Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 22.12.2010

Die Millionenfalle, Teil 51

Das World Conference Center Bonn (WCCB) ruht seit mehr als 13 Monaten. Den teuren Baustillstand möchte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) mit dem "Heimfall", der Rückübertragung von Grundstück samt Aufbauten an die Stadt, beenden.

Die absehbar teure Lösung birgt zudem Risiken. Eines heißt Arazim. Die Investmentfirma steht noch im Grundbuch mit 13,3 Millionen Euro, und der Insolvenzverwalter kann das Grundstück nicht lastenfrei übertragen. Arazim, im August 2009 vom Landgericht Bonn zum vorläufigen WCCB-Besitzer erklärt, könnte die Stadt, würde der Heimfall vollzogen, verklagen.

Eine juristische Auseinandersetzung würde jedoch dauern. Fast von Beginn an begleitet Arazim-Anwalt Zvi Tirosh den Verlauf des Projekts. Das Gespräch mit ihm führten Lisa Inhoffen, Rita Klein, Florian Ludwig und Wolfgang Wiedlich.

General-Anzeiger: Was denken Sie, wenn Sie die WCCB-Jahre vor Ihrem geistigen Auge Revue passieren lassen?

Zvi Tirosh: Ich habe den Eindruck, dass keiner der Beteiligten in Bonn die Situation damals zu Projektbeginn richtig bewertet hat, obwohl sie vor Ort spätestens Anfang 2007 gewusst haben, dass Man-Ki Kim kein Eigenkapital hat.

GA: Aber davon hat Arazim doch prima profitiert. Sind 60 Prozent Zinsen für einen Sechs-Monatskredit über 10 Millionen Euro nicht fast ein Lottogewinn?

Tirosh: Es waren keine 60 Prozent Zinsen. Das Landgericht Bonn hat in dem Urteil von Arazim gegen SMI Hyundai gesagt, dass diese Art der Berechnung nicht zugrunde gelegt werden kann. Vielmehr sei die Berechnung von Arazim gerechtfertigt. Es war ein Festbetrag, der an Marktgegebenheiten im Jahr 2007 gemessen wurde und der auch Gebühren und Maklerprovisionen enthalten hat.

Davon einmal abgesehen: Hier gibt es leider keine Gewinner, allenfalls stellt sich die Frage, wer am wenigsten verliert. Wir waren die ersten, die überhaupt Fremdkapital in das Projekt eingebracht haben, was immer gerne übersehen wird.

GA: In Bonn wird nun der Heimfall angepeilt, während Arazim weiter im Grundbuch steht. Werden Sie dagegen klagen?

Tirosh: Wenn unsere Rechte tangiert werden, werden wir die erforderlichen Maßnahmen einleiten. Dieser Fall könnte eintreten, wenn ein in Wirklichkeit nicht gegebenes "Heimfallrecht" konstruiert werden würde. Wir sind grundsätzlich nicht gegen die Übertragung dieses Projektes an die Stadt, wenn dies eine sinnvolle Lösung ist. Viel spräche dafür. Arazim ist dazu immer gesprächsbereit gewesen. Im Übrigen sind wir der Auffassung, dass die Kündigung des Projektvertrags durch die Stadt unwirksam ist.

GA: Warum? Schließlich hat Investor Kim trotz mehrmaliger Aufforderung sein Eigenkapital nicht erbracht und auch Arazim als Hauptgesellschafter wollte wohl nicht weitere Millionen in das Projekt geben...

Tirosh: Dass Kim kein Eigenkapital eingebracht hat, war schon im Jahr 2007 bekannt. Man kann nicht erst so lange warten, bis das Kind in den Brunnen fällt, um dann zu kündigen. Außerdem hat die Stadt nach unserer Auffassung das Scheitern des WCCB-Projekts selbst verursacht, auch indem die damaligen Verantwortlichen Kim in gewisser Weise wie einen Strohmann genutzt haben, quasi um die eigene Agenda zu verwirklichen.

Arazim hätte möglicherweise investiert, wenn es die Kontrolle über ein gesundes Projekt bekommen hätte. Wir wurden auch diesbezüglich gefragt, aber erhielten die erbetenen Unterlagen zur Überprüfung des Projekts nicht. Man hat Arazim auch Michael Thielbeer und Young-Ho Hong aufdrängen wollen. Arazim hat darauf bestanden, diese Personen erst einmal kennenzulernen.

