Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 13.05.2010

"Betrug oder was? Komm, wir machen halbe/halbe" - Millionenfalle 36

Das Paradies kann für Geschäftsleute dort liegen, wo sie keine Pflichten haben. Keine zur Buchführung, keine zur Bilanzierung, keine zur Rechnungsaufbewahrung, erst recht keine Versteuerung von im Ausland erzielten Gewinnen. Vereinfacht: Zum eigenen Vorteil machen, was man will. Folgt man Internet-Angeboten, lässt sich für 990 Euro ein Rund-um-sorglos-Paket buchen zur Gründung einer sogenannten LLC (Limited Liability Company). Das garantiert dann auch "keine Betriebsprüfung". Für die Daseinsberechtigung einer Scheinfirma reichen: Name, Konto, Briefkasten. Dieses Paradies liegt nicht in Luxemburg, in der Schweiz oder auf den Cayman-Inseln, sondern, aller amerikanischen Polemik gegen Europas Steueroasen zum Trotz, in den USA. Der US-Bundesstaat Delaware steht im Welt-Ranking der Steuervermeidungskünstler ganz oben, berichtet eine Studie des in London beheimateten "Netzwerks für Steuergerechtigkeit".

Vor allem Schurken aus Osteuropa und Drogenbosse aus Südamerika, so die US-Bundespolizei FBI, waschen in Delaware-LLCs ihr Schwarzgeld. Die Financial Action Task Force der US-Regierung berichtet von 130 000 neuen "Briefkästen" pro Jahr in Delaware, das eingezwängt zwischen Pennsylvania, New Jersey und Maryland auf einem Landzipfel der Ostküste liegt - eine stolze Zahl für den Mini-Bundesstaat, so groß wie Ostwestfalen-Lippe. Der Bogen reicht bis an den Rhein, wo beim Treiben rund ums World Conference Center Bonn (WCCB) nichts mehr überrascht. Auch der WCCB-Investor ist ein Kind Delawares und nur eine dieser 130 000 Firmen.

Die SMI Hyundai Corporation hat ihren Sitz in Reston/Virginia, ist aber in Delaware gemeldet. Ihr Vertreter und weltweiter Türöffner Man-Ki Kim, rhetorisch wie psychologisch mit allen Wassern gewaschen, steigt in Bonn zum unumstrittenen WCCB-Hoffnungsträger auf. Viel Handfestes über bisher vollendete Projekte weist er nicht auf. Wer genau hinschaut, kann sehen, dass die vermeintliche Hyundai-Globalität von Dubai über Irak bis Libyen nur in akkuraten Zeichnungen auf der Homepage daherkommt. Kim kann schon rein zeitlich nicht mehr vorweisen, denn Bonns Shooting-Star mit dem Delaware-Briefkasten wurde erst im Dezember 2004 gegründet.

Kims Strategie läuft, nicht nur in Bonn, darauf hinaus, als Investor bei Infrastrukturprojekten den Zuschlag und so den Zugriff auf viele öffentliche Millionen zu erhalten. Kim taktiert in einigen Erdwinkeln gleichzeitig. Doch auch die "Gegenseite" hat Regeln, einen Spielplan: Ein Staat, ein Land oder eine Kommune gibt erst öffentliches Geld frei, wenn der Investor eigenes Geld in ein Projekt eingebracht hat. Überall benötigt Kim als Eintrittskarte irgendwann Eigenkapital, meist in zweistelliger Millionenhöhe. Und dieser Tag X naht immer dann kulturübergreifend, nachdem die Überzeugungsphase mit Hochglanz-Präsentationen und Charming-Tamtam erfolgreich abgeschlossen ist.

Je mehr Eintrittskarten Kim lösen kann, desto mehr wächst sein Spielgeld-Volumen, aus dem heraus sich "Eigenkapital" hin- und hertransferieren lässt. Mit dem man beim nächsten Deal wedeln und Bonität vortäuschen kann. So spielt der windige Koreaner überall den "dicken Max". Stammt das erste Eigenkapital, mit dem er Sparkasse und Bonner Rathaus beruhigt, aus dem Irak oder Dubai? Oder hat er es sich privat geliehen, vielleicht von seiner vermögenden Frau Worl mi Park? Wer will das prüfen? Weil Kim nicht nur Bonn überzeugt, dreht er bald ein Riesenrad und gerät weltweit in pausenlosen Ausredestress (siehe Millionenfalle, Teil 35). Häufig gestellte Frage an Kim: Warum ist das Geld noch nicht da? Aber seine Fantasie rettet sein Kartenhaus-Imperium immer wieder.

