Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 02.09.2010

Die Millionenfalle, Teil 43

Viele Faktoren und Variablen, die alle noch mehr Gegen- und Nebenwirkungen erzeugen, offensichtliche und unvermutete, sind der Humus von Komplexität. Wissenschaftler erklären das Laien gerne so: "Alles hängt mit allem zusammen." Gleichwohl sind die Zuhörer danach keinen Deut klüger, wenn sie sich nicht auf detailliertere Betrachtungen einlassen und sich weigern, um die Ecke zu denken.

So in etwa verhält es sich seit einem Jahr auch im Irrgarten der Geschehnisse rund um das World Conference Center Bonn (WCCB): Nur über das "Um-die-Ecke-Denken" gelangt man zu neuen Erkenntnissen - um zu verstehen, wie das WCCB "mit allem zusammenhängt". Am Mittwoch überschlugen sich wieder einmal die Ereignisse.

Linksrheinisch spricht Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) von einem "guten Tag für Bonn". Endlich gibt es eine positive WCCB-Nachricht. Alle Parteigranden Bonns sind in den Plenarsaal gekommen und natürlich auch Insolvenzverwalter Christopher Seagon: Gegen 14 Uhr informieren OB und Seagon, dass der Kaufvertrag über die WCCB-Betreibergesellschaft am Vortag unterschrieben worden sei.

Ein neuer Name soll die triste Vergangenheit abschütteln: Künftig firmiert Bonns Kongresswesen unter BCC statt WCCB. Die Bonn Conference Center Management GmbH (BCC) betreibt ab sofort die Bestandsbauten (Plenarsaal, Altes Wasserwerk, Beethovenhalle) in städtischer Regie und mit neuem Chef: Michael Kleine-Hartlage führt 20 Vollzeit- und 30 Aushilfskräfte. Alle werden übernommen. "Ich werde Tag und Nacht arbeiten", sagt er mit einem Augenzwinkern. Denn gleichzeitig bleibt Kleine-Hartlage Boss der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft Vebowag.

Zum Kaufpreis: 214 000 Euro für eine Betreibergesekllschaft, die durch die WCCB-Wirren in die Arme Seagons geriet, erscheinen im WCCB-Millionenspiel eher mickrig. Die Stadtkasse spürt eher den jährlichen Betriebskostenzuschuss von etwa 2,5 Millionen Euro. Und ein Marketingzuschuss? "Ohne den wird es nicht gehen", mahnt Verkäufer Seagon.

Der "gute Tag für Bonn", verbunden mit einem kleinen Schritt in eine angestrebte große Zukunft, wird fast zeitgleich von den langen Schatten der Vergangenheit eingeholt. Denn unvermutet überschreiten die WCCB-Geschehnisse am Mittwoch den Rhein. Die Bonner Staatsanwaltschaft besucht das Kameha Grand Hotel im Bonner Bogen und beschlagnahmt dort Unterlagen.

Nach Angaben von Carsten Rath, der das Kameha betreibt, hätten die Ermittler nach der Korrespondenz gefragt, die das Kameha mit Bonn Conference Partners (BCP) geführt hat. Dabei handelt es sich um den Zusammenschluss von Hotels und kongressrelevanten Dienstleistern. Die BCP bezeichnet sich selbst als "Kongressbüro der Stadt Bonn" und ist bei der Tourismus & Congress GmbH (T & C) angesiedelt. Ziel der Gesellschaft ist es, etwa durch Werbung auf Messen Konferenzen nach Bonn zu holen.

Nach GA-Informationen hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen die frühere Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) sowie die damaligen städtischen WCCB-Projektbeauftragten Eva-Maria Zwiebler und Arno Hübner (beide CDU), wegen des Verdachts der Untreue auf den Verdacht der Bestechlichkeit ausgeweitet.

Offenbar sucht man in beschlagnahmten Briefen nun nach Beweisen. Nach GA-Informationen sollen die genannten Personen Kameha-Investor Jörg Haas eine erweiterte Baugenehmigung für das Hotel nur gegen Unterstützung für das WCCB-Hotel zugesagt und von ihm dafür mehr als 100 000 Euro gefordert haben.

