euro. Für dieses (bescheidene) Sümmchen wäre Morgan Stanley wohl kaum bereit, aktiv zu werden.
  • Es stellt sich zudem heraus, dass dieses Geschäft längst unumkehrbar ist und
  • eigentlich auch der Landtag hätte eingeschaltet werden müssen. Die Opposition wirft MAPPUS bereits "Verfassungsbruch" vor.

  Mappus in der Defensive titelt das Handelsblatt


11. März 2011

 Der Tag, der die Welt verändert 

"Das Ende des Atomzeitalters" - orakelt DER SPIEGEL , nachdem die ersten Reaktoren in Fukushima als Folge des Erdbebens und des unmittelbaren Tsunamis explodieren und den GAU auslösen: die Kernschmelze. 

Was gerade unter Konservativen so gut wie niemand für möglich gehalten hätte, geschieht ausgerechnet in jenem Land, 
a) in dem Atomkraft den Hauptenergieträger darstellt 
b) und das als technologisch führend gilt und Zweifel an der Sicherheit und Beherrschbarkeit dieser Technologie deshalb als völlig unbegründet erscheinen. 
Die Realitäten zeigen auch bei den deutschen "Konservativen" und ewig "Liberalen" Wirkung. Die schwarz-gelbe Bundesregierung kündigt - indirekt - Überlegungen bzw. objektive Überprüfungen eines Austiegs aus dem Austieg des von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Austiegs an. Erst vor kurzem hatte sich Schwarz-Gelb entschlossen, Laufzeitverlängerungen für AKW's zu genehmigen, um im Gegenzug von den absehbaren Mehrgewinnen profitieren zu können: in Gestalt einer Brennelementesteuer. Jetzt kann man die absolute Sicherheit und Ungefährlichkeit selbst moderner AKW-Technologien niemandem mehr verkaufen. Ein Ausstieg aus dem Wiedereinstieg (= Ausstieg aus dem Ausstieg) in Deutschland scheint nicht mehr ausgeschlossen


17. März 2011

Wenige Tage nach dem Fukushima-GAU und wenige Tage vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg haben ausgewiesene Kernkraftbefürworter wie Stefan MAPPUS, die sich nicht mit ernsthaften Argumenten auseinandersetzen wollen, schlechte Karten. Sein "Stück moderner Industriepolitik" , die Übernahme eines 45% Aktienanteils an dem Atomenergiekonzern EnBW wird nach und nach obsolet. Durch die politisch verfügte Abschaltung von 7 AKW'S, darunter die EnBW-Meiler Neckarwestheim I und Philippsburg I, schmilzt nicht nur der Aktienkurs dahin, sondern auch die bis dahin rosigen Gewinnaussichten, wie das Handelsblatt sinniert: EnBW wird zum Abenteuer


27. März 2011

Landtagswahl in Baden-Württemberg

In bisher schwarzen "Ländle" setzt sich ein politischer Paradigmenwechsel durch. Nicht nur, dass Schwarz-Gelb abgewählt wird. Bemerkenswerter sind die neuen Kräfteverhältnisse: die neue Koalition ist grün-rot (und nicht rot-grün) aufgestellt. Der erste grüne Ministerpräsident in Deutschland heißt Winfried KRETSCHMANN - ein bodenständiger Schwabe, Lehrer von Beruf, praktizierender Katholik, aber offen für Argumente und neue Ideen


August, September 2011

EnBW muss(te) im ersten Halbjahr einen Verlust von über 600 Mio €, mehr als eine halbe Milliarde verkraften - immerhin sind 2 ihrer 4 AKW's abgeschaltet und inzwischen ist auch der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg politisch endgültig besiegelt. Zudem rächt sich die aggressive Expansionpolitik des Konzerns und seiner Manager. Die hatten drei Jahr zuvor für einen 26%igen Aktienanteil an dem Oldenburger Regionalversorger EWE 2,1 Mrd. € bezahlt. Ihre Hoffnung: dadurch die Kontrolle an dem ostdeutschen Gasgroßhändler "Verbundnetz Gas (VNG)" zu erlangen. Dagegen sperren sich aber alle anderen VNG-Aktionäre. Jetzt will EnBW eine Kapitalerhöhung - auch um die jetzt angesagte Energiewende finanziell stemmen zu können


