Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 17.09.2009

Die Millionenfalle, Teil 13

Für alle, die zurzeit beim World Conference Center Bonn (WCCB) etwas zu verlieren haben, ist ein Wettlauf gegen die Zeit entbrannt. An diesem Grundproblem hat auch die bundesweite Razzia des Landeskriminalamts mit insgesamt 14 Hausdurchsuchungsbefehlen nichts geändert. Auch nicht das Marathon-Verhör der Verdächtigen Young-Ho Hong und Michael Thielbeer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts des Betruges zum Nachteil der Stadt und der Untreue sowie der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.

Die Millionenfalle entwickelt sich an allen Fronten zur Zeitfalle. Beispiel Staatsanwaltschaft: Kamen die Ermittler vorgestern vielleicht schon zu spät, weil die Schredder bereits seit Tagen liefen, um ungewünschte Belege und Beweise zu zerkleinern und zu entsorgen?

Das Eigentumsrecht in der Zeitfalle: Wem gehört das WCCB? Zurzeit noch der UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC), aber wem gehört die UNCC? Ist Honua (Hawaii) oder Arazim (Zypern) Hauptgesellschafter? Beide Investment-Firmen könnten ihren Streit darüber beilegen und sich verbünden, um im Kampf gegen die Uhr zu retten, was zu retten ist - und versuchen, eine UNCC-Insolvenz zu verhindern. Nur so ließe sich aus Sicht von Honua vermeiden, dass bereits ins WCCB investierte Millionen sich im Nichts verflüchtigen. Die UNCC braucht frisches Geld, um Bonns größte Baustelle am Laufen zu halten.

Nach GA-Informationen sind in den letzten 48 Stunden 30 Millionen Dollar auf einem Sparkassen-Konto eingegangen, allerdings ohne UNCC-Zugriffsrecht. Das ist verständlich, denn noch ist Man-Ki Kim UNCC-Geschäftsführer, gegen den ebenfalls ein Ermittlungsverfahren läuft. Zudem bleibt die große Frage: Stockt Honua mit den Dollar-Millionen, eventuell gemeinsam mit Arazim, das chronisch defizitäre Eigenkapital auf oder wollen die Südkoreaner aus Hawaii nur als Kreditgeber mit Rundum-Sorglos-Sicherheit im Grundbuch fungieren?

Die Baustelle in der Zeitfalle: Obwohl gegen Young-Ho Hong, Eigentümer von SMI Hyundai Europe, dem Bau-Generalübernehmer der UNCC, ein Ermittlungsverfahren läuft, hat zunächst einmal nur Hong den Joker zum Weiterbauen in der Hand. Bekommt die UNCC verfügbares Baugeld, kann Hong Handwerker weiter beschäftigen und den WCCB-Bau mit seiner bereits installierten, millionenschweren Haustechnik vor Frost und Schnee schützen. Geht SMI Hyundai Europe hingegen insolvent, was Hong bereits erwägt, besitzt nur er die Pläne für alles, was wichtig ist, um den Bau zu vollenden. Sollte dazu, aus welchen Gründen auch immer, ein Dritter auserkoren werden, kann Hong die Pläne versilbern. Denkbar ist, dass der ausgeschlafene Hong die Pläne einer seiner anderen GmbHs übertragen hat, wodurch auch ein Insolvenzverwalter von SMI Europe ins Leere liefe. Wert der Pläne: einige Experten sprechen von Millionen. Aber letztlich wäre das Verhandlungssache.

Auch die Stadt Bonn sitzt in der Zeitfalle: Wer sich heute die Gesamtlage anschaut, kann nicht mehr so sicher sein, dass Stadt oder/und Sparkasse KölnBonn, zurzeit (noch) ein Bündnis, sich über frisches UNCC-Geld freuen würden - wie noch kurz vor der Kommunalwahl. Einerseits könnte damit das Wintergespenst mit allen seinen zerstörerischen Folgen für den WCCB-Bau vertrieben werden, andererseits bliebe damit ein Maximum an Fremdbestimmung durch Honua/Arazim und damit nur die Unberechenbarkeit berechenbar. Eine solche Aussicht kann, nachdem Kim das Bonner Zukunftsprojekt eigenmächtig und vertragswidrig durch Verpfändung oder Verkauf schon bis nach Hawaii und Zypern getrieben hat, kaum beruhigen. Denn Honua/Arazim werden das WCCB entsprechend ihrem Daseinszweck weiter nur als Renditeobjekt sehen und nicht als etwas, was über den Mehrwert zwischen Taxifahrern und konsumierenden Innenstadt-Kongressteilnehmern eines Tages die Bonner Gewerbesteuer-Einnahme erhöht. Das bedeutet: Honua/Arazim werden versuchen, den Bau zu vollenden, um ihn dann gewinnbringend zu verscherbeln.

