Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 02.09.2009

Die Millionenfalle, Teil 6

GENERAL-Anzeiger , 02.09.2009

von Das WCCB-Team

"Aus Liebe zu Bonn" oder "Die Zukunft menschlicher gestalten" oder "Die Bonn-Partei" stand auf den unzähligen Wahlplakaten Bonner Kandidaten - oder gar "Kompetenz für Bonn" über dem Kopf von Werner Hümmrich. Der FDP-Mann sagte nach der ersten Folge der GA-Serie "Die Millionenfalle" über die Entwicklung rund um das World Conference Center Bonn (WCCB): "Im Nachhinein ist man immer schlauer." Soll heißen: Was dort passiert, ist eine Art Durchschnitt aller Lebenserfahrung und wenig überraschend. Oder: "Kein Risiko ohne Chancen", urteilte einmal SPD-Fraktionschef Wilfried Klein über das WCCB. Das würde auch als Analyse für fast jedes Fußballspiel passen.

Georg Fenninger (CDU) war auch letzte Woche "nach wie vor optimistisch", dass die abermals von Honua Investment Management Ltd. (Hawaii) versprochenen 30 Millionen Euro bald in der WCCB-Baukasse landen. Der Optimismus kann nur auf fehlender Kenntnis der Zusammenhänge beruhen: Würde etwa Herr Fenninger für ein Projekt zahlen, wenn ein Gericht ihm gerade bescheinigt hätte, dass ebendieses Projekt längst einem anderen gehört? Natürlich kam das Honua-Geld - mal wieder - nicht, und Verwaltungschefin und Noch-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann stand wieder einmal mit leeren Händen da.

Hintergrund: Das Zukunftsprojekt Weltkongresszentrum, das bei den Kosten von zunächst 70, dann (mit mehr Hotelzimmern) auf 140 und jetzt fast 200 Millionen Euro davon galoppierte, steckt aus verschiedenen Gründen in der Sackgasse (der GA berichtete in den "Millionenfalle"-Folgen I bis V). Das Mammutprojekt, von Bonns Parteien einst bewusst auf ein privatwirtschaftliches Gleis gesetzt, befindet sich zudem jetzt auf einem Schachbrett mit undurchsichtigen Figuren. Investmentfirmen aus Zypern, Honolulu/Hawaii und Reston/USA führen das Zepter, gehalten von Israelis und mehrheitlich Südkoreanern. Und jeder von denen, so scheint es, plant vor- und weitsichtig und clever den nächsten Zug.

Bei dieser Hängepartie um die millionenschwere Eigentumsfrage ist die Stadt Bonn nur Zuschauer, hat allerdings einen zweifelhaften Joker im Ärmel: Sie könnte quasi als Notbremse das Heimfallrecht ausrufen, das jedoch angesichts der abenteuerlichen Projektgeschichte und vieler skurriler Nebengeschichten kein juristischer Selbstläufer würde.

Dann vorgestern Abend nahezu tumultartige Szenen im Bonner Stadtrat: Politiker fragen, und die Vertreter der Verwaltung glauben, dass ihre Antworten Antworten sind. Längst ist die Baustelle mehr geworden als nur ein Ort, an dem das Geld auszugehen droht; das WCCB ist auch eine Baustelle der kommunalen Demokratie geworden. Der gesamte Stadtrat, eine Versammlung gewählter Volksvertreter, ist zum Leben erwacht. Hinter den vielen Anträgen der Grünen aus der Vergangenheit nach mehr Aufklärung steht nun offenbar eine große, parteiübergreifende Riesenkoalition. Aus ihr schießen bohrende Fragen wie Pfeile auf das Antwortteam (siehe Bildtext).

Aus der öffentlichen Fragestunde: FDP-Mehr-Kompetenz-Mann Hümmrich gibt sich jetzt auch nicht mehr mit "Im Nachhinein ist man immer klüger" zufrieden - und schwimmt mit: "Mir ist kein Fall bekannt, wo die öffentliche Hand so an der Nase herum geführt wurde." Wen meint er? Die fließend Deutsch sprechenden Koreaner von SMI Hyundai? Benedikt Hauser (CDU): "Der Businessplan von vor einigen Jahren ist Makulatur." Sein Parteikollege und Ratsherr Klaus Peter Gilles: "Das schreit nach Aufklärung." Für Dorothee Paß-Weingartz von den Grünen steht fest: "Die Verwaltung täuscht die Öffentlichkeit." Und warum die Ankündigung, dass das Honua-Geld nun bis letzten Freitag auf einem Konto, wo es für die Stadt oder Sparkasse KölnBonn verfügbar wäre, eintrifft? Das erklärt wieder Hauser: "Das war die Warteschleife vor der Kommunalwahl."

