Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 11.09.2009

Die Millionenfalle, Teil 10

Vom Bürger gewählte Bürger fragen, Stadtobere schweigen. Weich, aber unfair. Das Spiel mit den ausweichenden Antworten geht weiter. Auch gegenüber dem General-Anzeiger. Zur Dokumentation des Falles "World Conference Center Bonn" (WCCB) darf ein solcher Dialog mit der Stadtverwaltung nicht fehlen. Auszüge. Frage: Wie viele Hotelzimmer stehen im Bauantrag? 185, 334 oder 352? Nicht beantwortet. Wurde geprüft, ob die gebaute (nicht die geplante) Beton-Außenhülle den UN-Sicherheitsstandards entspricht? "Die Vereinten Nationen sind von Anfang an beteiligt. Die Planung wird in enger Abstimmung mit den VN umgesetzt."

Statt zu antworten, bewertet Friedel Frechen, Pressesprecher der Stadt Bonn, die bisherige GA-Serie "Die Millionenfalle", insbesondere die darin geäußerten Vermutungen, wonach die Stadt vermutlich chinesischen Strategemen, abgewandelt angewendet von einem südkoreanischen Netzwerk, unterlegen war: "In der UNO-Stadt Bonn (der Generalsekretär, der Bonn so gelobt hat, ist Südkoreaner) und in der Menschen aus asiatischen Kulturen einen sehr hohen Bevölkerungsanteil darstellen, kann man so etwas auch als diskriminierend empfinden."

Wenn eine Stadtverwaltung schweigt und die Aufklärung über den Risiko-Einsatz von Steuergeldern behindert, kann der Steuerzahler nur hoffen, dass "Schweigen ein Heiligtum der Klugheit" (Baltasar Gracián y Morales) ist und nicht im Sinne des US-Humoristen Henry Wheeler Shaw zu verstehen ist: "Eines der am schwierigsten zu widerlegenden Argumente". Unterdessen gliedert sich die WCCB-Baustelle in verschiedene Unterbaustellen.

Erstens: Wie kann ein Michael Thielbeer, am Investoren-Auswahlverfahren maßgeblich beteiligt, sofort nach der Entscheidung für den Investor und beratend für dessen viele GmbHs tätig sein, die alle im Namen "SMI Hyundai" tragen?

Zweitens: Die nicht nachvollziehbaren Baukosten, die über eine verworrene und bisher nicht logisch begründete Hotelzimmer-Zahl-Geschichte explodierten.

Drittens: Die Zukunft des "WCCB" steht auf einem Schachbrett, das - je tiefer die Einblicke zu den Interessen und Optionen der darauf stehenden "Figuren" reichen - mehr und mehr zum Pokertisch mutiert. Bleiben wir bei der näheren Zukunft des Bonner Zukunftprojekts. Hier geht es um Heimfallrecht, Zwangsverwaltung und Grundschuld (siehe Kasten).

Die Gesamtlage auf dem Schachbrett macht allen zu schaffen. Die Baugeld-Nabelschnur von der Sparkasse zum Bauherrn UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC) und weiter zur Baufirma SMI Hyundai Europe GmbH (Young-Ho Hong) und von dort zu den Handwerkern droht zu veröden. Kein Wunder, denn pro Tag verschlingt das WCCB die Bausumme eines schmucken Reihenhauses, rund 260 000 Euro. Jeden Tag kann Schluss sein, signalisierte Hong gestern. Er besitzt fernab der Großwetterlage einen Joker, nämlich alle Pläne. So wird das Gespenst eines Baustopps größer und größer, ausgerechnet vor dem nahenden Winter. Das will keiner. Aber nur frisches Geld kann das Gespenst vertreiben.

Gute Schachspieler haben mehr als den übernächsten Zug im Kopf. Deshalb ist es wichtig, in welche Richtung der nächste geht. Sei es vom UNCC-Hauptgesellschafter (strittig: Honua oder Arazim?), vom UNCC-Geschäftsführer Man-Ki Kim oder von der Gemeinschaft Sparkasse/Stadt.

Denkbar: Die Stadt möchte bei dem Drama "Das WCCB und kein Ende" endlich die Zuschauerrolle verlassen und zurück ans Regiepult. Dazu könnte sie das Heimfallrecht ausrufen. Das ist aber aufgrund eigener Verstöße gegen den Projektvertrag und deren Nicht-Ahndung vermutlich längst verwirkt und würde ein juristisches Tauziehen über den Winter hinaus bedeuten. Deshalb war auch das öffentliche Drohen mit dem Heimfallrecht mehr ein PR-Gag, weil ein stumpfes Schwert. Die Stadt konnte nie die Zügel wirklich anziehen, weil sie rechtlich nicht im Sattel saß.

Dennoch hat Bonn noch einen Heimfall-Joker: die Insolvenz der UNCC. Träte das ein, würde die Stadt das, was sie eigentlich nie werden wollte: Bauherr. Nebenbei könnte sie sich unberechenbarer Partner entledigen. Ein Befreiungsschlag - gegen die Investoren aus Hawaii (Honua) und Zypern (Arazim), die offenbar nie an einer florierenden WCCB-Zukunft interessiert waren, sondern nur am schnellen Profit.

Doch für dieses Szenario benötigt die Stadt neben faktischer UNCC-Zahlungsunfähigkeit den einstigen, fast verlorenen "Retter" Kim, der noch UNCC-Geschäftsführer ist, aber fast nie in Bonn. Er müsste die Insolvenz beantragen. Aber auf wessen Seite steht Kim?