Haas am Mittwoch zum GA: "Ich kann einen solchen Versuch durch die Stadt nicht bestätigen." Gleichwohl wurde sein Hotel Mitglied im Club - der BCP. Laut Rath sei das Kameha neben dem Maritim und dem WCCB "Partner" von BCP gewesen und habe dafür 100 000 Euro bezahlt. Zwar steht das Kameha-Logo noch heute auf der BCP-Homepage, sei aber seit mehr als einem Jahr "aus der Partnerschaft ausgestiegen".

Zu den Gründen erklärt Haas: "Wir wollten einen stärkeren Einfluss der Unternehmen und weniger Einfluss durch die Stadt auf die BCP-Aktivitäten. Die einseitige Parteinahme zugunsten des WCCB hat uns nicht gefallen." Rath konkretisiert: BCP habe für das bis heute unfertige WCCB-Hotel geworben, das jedoch kein BCP-Partner gewesen sei, auch keinen Beitrag geleistet habe. Zu den gezahlten 100 000 Euro sagt Rath: "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass das Geld nicht sachgerecht verwendet wurde." Andererseits habe man das Geld auch nicht zurückerhalten. Rath: "Es gibt keine Ermittlungen gegen das Kameha, wir sehen uns als Zeugen und möglicherweise Geschädigte."

Die verwirrende Gemengelage versteht nur, wer vier Jahre zurückblickt. Im Frühjahr 2006 hat die Stadt ihrem Wunschinvestor SMI Hyundai Corporation mit ihrem Blender Man-Ki Kim längst den roten Teppich ausgerollt. Sieben Monate später sprießt eine Hoteldebatte ins Kraut.

Das Haas-Projekt wird kritisch beäugt. Es könnte eine Konkurrenz zu Kims Hotel sein, obwohl der, zu diesem Zeitpunkt nur sternemäßig, eine Liga darunter spielt. "Dass da (am Bonner Bogen/Anm. d. Red.) noch eine Schiffsanlegestelle vorgesehen ist, zeigt, dass da doch etwas Größeres geplant ist", bemerkt damals Dieter Schaper, Vorsitzender der Beueler SPD-Fraktion. Die meinungsfreudige Debatte geht rauf und runter, schließlich war dem Hamburger Projektentwickler Wolfgang Bohn 2002 ein ähnliches Projekt von der Stadt verweigert worden. Grund: mögliche Konkurrenz zum WCCB-Hotel.

Im November 2006 wagt Bonn sich dann doch auf den Boden der freien Marktwirtschaft: Die Stadt teilt mit, dass sie das rechtsrheinische Luxushotel genehmigen wird. Nicht nur mit 112 Zimmern, wie ursprünglich geplant, sondern in der großen Version. Oder hat es Kim genehmigt? Die Stadt verweist auf ihren Vertrag mit SMI Hyundai, wonach sie verpflichtet sei, über alle Änderungen zur Stadtentwicklung zu berichten. Kim habe für das Luxushotel jedoch grünes Licht gegeben.

Haas baut später los und ist früher fertig - als der windige Kim. Der wird gar nicht fertig. Er und sein Team schaffen bis zur Insolvenz nur ein Musterzimmer. Ob der Südkoreaner überhaupt jemals sein Werk, das Stadt und Verwaltung zunächst von allen Seiten vom freien Markt abschirmten, vollenden wollte? Viele Millionen hat seine umtriebige Mannschaft nach GA-Informationen aus der Baukasse für alles Mögliche verwendet, nur nicht zum Bauen.

Und ausgerechnet dieser Kim hebt oder senkt den Daumen über das Projekt eines richtigen Investors. Dass er ihn im November 2006 hebt, erscheint heute als frühes Rauchzeichen. Kim, der "Glücksfall für Bonn", hatte schon damals offenbar ganz andere Pläne als das WCCB fertig zu bauen, geschweige es zu betreiben.