Oktober 2011

Die von der grün-roten Landesregierung angestrengte Klage wird am 6. Oktober vor dem Baden-Württembergischen Staatsgerichtshof entschieden. Die Verfassungshüter bestätigen in ihrem Urteil (Az GR 2/11), dass das EnBW-Geschäft verfassungswidrig war. MAPPUS hätte in jedem Fall das Parlament einschalten müssen:

  • weder eventuelle "Gründe der Geheimhaltiung"
  • noch die geforderten "Bedingungen eines Vertragspartners"
  • noch die Berufung auf das "Notbewilligungsrecht"

können das Budgetrecht des Parlaments außer Kraft setzen. 
Der seinerzeit zuständige Finanzminister Willi STÄCHELE, CDU, der den EnBW-Deal finanziell und organisatorisch betreut hatte und jetzt als Präsident dem Landtag vorsitzt, zieht die Konsequenz: Er tritt zurück. Strafe für Mitläufer titelt der Stuttgarter Handelsblatt -Redakteur Martin-Werner BUCHENAU


14. Oktober 2011

Die Handelsblatt-Redakteure machen sich auf die Suche: nach dem Rechtsgutachten der Kanzlei GLEISS LUTZ, auf das sich STÄCHELE und MAPPUS berufen - die Anwälte, Experten auf ihrem Gebiet, hätten das praktizierte Vorgehen juristisch 'abgesegnet'. 
Die Redakteure treiben die geheim gehaltene Expertise auf und wundern sich:

  • das "Gutachten" besteht aus ganzen 6 Seiten
  • und trägt das Datum vom 15. Dezember 2010. Der Deal wurde indes am 6. Dezember bekannt gegeben. Wurde das Gutachten erst nach der groß aufgemachten Ankündigung der "modernen Industriepolitik" ausgestellt? Etwa als Reaktion auf die kritischen Handelsblatt -Berichte?

Alles in allem: ein zweifelhaftes Gutachten meinen die Redakteure


20. Oktober 2011

Aktion Größenwahn nennt dasHandelsblatt inzwischen den ganzen Deal: Das Geschäft erweist sich inzwischen als "Milliardengrab". 
Und in einer zweiseitigen Übersicht zeigen die Journalisten auf, was sich alles von MAPPUS' Argumenten und Prognosen nicht bewahrheitet hat:

Hier lässt sich der Text ohne Layout lesen: Wahrheit a la Mappus 

Inzwischen liegen bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft bereits mehrere Anzeigen wegen Untreue vor - die Staatsanwälte zögern. Als eine Anzeige einer Kollegin, sprich Staatsanwältin aus Bayern eintrifft, wird der Druck zu handeln, größer. "Jede andere Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stuttgart als die der Aufnahme von Ermittlungen würde auf Unverständnis stoßen und an Strafvereitelung im Amt grenzen," meint die bayerische Kollegin unmissverständlich


November und Dezember

Der frühere Einstieg von EnBW bei der norddeutschen EWE erweist sich immer mehr als schlechter Deal: Die restlichen EWE-Aktionäre fordern die Rückgabe des 26%igen Aktienpakets an EWE, weil diese Option seinerzeit so vereinbart worden sei, wenn sich bei EnBW die Eigentümerverhältnisse ändern. Dies ist durch den neuen Aktionär in Gestalt des Bundeslandes Baden-Württemberg geschehen. Der Rückkaufspreis soll allerdings deutlich unter dem damaligen Kaufpreis liegen. MAPPUS müsste von diesem Zusammenhang eigentlich gewusst haben, meinen die Handelsblatt -Redakteure: Wann kannte Mappus die Risiken?

Jetzt interessiert sich auch der Landesrechnungshof für das Stück moderner Industriepolitik" und will eigenständig prüfen, ob der hohe Kaufpreis gerechtfertigt war. 

Aufgrund der negativen Schlagzeilen verändern sich auch die Pläne von Stefan MAPPUS. Ursprünglich wollte er - nachdem politisch in der Wahl geschlagen - für das Darmstädter Pharmaunternehmen Merck nach Brasilien gehen: als Manager bzw. Brasilien-Chef. MAPPUS merkt selbst, dass dieser Traum ausgeträumt ist. Er will dem renommierten Unternehmen persönlich keine Imageprobleme machen. 