In Bonn soll er mit Baubeginn 40 Millionen Euro Eigenkapital vorweisen, davon 10 Millionen vor dem Spatenstich. Am 7. Februar 2006 erhöht die UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC) ihr Stammkapital auf 3 Millionen. Am 8. März 2006 wird der Projektvertrag zwischen Stadt Bonn und UNCC/SMI-Hyundai notariell beurkundet. Am 27. Juni 2006 erhöht die UNCC ihr Stammkapital auf 10 Millionen, wie im Projektvertrag gefordert. Somit kann am 3. November 2006 vertragskonform der WCCB-Spatenstich erfolgen. Dass die Stadt später in geheimer Mission und am Stadtrat vorbei von der 11. bis zur 30. Eigenkapital-Million bürgt, ist inzwischen Wissen.

Der brisante Bericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) beschäftigt sich ausführlich mit der 1. bis 10. Million und erhellt, gepaart mit allen Millionenfalle-Folgen, nicht nur große Zusammenhänge, sondern weitere, schmerzhafte Fakten für Bonn. Am 12. Februar 2007 verlangt die Sparkasse, bevor sie den Kredit an Kim auskehrt, vom Städtischen Gebäudemanagement (SGB) als WCCB-Projektcontroller den Nachweis, dass der Investor tatsächlich 10 Millionen Euro Eigenkapital in das WCCB-Projekt eingebracht hat. Das RPA bemerkt in nüchternem Amtsdeutsch: "Ein Nachweis kann dabei unseres Erachtens nur geführt werden, wenn belegbar dargestellt wird, dass die Kosten vorhabenbezogen sind. Dies erfordert die Vorlage von Rechnungen, aus denen die Projektbezogenheit hervorgeht."

Auf 475 Seiten begeben sich die Prüfer ins "Auge des Hurrikans", der eine Sanddüne, den Bonner WCCB-Millionenberg, verwirbelt und die Sandkörner in alle Richtungen bläst. Zweistellige Millionenbeträge verschwinden. Die Prüfer verfolgen jedes Sandkorn und erkennen dabei ihre Stadt nicht mehr wieder. Diese haftet beim WCCB für viele Millionen der Sparkasse, die wiederum die sachgerechte Verwendung ihrer Gelder über das stadtassoziierte SGB kontrollieren lässt. Es ist eine Stadt, die die Buchstaben der Gesetze und Verordnungen im Alltag konsequent anwendet, jedes Fünf-Euro-Bußgeld ihrer Bürger eintreibt oder beim privaten Carport-Bau zentimeterweise Genauigkeit praktiziert. Nur wenn diese Stadt die Verwendung von Steuerzahler-Millionen kontrolliert, ist alles anders. Sie toleriert, akzeptiert, duldet und macht Häkchen an Beträge, für die keine Rechnungen vorgelegt werden. Der SGB-Stempel "sachlich und rechnerisch richtig" saust geradezu fahrlässig im Stakkato nieder und besiegelt - letztlich - die eigene Ausplünderung.

Termiten erkennen aggressive Rivalen zuweilen am vermeintlich unscheinbaren Kaugeräusch. Menschen können am Umgang mit unbedeutenden Kleinstbeträgen bei einem Millionenprojekt erkennen, mit wem sie es zu tun haben. Eine "baurelevante" Rechnung: Tetris-Gewinnspiel für 892,50 Euro - "sachlich und rechnerisch richtig". Der Bauherr UNCC (UN Congress Center Bonn GmbH) reichte dieselbe Rechnung, so das RPA, gleich zweimal ein. Zwei Mini-WCCB-Skandale in einer Rechnung. Immerhin lag sie vor. Meist erhält das SGB nur Listen mit Stichworten und Beträgen, die überwiesen werden sollen - und dann auch überwiesen werden. Kurzum: Hyundai und Konsorten praktizieren in Bonn das "wilde Delaware".

Die RPA-Prüfer erklären die Bedeutung des Stempels "sachlich und rechnerisch richtig". Vereinfacht: Für eine "sachliche" Prüfung braucht es Verträge. Was wurde vereinbart? Wurde nach Vertrag abgerechnet? "Rechnerisch" bedeutet lediglich die richtige Anwendung der Grundrechenarten. Da das alles meist fehlt, hätte das SGB den Stempel im Schrank lassen müssen. Statt dessen wurden, so das RPA, Phantom-Rechnungen freigestempelt und Millionen verblasen, die heute fehlen und die Stadt vermutlich bald schnurstracks in den Nothaushalt führen.

