Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 26.11.2009

Der Lybien-Faktor: Die Millionenfalle, Teil 21

Die Homepage www.smihyundai.com ist eine professionelle Angelegenheit. Imposante Bauwerke, futuristisch illuminiert, blenden sich ein und aus und suggerieren: Voilà, hier werkeln Meister ihres Fachs. Es wimmelt vor Prominenten und Projekten. Der Konzern scheint überall zu bauen: Vereinigte Arabische Emirate, Irak, Libyen, Vietnam, Angola - und seit einigen Jahren wirbt man hier auch mit dem "World Conference Center Bonn" (WCCB). Der oberflächliche Betrachter könnte meinen, SMI sei gar Vater der Beethovenhalle. Ansonsten: UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon, Bundeskanzlerin Angela Merkel - alle geben sich beim WCCB die Klinke in die Hand. Aktualisierung ist eher unerwünscht. SMI schmückt sich via WCCB eigentlich mit einem Desaster, aber wer weiß das schon in der großen, weiten Welt? Zu den Nachteilen des Internets gehört, dass jeder im seriösen Outfit (fast) alles behaupten und der Schein potenziert werden kann.

Der ehemalige SMI-Hyundai-Präsident Man-Ki Kim hatte auch in Bonn auf die Macht der Worte, Bilder und Suggestionen gesetzt - und den Investoren-Wettlauf gewonnen. Er erscheint widersprüchlich: Vor der Startlinie eines Projekts entwickelt er Vollkasko-Mentalität, dahinter gebärdet er sich als Hasardeur. So hat er sich, um ganz sicher zu gehen, mutmaßlich mit unlauteren Mitteln seinen eigenen Rückenwind im Bonner Investoren-Auswahlverfahren verschafft. Danach produzierten er und sein Team beim WCCB eine bis heute weitgehend ungeklärte Baukostenexplosion von rund 60 Millionen Euro, was letztlich drei Firmen in die Insolvenz trieb. Eine bisher kaum beachtete Spur rückt nach GA-Informationen immer mehr in den Fokus: Kims Libyen-Beziehung.

Hintergrund: Das nordafrikanische Land war nach Anschlägen, unter anderem auf eine PanAm-Maschine 1988 über dem schottischen Lockerbie, in den terroristischen Dunstkreis geraten und mit einem internationalen Waffenembargo und zahlreichen Sanktionen abgestraft worden. Nach Milliarden-Kompensationszahlungen an Opfer und Hinterbliebene und der Vernichtung von chemiewaffenfähigen Bomben wurde "Revolutionsführer" Muammar al Gaddafi wieder Teil der Staatengemeinschaft und darf Erdöl exportieren. So verdiente Milliarden wollte Gaddafi umgehend in Infrastruktur-Projekte investieren, was wiederum Aufträge für andere Länder bedeutet. Es überrascht nicht, dass eines Tages auch der auf öffentliche Investitionen spezialisierte Kim in Tripolis landete.

Während Kim am Rhein als "Glücksfall für Bonn" gefeiert wird, hat er bereits Libyen im Visier. Der Südkoreaner wird 2006 Geschäftsführer der UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC), die das WCCB errichten soll, und damit Herr über rund 100 öffentliche Millionen Euro; zudem wird Kim Geschäftsführer der SMI Hyundai Management GmbH, die später einmal das WCCB, aber schon zuvor die alten Bestandsbauten des Bundes betreiben soll. Für letzteres erhält die Management GmbH öffentliche Unterstützung, rund 1,6 Millionen Euro jährlich für Marketing und Betriebskosten - ohne Verwendungsnachweis.

Als die Tinte unter dem WCCB-Projektvertrag im März 2006 getrocknet ist, tritt Kim mit der ehemaligen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und den einstigen Verbündeten Dr. Ha-S. C. (Rechtsanwalt) und Young-Ho Hong (WCCB-Bau-Generalübernehmer) jubelnd auf der Immobilienmesse MIPIM in Cannes auf (siehe Millionenfalle 7). Bald folgt der Spatenstich. Monaten der Euphorie folgen bald nicht-öffentliche Problemchen, die zu Problemen reifen, die sich schließlich zu einem nicht mehr zu versteckenden Desaster zusammenbrauen. Kim ist ab Mitte 2007 immer seltener in Bonn, um - mindestens das - Hongs Baurechnungen abzuzeichnen. Er weilt vermutlich meist in Nordafrika. Außer dem Bonner "SMI-Referenzprojekt für Europa" hat er sich und seiner Company SMI Hyundai nicht weniger als fünf Projekte in Libyen um den Hals gehängt.