Und bevor das Jahr zu Ende geht, wollen es nun auch die Parlamentarier wissen: GRÜNE und SPD bringen einen Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum "EnBW-Deal" ein. In dem müssen jetzt alle Beteiligte - wie vor Gericht - aussagen. Und dabei die Wahrheit sagen


30. Januar 2012

"Die Unterlagen lesen sich wie der Stoff für einen Wirtschaftskrimi", meint Martin-Werner BUCHENAU, der Stuttgarter Handelsblatt -Redakteur, gleich zu Beginn seines Artikels Codewort "Olympia". Er zitiert aus einem Bericht der (neuen) Landesregierung zum EnBW-Deal. Den gibt es in zwei Fassungen:

  • einen, der in den öffentlichen Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses behandelt werden darf
  • sowie einen, den die Parlamentarier nur hinter verschlossenen Türen lesen dürfen. Die Investmentbank Morgan Stanley macht das, was alle Unternehmen immer machen, wenn sie vor Transparenz ihrer Geschäftspolitik Angst haben: sie deklarieren einfach alles als "Geschäftsgeheimnisse".

Egal wie: In beiden Version steht, dass die von MAPPUS und seinem Morgan Stanley-Freund NOTHEIS einegeschaltete Kanzlei GLEISS LUTZ erst ab 25. November 2010, also etwa 10 Tage vor Abwicklung und Bekanntgabe des Deals, 'beraten' hatte. Deren erste Einschätzung war zudem, dass MAPPUS dazu das Parlament einschalten müsse. 
Warum MAPPUS den Deal aus dem gesamten Regierungsapparat ausge-sourct hatte, kann die Landesregierung in ihrem Bericht nicht ergründen - sie findet kaum Unterlagen zu dem knapp 5-Milliarden schweren Vorgang


ab Februar 2012

Ab jetzt tagt der Parlamentarische Untersuchungsausschuss: die Gelegenheit, dass die dort geladenen Zeugen Antworten auf die vielen offenen Fragen geben können (und wollen). 

Aktuelle Informationen über die jeweiligen Tagesordnungen finden sich auf der Homepage des Landtages . Die Sitzungen sind (ersteinmal) bis Mitte Juli 2012 terminiert


danach

Für das Handelsblatt und die recherchierenden Journalisten ist das Thema noch längst nicht vom Tisch. Am 20. März lautet der Titel:

Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt wegen 120 Millionen Euro, die offenbar in Russland verschollen sind. Ergebnis einer anderen Aktion von ehemaligen EnBW-Managern, die bereits vor Stefan MAPPUS Tendenzen zum "Größenwahn" aufzeigen:

Ungeachtet dessen und unabhängig davon, was die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu Tage fördern werden: 

EnBW wird nicht EnBW bleiben. Die grün-rote Regierungskoalition will die Chance nutzen, die auf Bundesebene verkündete Energiewende auch im eigenen "Ländle" zielgerichtet voranzutreiben. Durch

  • Umstellung auf die vorrangige Nutzung regenerativer Energieträger
  • neue Pumpspeicherkraftwerke
  • und natürlich die Nutzung der sogenannten Energieeffizienz.

So gesehen war der Rückkauf von 45% der Anteile an EnBW im nachhinein eine sinnvolle Entscheidung, auch wenn

  • der Kauf möglicherweise überteuert war, was der Untersuchungsausschuss klären will
  • und seinerzeit ganz andere Motive im Vordergrund standen.

Die mit dem Umbau eines Atomenergiekonzerns zum gründen Energieversorger notwendige Kapitalerhöhung wird wohl kommen. Die Landesregierung ist sich mit dem ebenfalls mit 45% beteiligten Großaktionär OEW einig, dass der regenerative Umbau sinnvoll und notwendig ist.

"OEW" steht für Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke , an dem mehrere Landkreise im Südschwäbischen beteiligt sind: Ravensburg, Alb-Donau-Kreis, Bodenseekreis, Biberach, Zollernalbkreis, Rottweil, Sigmaringen, Reutlingen und Freundenstadt. 
Ziel des 1909 gegründeten OEW: die "gemeinnützige Versorgung ihrer Bezirke mit Elektrizität unter Ausschaltung von Einzel- und Privatinteressen"


Zukunft

EnBW hat sich auf diesen Wechsel zu einer nachhaltigen Energiepolitik bereits eingestellt:


(JL)