Das wurde aber nicht ermöglicht. Nach unseren Informationen ist Thielbeer im Frühjahr 2008 zu uns nach Frankfurt losgefahren, um uns zu treffen. Er ist aber nicht angekommen. Angeblich wurde er auf dem Weg zu uns zurückbeordert. Das fanden wir äußerst außergewöhnlich.

GA: Sie meinen, die Stadt wusste schon zum WCCB-Start, wie es um Kim bestellt war? Und hat trotzdem "Go" gedrückt?

Tirosh: Ja, so sehen wir das, jedenfalls ab 2007. Wir haben heute den Eindruck, dass die Stadt das UN-Projekt um jeden Preis wollte und wohl keinen besseren Investor hatte. So hat man Kim und Hong machen lassen. Man hat sie nicht ausreichend kontrolliert und somit das Fiasko ermöglicht.

Die Stadt kannte die Missstände sehr früh und hat diese nicht nur hingenommen, sondern auch durch lasches Controlling und Genehmigung von ungerechtfertigten Zahlungen forciert. Auch damit hat die Stadt Arazim als Beteiligten des Projekts geschädigt.

GA: Sie betrachten sich also nicht als Gewinner, sondern als Geschädigter des gesamten WCCB-Projektverlaufs?

Tirosh: Die Vergangenheit hat uns gezeigt, dass, wenn Arazim zu Unrecht vorverurteilt wird, auch dem WCCB-Projekt und somit auch der Stadt Bonn Schaden zugefügt wird. Ich mache das daran fest, dass die Vertreter der Stadt dieses Projekt im Januar 2009 hätten retten können. Wir haben damals Gespräche mit der Stadt geführt, aber unsere Ideen wurden nicht ernst genommen.

Stattdessen hat man es vorgezogen, die Rechte von Arazim in Frage zu stellen oder streitig zu machen. Eine Einigung hätte den Beteiligten die damalige Klage erspart und die Tür für weitere Investitionen in das Projekt geöffnet.

GA: Sie meinen die zugesagten 30 Millionen von Honua aus Hawaii an die Stadt?

Tirosh: Ja. Nach meinen Informationen sind die Investitionen auch wegen der Rechtsunsicherheit, die die Stadt Bonn geschürt hat, ausgeblieben. Damit meine ich einmal die städtische Zusage an Honua aus dem Frühjahr 2009, dass die Stadt Honua gegen Arazim unterstützen werde, und zum anderen das Signal der Stadt, das gesamte Projekt an Honua zu übertragen, obwohl zuvor, bereits im Januar 2009, die Stadt die Gesamtverantwortung für das Projekt bei Arazim "ansiedeln" wollte. Aus Gründen der Bequemlichkeit darf man Fakten nicht ignorieren. Das kann man auch als unprofessionell bezeichnen.

GA: Sie waren also bereit, weiter zu investieren. Warum hat Arazim es dann nicht gemacht?

Tirosh: Das ist so nicht ganz richtig. Arazim wollte vor jeder weiteren Investition eine Due-Diligence-Prüfung vornehmen, das heißt, wir wollten das Projekt gründlich von Experten durchchecken lassen. Das wurde uns aber nicht gewährt. Die erbetenen Unterlagen für die Prüfung sind nie angekommen.

Heute habe ich den Eindruck, man hat Arazim deshalb keinen Einblick gewährt, weil es zu viele Unklarheiten gab. Honua hat dagegen andere - vermutlich bequemere - Vorstellungen gehabt. Nach meinem Eindruck hat man entschieden, sich mit dem vermeintlich Bequemeren zu einigen. Dabei hat man die bekannten Fakten ignoriert. Das hat Vieles nachhaltig kaputtgemacht.

GA: Mit den "bekannten Fakten" meinen Sie die Arazim-Anteile?

Tirosh: Ja, die meine ich. Eine notarielle Urkunde über die Anteilsübertragung ist eine Tatsache, die man nicht hätte ignorieren sollen.

GA: Die Stadt Bonn hat ein Rechtsamt, in dem Juristen harte Fakten sicher zu würdigen wissen. Wie erklären Sie sich, dass die Stadt trotzdem lieber Honua als Arazim wollte oder die Ratschläge ihrer eigenen beziehungsweise externer Rechtsexperten ignorierte?