Der Hurrikan "Hyundai" wäre im Februar/März 2007, als die Sparkasse Nachweise für die sachgerechte Verwendung des Eigenkapitals reklamierte, noch zu stoppen, der Schaden beherrschbar gewesen. Der Mail-Verkehr in diesem Zeitraum verrät, dass die Nervositätskurve wieder steigt. Und Kim und Helfershelfer aktivieren alle Kreativität, um irgendwie nachzuweisen, dass die UNCC in der Projekt-Anfangsphase 10 Millionen Euro aus Eigenmitteln verbraucht habe.

Das RPA findet beim SGB meist nur Kostenaufstellungen. Dienstleistungen haben danach erbracht: SMI Hyundai Europe GmbH (Baufirma), SMI Hyundai Corporation, SMI Hyundai Global Mission Support, dazu WHK Greenwoods, eine Firma namens AWG und Namen aus Kims Helferschar: Sein Rechtsanwalt Dr. Ha-S. C. ist dabei, auch Bonns ehemaliger InvestorenauswählerMichael Thielbeer. Das RPA bemerkt sinngemäß: alles Vertraute von Kim. "Darüber hinaus fällt auf, dass bei den Vorbereitungskosten Firmen genannt und abgerechnet werden, die im weiteren Verlauf des Projektes nicht mehr vorkommen." Das SGB testiert bloß lapidar: "Die Kostenaufstellung ist inhaltlich nachvollziehbar und dem Projekt zuzuordnen." Die RPA-Prüfer tauchen in die Tiefe: Die Kanzlei Dr. Ha-S. C. hat für März 2006 rund 980 Stunden à 300 Euro abgerechnet. Ein Monat hat 30 Tage, ein Tag 24 Stunden, aber Rechtsanwälte müssen offenbar nie schlafen. Fazit des RPA: "Dies halten wir für unwahrscheinlich." Trotzdem macht das SGB sein Häkchen. Thielbeer, inzwischen zu Hyundai gewechselt, führt sogar Bruttobeträge (inklusive Mehrwertsteuer) als Eigenkapitalnachweis an, obwohl jede GmbH, also auch die UNCC, die bezahlte Mehrwertsteuer zurückerstattet bekommt. Die RPA-Prüfer halten das für "dreist".

Kims "Berater" Woong Yung An (AWG) erhält vertragsgemäß 20 000 Euro pro Monat. Wer ist Mister An? Der bekam von Kim die Leitung der Hyundai-Libyen-Projekte im Vorhof der Sahara (siehe Millionenfalle, Teil 21) zugeschanzt. Das steht so auch in Ans Vertrag: Libyen, Bonn, Nord-Irak. Etwas leichtsinnig, das so einzureichen. So wird deutlich, dass Kim fremde Projekte mit WCCB-Geld bezahlte. Egal: Das SGB-Häkchen steht. Auch hinter 586 000 Euro für "Security". Fraglich sei, so das RPA, "wie sich zu Beginn eines Projektes Sicherheitskosten von knapp 600 TEUR ergeben können". Die Regel "Kleinvieh macht auch Mist" kennen auch die Südkoreaner: So werden die Baumrodungskosten (38 368,30 Euro) gleich zweimal abgerechnet, die für den Bauzaun ebenfalls. "Doppelt abgerechnet" wird vieles, selbst Siebenstelliges, etwa von Hongs Baufirma SMI Hyundai Europe (Berlin). Einige Rechnungen wurden, stellt das RPA fest, bereits vom "Konto Landeszuschuss" bezahlt.

Am 20. März 2007 fliegt ein SGB-Mitarbeiter nach Berlin, um Hongs Aktivitäten im Rahmen des Eigenkapital-Nachweises zu prüfen. Der dazugehörige Vermerk:

Getippt: "Eigenkapital 10 Mio." Dahinter handschriftlich: "Sack Kartoffeln - oder was?"

Getippt: "12 Mio. testieren - Netto-Testat - Brutto ausweisen." Dahinter handschriftlich: "Betrug oder was?"

Getippt: "Papierform an Sparkasse." Dahinter handschriftlich: "Achtung: Wer schreibt, der bleibt."

Getippt: "Zahlungsströme checken." Dahinter handschriftlich: "Komm, wir machen halbe/halbe."