Besonders heikel: die Baukostensteigerung. "Wir haben Schwierigkeiten, die Plausibilität der zusätzlichen 60 Millionen Euro zu erkennen", sagt Paß-Weingartz. Das sieht Hauser nicht anders: "Die Baurevision hätte extern geschehen müssen, nicht durch Herrn Naujoks", den Leiter des stadteigenen Betriebs "Gebäudemanagement". Hans Ulrich Lang vom Bürger Bund: "Wir möchten keinen Herrn Hong (Generalübernehmer SMI Hyundai Europe GmbH / Anm. d. Red.) mehr hier erleben, der uns ein X für ein U vormacht." Dieckmann versichert, "die Probleme sind uns lange bekannt", auch habe man "das Projekt gewissenhaft begleitet". Währenddessen sitzt Architekt Young Ho Hong ungerührt, zuweilen lächelnd, in der hinteren Reihe. Hong hat die WCCB-Baurechnungen geschrieben. Nicht nur das: Er ist der Geschäftsführer von SMI Hyundai Europe GmbH, eigens für den WCCB-Bau gegründet, und deren alleiniger Gesellschafter. Diese Funktionen hat er auch in der Hong Architekten GmbH. Beide Firmen sitzen in Berlin.

Es bleibt unterdessen weitgehend eine Fragestunde. Mit zunehmender Dauer fallen die Hemmungen. Lang weist auf die "aufwendigen Powerpoint-Präsentationen und Hochglanzbroschüren" der WCCB Management GmbH und fragt: "Was ist da tatsächlich außer einer schönen Verpackung? Was macht diese Firma mit dem vielen Geld, das sie von der Stadt für den Betrieb der Bestandsgebäude erhält, und wozu hat sie den Millionenbetrag für Marketingmaßnahmen verwendet? Welche Rolle spielt Herr Dr. Thielbeer - der Mann, der zunächst von der Verwaltung als Berater eingekauft wurde und mit seinem Gutachten die Politik von der Schlüssigkeit des Konzepts SMI-Hyundai überzeugte und anschließend selbst in die WCCB GmbH einstieg?"

Die World Conference Center Management Bonn GmbH (WCCB GmbH) ist die im August 2008 neu gegründete Betriebsgesellschaft, die den Kongressbau, der der UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC) gehört, einmal mit Leben und Erlösen füllen soll. Die Gesellschafterliste der WCCB GmbH erklärt an diesem Abend, warum Hong und Mit-Geschäftsführer Matthias Schultze im Rat nebeneinander sitzen: 94 Prozent Hong, und zu je vier Prozent Schultze und Thielbeer. Also wieder Hong, und von dem Besitzertrio fehlt im Rat Michael Thielbeer.

Die Debatte nähert sich nun dem Bereich Verantwortung. Gilles (CDU) erinnert daran: "Im WCCB-Unterausschuss wurde mir gesagt: Stellen Sie keine Fragen, sonst schaden Sie einem Projekt und damit dieser Stadt." Parteikollege Will Breuers, im Hauptberuf Staatsanwalt, sagt zu Dieckmann: "Wenn wir keine Fragen stellen dürfen, dann bitte ich, dass Sie die Gesamtverantwortung übernehmen." Vielleicht kommen einige Fragen jetzt auch zu spät. "Viele Fragen müssen jetzt andere von Amts wegen stellen", sagt Gilles, schlimmste Befürchtungen würden sich bestätigen.

Breuers wird konkreter: Er mache sich "juristische Gedanken, die weniger zivilrechtlicher Natur sind"; man müsse prüfen, ob städtische Mitarbeiter "Beihilfe zu Untreue und Betrug" geleistet hätten. Das ist der Moment, wo die Oberbürgermeisterin das Ende der Fragestunde einleitet. Auf der nachfolgenden Pressekonferenz sagt sie: "Ich werde nicht zulassen, dass Mitarbeitern der Verwaltung Beihilfe zur Untreue und Betrug unterstellt werden." Später wird sich Hauser für die CDU von Breuers Fragestellung distanzieren.

Die Ratssitzung zum WCCB endet wie zahlreiche vorhergehende: Wieder nur mündliche Berichte, und die gewählten Politiker "müssen mitschreiben wie Schüler - und das bei dieser komplizierten Materie", beklagt Paß-Weingartz. Doch Dieckmann sagt diesmal eine schriftliche Beantwortung der Fragen zu.

Es bleibt spannend: Werden diese Antworten in einem (aus Sicht der Verwaltungschefin) "verantwortbaren" Bereich, wie sie oft betonte, verweilen oder gar etwa Gilles ("Es schreit nach Aufklärung") befriedigen? Was bedeutet verantwortbar? Zudem in einer Demokratie? Es gibt Lebenslagen, da ist Schweigen besser. Allein aus taktischen Gründen. Zudem sitzen auf der Gegenseite Personen, die eine andere, asiatisch geprägte Verhandlungskultur perfekt beherrschen. Diese sind bisher jeden Nachweis schuldig geblieben, dass ihr Fehler in eigener Sache unterlaufen. Das muss man anerkennen.

Es gibt gute Gründe für beides: restlose und dosierte Aufklärung. Schweigen als Dauerkommunikationsform verträgt jedoch kein Stadtrat der Welt. Viele Fragen bleiben. Auch die: Was ist das Verantwortbare für die Demokratie in Bonn? Fortsetzung folgt.

Mitarbeit: Andreas Boettcher, Ulrich Bumann, Lisa Inhoffen, Rolf Kleinfeld, Bettina Köhl, Florian Ludwig und Ulrich Lüke