Tirosh: Ich weiß, dass wir die Offenlegung aller Fakten und Zahlen zum WCCB wollten. Das war möglicherweise unser Handikap. Ob das städtische Rechtsamt die Sache geprüft hat, weiß ich nicht; ebensowenig, ob mögliche Einwände städtischer oder externer Juristen ignoriert wurden.

Vielleicht hat man sich auf die Behauptung von Kim verlassen, er wäre seit Mai 2007 nicht mehr Vorstandsvorsitzender von SMI Hyundai Corporation gewesen und hätte die Anteile an Arazim deshalb nicht übertragen können. Dies jedenfalls wurde vor Gericht behauptet. Allein diese Behauptung wäre ausreichend gewesen, um die ganze Sache einer ordentlichen Prüfung zu unterziehen, was nicht gemacht wurde. Einer der zentralen Fehler der Verwaltung (aber auch der Sparkasse KölnBonn) war, die Rechte von Arazim zu negieren und gleichzeitig bei Honua den Eindruck zu erwecken, als seien diese Rechte nicht vorhanden.

Das Urteil des Landgerichts hätte niemanden überraschen dürfen. Das hat es aber getan. Dafür ist die Stadt maßgeblich verantwortlich. Das hat dem Projekt das Genick gebrochen. Honua und Dongbu, die von der Stadt hofierten neuen Investoren, waren fassungslos: Sie hatten die Position eingenommen, die die Stadt, SMI Hyundai und die Sparkasse KölnBonn vertreten hatten - nämlich, dass Arazim keine Rechte hätte. Das haben sie uns jedenfalls mitgeteilt. Die Investoren aus dem Ausland haben sich offenbar auf die Einschätzung inländischer Institutionen verlassen. Das war in diesem Fall ein Fehler von Honua.

GA: Hand aufs Herz: Arazim ist nicht gerade bekannt dafür, Kongresszentren zu bauen und zu betreiben, sondern eine Investmentfirma. Betrachten Sie den Grundbucheintrag nicht als reines Handelsgut?

Tirosh: Arazim wollte ursprünglich das Kongresszentrum nicht selbst bauen, sondern in dieses Projekt investieren. Ich vertrete ein Wirtschaftsunternehmen, das in Immobilien investiert. Grundbucheinträge sind Rechte, die auch dazu dienen, einen Schaden gering zu halten. Mit Handelsgut hat das nichts zu tun. Arazim hat selbst Mitarbeiter, Geschäftspartner und Investoren. Es trägt - wie sonstige Wirtschaftsunternehmen - eine Verantwortung und muss verantwortlich entscheiden.

GA: Wenn Sie weit zurückblicken: Wie hätte der teure Baustopp denn verhindert werden können?

Tirosh: Heute glaube ich, dass die Stadt, die Sparkasse KölnBonn und Honua die Rechte von Arazim hätten akzeptieren sollen. Dann hätten wir bereits im Jahr 2008 eine intensive Auseinandersetzung führen können. Das wäre produktiv gewesen. Wir hätten zwar mit Honua Meinungsunterschiede gehabt, wären aber als Profis zu einem Ergebnis gekommen. Dann hätte das Projekt einen positiveren Verlauf genommen. Wir hatten ein derartiges Gespräch auch angeregt.

Man hat aber Honua von uns regelrecht abgeschottet, als gäbe es uns gar nicht. Das war ein Fehler der Bonner Verwaltung und verschiedener Berater von Honua, die ja zugleich SMI Hyundai Corporation berieten. Inzwischen höre ich, dass man die Rechte von Arazim wieder in Abrede stellen möchte. Auch diesmal signalisieren wir Gesprächsbereitschaft.

Zur Person:

Zvi Tirosh wurde in Montevideo (Uruguay) geboren, ist 44 Jahre alt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Kanzlei Arnecke Siebold mit Sitz in Frankfurt am Main und vertritt die Firma Arazim. Der gebürtige Israeli spricht Hebräisch, Englisch, Spanisch und Deutsch und studierte von 1990 bis 1994 Rechtswissenschaft in Mannheim. Bis 2001 leitete er die Israelisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer (AHK Israel) mit Sitz in Wiesbaden. Tirosh ist verheiratet und hat ein Kind.