Das Handschriftliche provoziert Fragen: Hat der Mann noch alle Tassen im Schrank oder was? Ist er korrupt? Oder weiß er, dass er sich in einem korrupten Spiel der Gegenseite befindet und muss auf Geheiß "von oben" alles dulden? Der SGB-Prüfer hält sich laut Reisekostenabrechnung sechs Stunden in Berlin auf, führt Besprechungen und prüft stichprobenartig ganze vier Belege. Danach meldet er der Sparkasse, Hongs Firma sei "gut aufgestellt".

Kim und Co. haben einen bunten Eigenkapital-Strauß von 13,5 Millionen komponiert. Das RPA seziert das Fantasy-Werk und resümiert: "Da bleibt bei näherer Betrachtung nicht viel übrig." Plausibel seien nur "rd. 2,5 Millionen Euro". Und: "Ohne das Testat des SGB hätte Herr Kim weitere 10 Mio. Euro beibringen müssen." Später, nach dem Testat, wird das SGB noch einmal nachfragen bei Hong und Thielbeer, aber die versichern, dass alles okay sei. Da fragt sich das RPA: "Unklar ist, warum die Kosten zuerst testiert und danach hinterfragt werden." Fazit nach dem RPA-Report: Kim trat in Bonn tatsächlich, wie in der "Millionenfalle" vermutet, als Null-Euro-Mann an. Selbst die ersten 10 Millionen zeigte er nur vor, um sie dann mit Luftrechnungen zurückzuholen.

So kommt Kim letztlich an die Herrschaft über rund 100 Millionen Euro öffentlicher Gelder. Die Baukräne drehen sich, die Lkws spucken Beton, das Zukunftsprojekt beginnt zu wachsen, es wird nur ein bisschen viel umgeplant. Zumindest auf dem Papier. Und Umplanungen sind kosten- und zeitintensiv.

Mag das SGB Hongs Baufirma als "gut aufgestellt" bezeichnen: Auf der Baustelle geht es, wie in Teil 20 der "Millionenfalle" berichtet, drunter und drüber. Auf die SGB-Häkchen ist indes Verlass. So kann Meister Hong für die Projektsteuerung 216 000 Euro pro Monat (statt 180 000, wie vereinbart) abrechnen, später 288 000 Euro pro Monat (statt 240 000, wie vereinbart).

Rund ums WCCB ist die Zahlungsmoral zunächst bestens. Alles läuft glatt, manchmal nur nicht zügig genug, weil Kim ein globaler Pendler ist. Ob das der Grund ist, warum der Geschäftsführer des Bauherrn (UNCC) einmal so (wie in Verträgen) unterschreibt und manchmal wie nachfolgend und damit völlig anders, kann das RPA nicht aufklären.

Mehr als 250 Nachunternehmer sind auf der Großbaustelle unterwegs. Die Handwerker sind zufrieden. Auch etwas verwundert. "Alle unsere Rechnungen wurden anstandslos und ohne Korrektur oder Nachfragen bezahlt", erinnert sich einer gegenüber dem GA. Das ist deshalb ungewöhnlich, weil eine Baustelle auch ein Basar ist. Man versucht in der Regel, hier und dort Rechnungen großzügig aufzurunden. Wird nachgefragt oder abgelehnt, kommen fadenscheinige oder richtige Begründungen. Nach einschlägigen Studien liegt der Korruptionsindex in keiner Branche höher als im Baugewerbe.

Das lasche Prüfgebaren und die Neigung zur Selbstbedienung leeren die Baukasse im Schweinsgalopp. Alles mündet schließlich in eine dubiose, ungeahnte Baukostenexplosion. Der pensionierte Stadtdirektor und als WCCB-Projektleiter reaktivierte Arno Hübner wittert großes Ungemach bereits am 6. Februar 2008. Er beschäftigt sich mit Untergangsszenarien. Er mailt an seine Kollegin, die Projektbeauftragte Eva-Maria Zwiebler: "Es muss ein Imageschaden vermieden werden, der sicherlich zu bundesweiten Schlagzeilen führen würde. Der Heimfall sollte erst geltend gemacht werden, wenn die Lösung für die weitere Bau- und Betriebsphase gefunden ist." Auch das SGB ist im Bilde. In einem Schreiben von Chef-Controller Friedhelm Naujoks taucht das Wort "Insolvenzverschleppung" auf. Es geht hin und her, während die Verlautbarungen des Presseamts einen dicken Teppich über die Skandal-Baustelle rollen. Tenor: Alles läuft rund.