Die andere, die Gegenseite (Honua/Arazim) wird hingegen alles versuchen, die UNCC-Insolvenz zu verhindern, weil sonst bereits investiertes Geld verloren geht, zumindest das von Honua. Nach GA-Informationen stehen die Chancen nicht schlecht, dass der in großen Schritten näher rückende Baustopp auch die Klärung der strittigen Eigentumsfrage beschleunigt. Möglich: Bevor beiden die Felle wegschwimmen, schließen Honua und Arazim eine befristete Allianz, einigen sich außergerichtlich über die Frage, wem nun die 94 Prozent der UNCC-Anteile gehören. Eine Option, die aber bisher niemand auf dem Schirm hatte.

Das würde bedeuten: Die Baustelle erhält frisches Geld, würde dem verheerenden Zugriff des Winters entzogen. Rund 30 Millionen Euro müsste die Zweckallianz Arazim/Honua dann ans UNCC überweisen. Das lange versprochene Geld käme endlich. Mag sein, dass im Bonner Stadt- und Rathaus dann Jubel ausbricht. Doch einiges spricht dafür, dass zu früh gejubelt, später erst nachgedacht wird - und der Katzenjammer wie ein Naturgesetz folgt. Denn in einer Situation wie dieser, in der alle maximale Vorteile und minimierte Risiken suchen, kann es keine Geschenke geben. Und schon gar nicht von Arazim oder/und Honua.

Wie sähe das jubelauslösende Danaer-Geschenk aus? Rund 30 Millionen Euro würden nicht als Eigenkapital zum UNCC-Bauherrn fließen, sondern als Kredit. Das ist für Eingeweihte keine Neuigkeit, aber für alle anderen schon. Denn aus einer Expertise des städtischen Rechtsberaters Martin Lauer vom 17. August geht hervor, dass "die Stadt Bonn Honua zugesagt hatte, einen Rangtausch durchzuführen". Nun ist das Grundbuch erreicht, was bedeutet: Hier stehen die Sicherheiten für Gläubiger, Kreditgeber. Mit anderen Worten: Sollte alles schiefgehen, bekommst Du - zum Beispiel - das Grundstück. Klartext: kaum Risiko für Honua und/oder Arazim. Der Investor aus Hawaii rückt in der Rangordnung nach oben, noch vor dem 104-Millionen-Kreditgeber Sparkasse. 24 Millionen Euro von den umjubelten 32 Millionen würden so Honua im Fall der Fälle zurückerstattet werden - plus etwa 16 Prozent sogenannter dinglicher Zinsen.

Warum Honua, die immerhin schon Millionen in das WCCB investiert haben, bis heute dann nicht bezahlt hat? Weil das Bonner Landgericht Arazim vorläufig die 94 Prozent UNCC-Anteile zugesprochen hat. Honua möchte vor einer weiteren Überweisung Rechtssicherheit. Das ist verständlich. Bisher stand eine Zehn-Millionen-Euro-Forderung von Arazim im Raum. Geld gegen Rechtsanspruch. Denkbar, dass Honua Arazim statt einer Millionenzahlung die Option "gemeinsam Kasse machen" vorschlägt. Gemeinsam den Bau vollenden oder sanieren, dabei die Sackgasse der Stadt ausnutzen und schließlich die Zukunfts-Immobilie mit Gewinn verkaufen. Doch dazu wären weitere Zugeständnisse Bonns nötig, etwa eine vorzeitige Entschuldung der UNCC.

Die Nächte werden kälter, weil der Winter naht. Kostbare Zeit vergeht, und genau das spielt das Problem einer Lösung zu, die vorschnell bejubelt werden könnte, aber im Grunde eine Lösung nur vertagt.

Fortsetzung folgt

Mitarbeit: Andreas Boettcher, Ulrich Bumann, Lisa Inhoffen, Bettina Köhl, Florian Ludwig, Wolfgang Wiedlich

Grundschuld, Zwangsverwaltung, Kündigungsrecht: 

Kündigungsrecht/Heimfall

Der Begriff Heimfall stammt aus dem Erbbaurecht und ist in Zusammenhang mit dem WCCB irreführend. Die Stadt Bonn hat laut Projektvertrag ein Kündigungsrecht gegenüber dem Bauherrn, der UNCC GmbH. Eine außerordentliche Kündigung ist dann möglich, wenn UNCC gegen eine Vereinbarung im Projektvertrag verstößt oder insolvent geht. Eine wirksame Kündigung bedeutet den Heimfall des Grundstücks an die Stadt. Bei einem Heimfall stehen dem Investor 70 Prozent des Verkehrswertes der neu gebauten Gebäude zu. Davon würden in Teilen Landeszuschuss und laufende Kredite abgezogen.

Zwangsverwaltung

Die Zwangsverwaltung ist eine Form der Zwangsvollstreckung über ein Grundstück. Bei der Zwangsverwaltung verbleibt das Grundstück im Eigentum des Schuldners. Der Gläubiger wird aus den durch die Grundstücksnutzung gezogenen Einnahmen befriedigt. Mit einer Zwangsverwaltung sind im WCCB-Fall vermutlich Millionen Euro Kosten verbunden, weil ein gerichtlich bestellter Zwangsverwalter (Rechtsanwalt o.ä.) vergütet werden muss.

Grundschuld

Die Grundschuld belastet ein Grundstück mit einer bestimmten Geldsumme. Der Inhaber einer Grundschuld hat den Anspruch, die Zahlung dieser Summe zu fordern. Zahlt der Grundstückseigentümer nicht, ist der Inhaber der Grundschuld berechtigt, die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Die Grundschuld entsteht durch einen Vertrag und die Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch. In der Regel sichern Kreditgeber (auch mehrere) über eine Grundschuld den Kreditbetrag und die Zinsen ab. Wichtig für den tatsächlichen Wert einer Grundschuld ist der Rang im Grundbuch. Kommt es zur Zwangsvollstreckung, werden die Gläubiger ihrem Rang nach befriedigt.