Wechselt die Stadt, auch unter dem Eindruck der bundesweiten Razzien, deshalb kurzfristig die Strategie? Strebt sie möglicherweise genau das an, was Honua/Ara-zim verhindern wollen - die UNCC-Insolvenz? Endlich der große Befreiungsschlag? Akzeptiert die Stadt die 30 Honua-Millionen deshalb vielleicht nur noch als Eigenkapital und nicht mehr, wie noch im Juli 2009, als Gesellschafter-Kredit?

Pressesprecher Friedel Frechen antwortet: "Aus Sicht der Stadtverwaltung gibt es zurzeit keinen neuen Informationsstand, der mitzuteilen wäre." Auch könnten Fragen, die im Zusammenhang mit dem laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft stehen, nicht beantwortet werden. Mit Worten schweigen ist die Pressesprecher-Kunst in schwierigen Lebenslagen.

Wer bewegt sich zuerst in welche Richtung? Oder hat, wer sich zuerst bewegt und eine Richtung zu erkennen gibt, verloren? Stellungskrieg auf dem Schachbrett. Man darf vermuten, dass jede Seite, umgeben von schlauen Köpfen, zurzeit mehrere Schachvarianten bis zum Ende spielt. Verschiedene Optionen, vermutete Reaktionen der Gegenseite, völlig unterschiedliche Spielausgänge. Und keiner will schachmatt gesetzt werden.

Auf der Baustelle selbst haben die Handwerker gestern indes den vorsorglichen Abzug ihrer wertvollen Gerätschaften und Materialien fortgesetzt. Hong ist offenbar in Zahlungsschwierigkeiten. Die Liquidität der UNCC ist seine Nabelschnur. Die könnte jedoch morgen oder übermorgen schon wieder mit Euros gefüllt sein, sofern die Schockstarre auf dem Schachbrett sich löst.

Vor Millionen- und Zeitfalle steht jedoch die große Falle leerer Versprechungen. Kims und Thielbeers - und anderer SMI-Hyundai-Promoter mit und ohne Tarnkappe - Heißluftballons im Zuge der Geschäftsanbahnung haben es in sich. Beispiel Gewerbesteuer. Wer vor der Baustelle steht und die Schilder der bauenden SMI-Europe-Subunternehmer studiert, erkennt sofort: Hier kommt von den Baumillionen nicht ein Cent Gewerbesteuer in Bonn an, wie es einst 2006 noch Kim versprochen hatte. Der Südkoreaner verstand es, unverbindlich viel Freundliches an den Horizont zu malen, aber wenn es verbindlich wurde, das Zepter an seine Mitstreiter Dr. Ha-S. C. und Young-Ho Hong weiter zu reichen. Fazit: Fast ausschließlich ostdeutsche Betriebe verdingen sich auf der Baustelle.

Oder die Mär vom WCCB als einem Projekt, das unter der professionellen Regie von SMI Hyundai künftig keinen Zuschuss von der Stadt benötigen würde. Das größtmögliche, anzunehmende Gegenteil ist inzwischen Wirklichkeit.

Fortsetzung folgt.

Mitarbeit: Dagmar Blesel, Andreas Boettcher, Lisa Inhoffen, Rita Klein, Florian Ludwig, Ulrich Lüke, Wolfgang Wiedlich.

Richter bejaht dringenden Tatverdacht

Verdächtige können den Beweisen der Staatsanwaltschaft nichts entgegensetzen

Auch am Tag nach den Razzien und den Festnahmen von Young-Ho Hong und Michael Thielbeer am Dienstag hatten die Staatsanwälte alle Hände voll zu tun: Bis in die tiefe Nacht hinein hatten sie die beiden Verdächtigen vernommen, und auch gestern Morgen gingen deren Befragungen weiter, bevor die beiden mittags dem Ermittlungsrichter vorgeführt wurden, der ihnen schließlich am Abend den Haftbefehl verkündete und beide in U-Haft schickte.

