Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 18.05.2011

Die Millionenfalle, Teil 63

Erst Fristsetzung, dann Frist verstrichen, Entscheidung: Die Sparkasse KölnBonn machte am Dienstag ernst und beantragte für das World Conference Center Bonn (WCCB) die Zwangsversteigerung.

Damit wirkt der ganze parteipolitische Zauber der letzten Wochen wie Schall und Rauch. Der Hickhack im Stadtrat zwischen Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD), seiner Partei und Schwarz-Grün ging über Heimfall-Varianten und Zwangsversteigerung: Debatte, Beschluss, OB-Widerspruch, Widerspruch-Rücknahme, und dann kommt ein dritter WCCB-Akteur, die Sparkasse als größter Gläubiger, um die Ecke und vollzieht, was am 14. April im Stadtrat SPD- und FDP-Rednern noch als "Teufelszeug" galt. Zwangsversteigerung? Damit "gefährden Sie die Interessen Bonns". Oder: "Werden Sie nicht zum Totengräber des UN-Standorts Bonn." Und nun das.

Klaus Mustermann, der Durchschnittsbürger oder Volksvertreter und in der Regel kein Jurist, assoziiert bei bestimmten Begriffen immer zuerst das Falsche. So wie er beim Vorwurf der Bestechlichkeit bei Amtsträgern als erstes an persönliche Bereicherung denkt, nimmt er bei einer Zwangsversteigerung an, dass ein unbekannter Dritter nun ab Donnerstag mit einem Schlag, dem Höchstgebot, das WCCB ergattern könnte. Die WCCB-Historie lehrt jedoch: Der erste, vermeintlich stimmige Blick auf das Geschehen täuscht.

Auch könnte der Beobachter auf den ersten Blick nun annehmen, die Sparkasse sei der verlängerte Arm von CDU, Grünen und Bürger Bund Bonn (BBB) oder die Zwangsversteigerung das rationale Gebot der Stunde. Doch tatsächlich führt die Spur zum Sparkassen-Verhalten nach Brüssel: Seit Herbst 2010 steht die Sparkasse KölnBonn unter strenger Beobachtung von EU-Aufsehern.

Sie ist damals - durch einen Hinweis des mit den Sparkassen konkurrierenden Bundesverbands deutscher Banken (BDB) - ins Visier der EU-Taskforce "Finanzkrise" und der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen) geraten. Weil sie den Kölnern zu 70 Prozent und den Bonnern zu 30 Prozent gehört, wurde die Sparkasse (siehe Millionenfallen 43 und 44) gelegentlich und buchstäblich als "Hausbank" Kölns und Bonns für Projekte genutzt, für die andere Kreditinstitute keinen Cent herausgerückt hätten.

Köln lebte Medienstadt-, Bonn UN-Stadt-Träume. Jeweils an Realität und reellen Zahlen vorbei. Die Sparkasse assistierte stets nur im Sinne des rheinischen Besinnungsepos "De Herrjott un dat leeve Jeld".

Seit Herbst 2010 ist Schluss damit. Die Sparkasse muss sich fortan wie eine normale Bank verhalten. Das bedeutet: Sie muss ihre Interessen vertreten, nicht für die Verwirklichung der Träume Kölns oder Bonns sorgen. Aus diesem grundsätzlichen Gesinnungswandel heraus war es nur eine Frage der Zeit, bis die ultima ratio des Banker-Einmaleins zuschlägt: Zwangsversteigerung für das Prestigeobjekt.

Aus Sicht des Bonner Rathauses haben sich somit mitten im WCCB-Debakel die Spielregeln geändert: Mit der alten Sparkasse setzte man das Projekt auf die Schiene, mit der neuen Sparkasse kehrt man die Scherben zusammen. Allerdings hatte das Geldhaus bereits 2005/06, als dem mittellosen WCCB-Investor Man-Ki Kim von SMI Hyundai Corporation Millionenkredite zugesagt wurden, seine Finanzierungs-Gepflogenheiten für kommunale Leuchtturm-Projekte geändert und die Zügel angezogen: Weil Kim und sein "Firmen-Imperium" als wenig seriös erschienen, musste die Stadt erst für 74,3 Millionen, ab Mitte 2009 dann für insgesamt 104,3 Millionen Euro bürgen. Pure Spekulation ist die Frage, ob die neue, unter EU-Aufsehern agierende Sparkasse das Projekt damals überhaupt ermöglicht hätte.