So sollen etwa in Suluq am Rande der Sahara rund 25 000 Wohneinheiten plus Schulen und Läden entstehen, und auch so hochkomplexe Gebilde wie Universitäten samt Ausstattung und IT-Netzwerken traut Kim sich zu. Doch aus Libyen sprudelte Geld nicht wie Öl, deshalb musste Kim vorfinanzieren. Ob das auch mit Bonner "Baukostenexplosions-Millionen" geschah, bleibt spekulativ, aber nicht abwegig. Kim benötigte zudem von heute auf morgen viele Experten, denn alle Projekte sollten zum 1. September 2009, dem 40. Jahrestag der libyschen Revolution, abgeschlossen sein. Ein Großteil der Experten wurde aus Ägypten, Südkorea, den USA und Großbritannien gleich in Tripolis zusammengezogen, ein kleinerer Teil landete aber in Bonn zwischen - zur Fortbildung und Einstimmung auf die Projekte im Maghreb. Das alles kostete. Nach GA-Informationen sollte zunächst über Hongs Baufirma SMI Hyundai Europa GmbH abgerechnet werden. Doch Kim musste umplanen, denn er hatte seine Beziehung zu Partner Hong über Nacht aufs Spiel gesetzt.

Im Kim-Hong-Verhältnis beginnt es schon kurz nach dem WCCB-Baubeginn zu knistern, dann zu knirschen. In Bonn sagt Hong gegenüber dem GA: "Erst als der WCCB-Bau wächst und wächst, das Chaos immer größer wird und Kim kaum noch Gelder für den Baufortschritt freigibt, ist das Vertrauensverhältnis zwischen Kim und mir zerstört." Kim sei für ihn heute "mehr Feind als Freund". Kim zahlt nicht an Hong und Hong somit nicht an die Handwerker. Kim, ein Bauherr, der sich um nichts kümmert - außer um das nächste Projekt. Zu diesem Bild fügen sich viele Recherche-Schnipsel. Aber Hong verschweigt bei diesem Gespräch vermutlich das Entscheidende - einen einsamen Schachzug Kims zu Hongs Nachteil.

Der Libyen-Faktor: Er prägte auch die Hong-Kim-Geschäftsbeziehung. Danach soll Kim seinem WCCB-Baupartner lukrative Bauaufträge in Libyen offeriert haben - eine Aussicht, die Hong die Zustände auf der Baustelle in Bonn besser ertragen ließ. Als Kim es aber bei dem Versprechen beließ und Landsmann Woong-Yung An mit dem "Wüstenjob" betraute, fühlte Hong sich betrogen. Das war auch das Ende jeglicher Kooperationsbereitschaft Hongs für Gefälligkeiten aller Art. So entzog er Kim einen Joker für finanzielle Transaktionen: Kim musste Hongs Baufirma aus seinem Abrechnungs-Netzwerk streichen.

Das zwang vermutlich den stets klammen Kim, zahlreiche Libyen-Kosten der SMI Hyundai Management GmbH aufzubürden. Nach GA-Informationen bekam jedoch die Stadt Bonn Wind davon, und sie wollte verständlicherweise nicht ihr WCCB im Dunstkreis von Gaddafi-Geschäften wissen. Daraufhin betrieb Kim eine gewisse Akrobatik im Handelsregister. Wie dort nachzulesen ist, warf er ein Umbenennungskarussell an: Von "SMI Hyundai Management" in "SMI Hyundai" und wieder zurück in "SMI Hyundai Management" (der GA berichtete). Hintergrund: Die Libyer sollten nicht verunsichert werden, denn deren Vertragspartner hieß SMI Hyundai Management GmbH.

Mehr oder weniger gleichzeitig verhedderte sich Kim, nun mit dem UNCC-Hut unterwegs, bei einem skurrilen Kredit-Deal mit der Investmentfirma Arazim Ltd. (Zypern), bei der er sich zehn Millionen Euro für 60 Prozent Zinsen und Gebühren lieh. Dazu unterschrieb er eine folgenschwere Pfändungsklausel für den Fall, dass er zu spät zurückzahlte (der GA berichtete). Da UNCC-Geschäftsführer Kim auch die SMI Hyundai Management für alle UNCC-Kredite zur Mithaftung verpflichtet hatte und die Arazim-Millionen zu spät zurückzahlte, drohte die Pfändung. Kim organisierte die Flucht: So landete die Management GmbH in Australien - eine Flucht, die zugleich eine stille Beerdigung der alten Betriebsgesellschaft war.

Zeitgleich war die Stadt erwacht und zog die Daumenschrauben an; sie erzwang gegen Kims Willen eine Neugründung der Betriebsgesellschaft, die dann World Conference Center Management Bonn GmbH (WCCB GmbH) hieß. Alles wurde von SMI Management auf die WCCB GmbH übertragen: Aufgaben, Mitarbeiter, auch die Mithaftung für UNCC-Kredite. So erklärt sich, warum auch die WCCB GmbH insolvent ging, als die Sparkasse KölnBonn der UNCC kurzfristig die Kredite kündigte.