Dass die Vernehmungen so lange dauerten, lässt nur einen Schluss zu: Die beiden Männer glaubten, sich gegen die Staatsanwälte behaupten zu können. Nach GA-Informationen versuchte allein Hong den Richter fünf Stunden lang davon zu überzeugen, dass die Vorwürfe gegen ihn unberechtigt seien. Vergeblich. Alles, was die Staatsanwälte erklärten und an Beweismitteln vorlegen konnten, bestätigte offensichtlich in den Augen des Richters den dringenden Tatverdacht, wonach Hong sich der Untreue im besonders schweren Fall zum Nachteil des WCCB schuldig gemacht hat. Gegen 19 Uhr verließen seine Anwälte ohne ihn das Gerichtsgebäude. Hong muss sich nun wie Thielbeer damit abfinden, in einer Gefängniszelle zu sitzen.

Denn auch Thielbeer, der die Stadt seinerzeit davon überzeugte, in SMI-Hyundai-Chef Man-Ki Kim einen solventen und zuverlässigen Investor und Partner gefunden zu haben, überzeugte den Richter nicht und konnte offenbar den Beweisen der Staatsanwälte nichts entgegensetzen. Nun steht Thielbeer, der nach erfolgreicher Vermittlung die Seiten wechselte und nach "unabhängiger Beratung" der Stadt in den für ihn lukrativen Dienst des Investors trat, im dringenden Tatverdacht der Beihilfe zur Untreue und der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Bestochen haben soll ihn der Dritte im Bunde, gegen den die Staatsanwaltschaft ebenfalls einen Haftbefehl erwirkte und der bisher noch nicht greifbar war: Gegen Man-Ki Kim wird wegen Untreue, Bestechung und überdies wegen Betruges ermittelt.

Auf die Ermittler kommt eine Menge Arbeit zu: Sie haben bei den Razzien unzählige Unterlagen sichergestellt, die nun aufgearbeitet werden müssen. "Das hier war nur ein Teil der Arbeit", sagte Oberstaatsanwalt Fred Apostel, Leiter der Anti-Korruptionsabteilung nach Verkündung der Haftbefehle.

"OB zeigt keine Spur von Selbstkritik" - Grüne fordern Bärbel Dieckmann zum Rücktritt auf

Das Bild ist vielen noch vor Augen: Am 16. Oktober 1994 liegen sich zwei strahlende Siegerinnen in den Armen: Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und Dorothee Paß-Weingartz. Die Sozialdemokratin und die Frontfrau der Grünen freuen sich riesig, dass bei der Kommunalwahl Rot-Grün die mehr als 40-jährige Vorherrschaft der CDU in Bonn gekippt hat.

Gestern Mittag im Alten Rathaus: Dieckmanns einstige Mitstreiterin Paß-Weingartz fordert den Rücktritt der Oberbürgermeisterin - wenige Wochen vor dem offiziellen Ausscheiden Dieckmanns aus dem Amt. Doch Paß-Weingartz und Bürgermeister Peter Finger machen deutlich: Für sie ist die Rücktrittsforderung keine Frage des Zeitpunkts, sondern eine Frage der Moral.

Sie legen einen Antrag für die heutige Sondersitzung des Rates zum WCCB-Desaster (ab 19.30 Uhr, Stadthaus, Berliner Platz 2) auf den Tisch. Unter Punkt 1 heißt es: "Der Rat der Stadt Bonn fordert die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann auf, die politische und persönliche Verantwortung für das Missmanagement der Bonner Stadtverwaltung beim WCCB zu übernehmen und zurückzutreten."

"Wir haben uns stets für das WCCB ausgesprochen, weil wir es damals wie heute für die Zukunft Bonns für ein wichtiges Projekt halten", sagt Paß-Weingartz. Doch im Laufe der Zeit seien dem Stadtrat wichtige Informationen über gravierende Veränderungen bei dem Projekt vorenthalten worden. "Der Rat war für die OB offensichtlich nur ein Störfaktor." Die Verwaltung habe ihre Informationspflicht auf schwer wiegende Weise verletzt, sagt Fraktionsgeschäftsführer Tom Schmidt. Doch bei der OB "keine Spur von Selbstkritik". Ihr Rücktritt berge nun die Chance eines Neuanfangs unter der unbelasteten Führung ihres Nachfolgers Jürgen Nimptsch.

Ähnlich hatte zuvor CDU-Parteichef Axel Voss argumentiert. CDU-Fraktionschef Benedikt Hauser hält sich noch bedeckt, er will sich heute vor der Sondersitzung mit der Fraktion beraten. Für FDP-Chef Werner Hümmrich ist die Sache dagegen klar: "Wir lehnen den Punkt 1 ab. Die Oberbürgermeisterin muss die Sache bis zum Schluss durchstehen." SPD-Fraktionschef Wilfried Klein zum Grünen-Antrag: "Der wird von der SPD natürlich nicht mitgetragen."