Aus dem Sachstandsbericht der Projektgruppe vom 27. Oktober 2008: "Aufgrund der Baukostensteigerung ist das Projekt nicht mehr wirtschaftlich zu rechnen." Die Sparkasse errechnet Anfang 2009 "neue Kosten von ca. 210 Mio. Euro". Der Stadtrat hat einmal (Ende 2005) 139 Millionen beschlossen. Im SGB mailt man sich am 2. Februar 2009: "Jetzt kommt Druck auf den Kessel." Wilfried van Forst, Leiter des Referats für Grundsatzangelegenheiten im Rathaus, mailt am 12. Februar 2009 an die Mitglieder der Projektgruppe: "Ich habe das Thema eben mit der OB (Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann/ Anm. d. Red.) besprechen können. (...) Wie besprochen, sollte die Politik nach Karneval informiert werden." Wieder die SGB-Prüfer am 25. März 2009 unter sich: " (...) das Schreiben von Frau Zwiebler an Herrn Dörrenberg (Sparkasse KölnBonn/Anm. d. Red.) ist aber eher ein hilfloses Flehen als eine Lösung. (...) Die Frage ist doch, ob die Sparkasse die Finanzierung sicherstellt. Aber auch das verschafft uns nur Luft für max. 1,5 Monate. Ob die OB eine nicht gesicherte Order an die Sparkasse gibt und die Verantwortung dafür auf ihre Kappe nimmt, ist für mich fraglich."

Dass der WCCB-Dampfer sinkt, hat Hong längst gewittert. Jeder ist sich selbst der nächste: "In 2009 ging er dazu über, im Voraus abzurechnen. So rechnete er Leistungen für April bereits am 2.3.09, für Mai am 30.3.09, für Juni am 4.5.09 ab", schreibt das RPA. Die für ihn arbeitenden Handwerker lässt Hong in die Röhre schauen. Schließlich bewilligt der Stadtrat im Mai 2009 frische 30 Millionen, wovon jedoch (siehe Millionenfalle XXXII/XXXIV) nur ein Teil die Baustelle am Leben hält. Dem Rat wird das Geld mit abenteuerlichen Begründungen abgeluchst. Ein Vier-Sterne-Hotelzimmer im WCCB kostet jetzt 26 566 Euro, normal wären 9 000 bis 11 000.

Ein eigenes, brisantes und nicht aufgeklärtes Kapitel bildet der städtische Marketingzuschuss von einer Million Euro pro Jahr an die WCCB-Betreibergesellschaft. Das Thema könnte mit allen Verwicklungen weiter reichen, als man heute glaubt. Hier prüft die "städtische" Projektgruppe selbst. Ebenfalls mit der unkritischen Häkchenmethode. Weiter geht es ins Dezernat II (Finanzen) "mit der Bitte um Auszahlung". In Dezernat II sitzt Abteilungsleiter Horst Gehrmann, der offenbar nicht eingeweiht ist, dass beim WCCB andere Spielregeln gelten. Er erklärt sich, so das RPA, "mit der Art und Weise der Prüfung nicht einverstanden". Gehrmann bemängelt: "Bei den Marketingzuschüssen fehlen die Originale der Rechnungen mit dem Vermerk sachlich und rechnerisch richtig." Dann bohrt er: "Ich habe auch Detailfragen, z.B. werden monatlich hohe Personalkosten (Agentur und Beratung) in Rechnung gestellt. Was verbirgt sich genau dahinter? (...) Da mich auch kleinere Beträge interessieren, frage ich, wer die Anzeige in der Karnevals-Festschrift Wiesse Müüs empfohlen und freigegeben hat." Dann wird er deutlich: "Ich bin mir nicht sicher, ob der Bogen damit überspannt wird (es handelt sich schließlich um Steuergelder)."

Ein Millionenprojekt mit vielen Abrechnungslisten und vielen unkritischen Häkchen: Da läppert sich einiges zusammen, was man als "Zusatzgewinn" bezeichnen kann oder später als "Darlehen" in Delaware oder Dubai, wie von Insolvenzverwalter Christopher Seagon ermittelt, landet. Oder auch wieder in Bonn oder anderswo. Spezialisten sind auf der Spur. Rechtsmediziner kennt der Zuschauer aus Krimis, wenn sie bei Leichen nach der Todesursache fahnden. Aber es gibt diese Spezialisten auch fernab von Gift und Einschüssen. So hat Seagon einen sogenannten Forensiker beauftragt, gewissermaßen einen Spürhund für verschwundenes Geld. Wo ist es?