Ein roter Faden: Wo der Projekt-Tausendsassa auftrat, hinterließ er Verwirrung, Unübersichtlichkeit, Unerledigtes. Das "System Kim" befolgt hingegen strikt das letzte Strategem asiatischer Verhandlungs- und Verhaltenskunst: "Rechtzeitiges Weglaufen ist bei sich abzeichnender völliger Aussichtslosigkeit das Beste." Australien darf er nach GA-Informationen nicht mehr betreten, die Bonner Staatsanwaltschaft sucht ihn mit internationalem Haftbefehl. Doch Kim flüchtete nicht kopflos.

GA-Informanten berichten von hektischen, letzten Stunden Kims in Bonn. Er versuchte Daten der SMI Hyundai Management zu kopieren und dann zu löschen. Was motivierte ihn, panisch Dateien auf einem USB-Stick einzusammeln? Könnte das, was er suchte, möglicherweise Untreue beweisen? Etwa, dass einige SMI-Kosten für libysche Projekte aus Bonner Kassen beglichen wurden?

Aus und vorbei: Kim ist in Libyen gescheitert. Wie in Bonn. Zuweilen war in Nordafrika schon nach ersten Erdarbeiten Schluss. Der Hasardeur habe, sagt ein Informant, im Gaddafi-Land Millionen buchstäblich in den Sand gesetzt. Da wurde es auch der Company zu bunt. Ein Mai-Tag 2007 war Kims letzter als Präsident der SMI Hyundai Corporation, einstiger Hauptgesellschafter der UNCC. Damit Kim weiter blenden kann, erhielt er "einen angemessenen Titel zu Marketingzwecken", berichtet eine Gerichtsakte zum Arazim-/Honua-Eigentümerstreit. Der Titel "UNCC-Geschäftsführer" ist ihm geblieben. Die UNCC ist insolvent - und die UNCC-Visitenkarte eine Art Erinnerung an eine schöne Kim-Zeit in Bonn, als für ihn rote Teppiche ausgerollt wurden. Aber das ist lange her.

Mitarbeit: Lisa Inhoffen, Rita Klein, Bernd Leyendecker, Florian Ludwig und Wolfgang Wiedlich

SMI-Eigenwerbung unter www.smi-hyundai.com

"SMI Hyundai ist ein Team von engagierten, professionellen Experten, die an eine Mission glauben: die Erwartungen unserer Auftraggeber zu übertreffen. (?) Unser Engagement ist es, eine ultimative Wertschöpfungskette und neue Werte für unsere Auftraggeber, strategischen Partner und Verbündete zu schaffen. Wenn Sie SMI-Hyundai für Ihre Projektplanung, Projektentwicklung oder Großbauprojekte wählen, wählen Sie ein Team von Individuen mit Erfahrung von Weltklasse aus den USA, Europa, Korea, dem Mittleren Osten und der Welt im Übrigen."

Das WCCB für Einsteiger: Was bisher geschah

Die Stadt Bonn will ihren Status als UN-Stadt ausbauen und beschließt 2003 den Bau eines Kongresszentrums über einen Investor. Es folgen Architekten-Wettbewerb, Investor-Auswahlverfahren, Projektvertrag. Partner der Stadt wird 2005/06 SMI Hyundai Corporation (Reston/USA), zunächst alleiniger Gesellschafter der UN Congress Center GmbH (Bauherr). Das gesamte Projekt inklusive eines 352-Betten-Hotels soll 139 Millionen Euro (reine Baukosten: 100 Millionen) kosten. Der Bund schenkt das Grundstück, das Land NRW gibt einen Zuschuss von rund 36 Millionen Euro, die Sparkasse KölnBonn einen über die Stadt abgesicherten Kredit von 74 Millionen, der ausgewählte Investor SMI Hyundai soll 40 Millionen Euro Eigenkapital vor Baubeginn nachweisen. Im November 2006 erfolgt der Spatenstich, während Man-Ki Kim längst UNCC-Geschäftsführer ist.

Zwei Entwicklungen bringen das WCCB in Schieflage: Einmal Kims chronische Eigenkapitalnot, zum anderen eine Steigerung der Baukosten auf bis zu 200 Millionen Euro. Kim bringt 2007 über neue Geldgeber (Arazim, Honua) vertragswidrig neue Hauptgesellschafter in die UNCC. Jeder gibt vor, 94 Prozent der Anteile zu besitzen, was einen Eigentümerstreit programmiert. Die Baukostenexplosion kann nicht plausibel erklärt werden, eine Baukontrolle scheint zu fehlen.

Im September 2009 fällt das WCCB wie ein Kartenhaus in sich zusammen: Einer Verhaftungs- folgt eine Insolvenzwelle fast aller beteiligten Firmen. Nach Kim wird gefahndet. Es gibt Teilgeständnisse. Alles dreht sich um Bestechung, Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Untreue. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Jetzt werden städtische Bedienstete befragt.