Die Entscheidung "Zwangsversteigerung" hatte die Sparkasse nach GA-Informationen bereits Ende 2009 erwogen, aber dann offenbar auf Wunsch des Bonner Rathauses nicht durchgesetzt. 18 Monate später also jetzt doch. Der Verhandlungsmarathon zwischen Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) und Insolvenzverwalter Christopher Seagon, seit September 2009 Herr über die insolvente UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC/WCCB-Bauherr), entwickelte sich immer mehr zu einer teuren Hängepartie.

Allein sieben Millionen Euro Beraterkosten für die ohnehin an Schwindsucht leidende Stadtkasse. Das Handeln bricht nun die Schockstarre auf dem Schachbrett auf: Endlich Bewegung, wobei die Richtung noch offen ist.

Untrügliches Zeichen dafür ist die am Dienstagabend veröffentlichte Pressemitteilung der Stadt, auf die keine gewohnte "Gegen-Erklärung" anderer Parteien folgte: Das erste Gespräch zwischen Seagon und dem von Schwarz-Grün aus dem Hut gezauberten Bonner Rechtsanwalt Johannes Gather ist offenbar Erfolg versprechend verlaufen. Das bedeutet: Die beantragte Zwangsversteigerung baut jenen Einigungsdruck auf, der notwendig ist, um die Hängepartie zu beenden und Kompromisse zu beschleunigen.

Ob die Sparkasse nur damit droht, wie es vermutlich Teil des schwarz-grünes Kalküls bei einer selbst initiierten Zwangsversteigerung gewesen wäre, bleibt abzuwarten. Wie gesagt: Brüssel schaut zu. Dennoch ist damit der ursprüngliche Plan nicht aus der Welt: Sollte eines Tages aus der abgeschirmten Seagon/Gather-Verhandlungskammer weißer Rauch aufsteigen und der sogenannte einvernehmliche Heimfall zu erträglicheren Bedingungen für Bonn doch noch möglich werden, könnte die Zwangsversteigerung abgeblasen werden. Auch von der Sparkasse.

Davon abgesehen, geht nun, bei einer "aus eigenem Recht" (die Sparkasse ist größter Gläubiger) eingeleiteten Zwangsversteigerung, alles seinen Weg: Das Gericht wird als ersten Schritt einen neutralen Gutachter beauftragen. Dessen Aufgabe ist die Wertermittlung des unfertigen WCCBs nach langem Baustillstand und zwei frostreichen Wintern. Auch das wäre ein Fortschritt in der Sache. Nicht nur, um zu wissen, welcher Wert dort am Rhein überhaupt steht - nach den zahlreichen baufremden Millionen-Entnahmen aus dem Baubudget.

Der Wert wäre ein erster Anhaltspunkt, was noch zu bauen wäre und wie teuer das käme. Für wen? Das wäre die nächste Frage, denn Bonn strebt eine zügige und preiswerte Fertigstellung des WCCB an. Zügig wäre ohne europaweite Ausschreibung, preiswert ohne Mehrwertsteuerproblem. Bei 19 Prozent ergeben sich zweistellige Millionenbeträge als Einsparpotenzial.

Nur aus einer Zwickmühle kann die Verhandlungsstrategen niemand befreien. Eine gefühlte "Heuschrecke" räkelt sich weiter im Grundbuch und wartet auf den günstigsten Augenblick für eine schnelle, Profit versprechende Bewegung. Die zwangsläufig in einem Stadtrat öffentliche Debatte hat die Zuversicht des Investment-Unternehmens Arazims (siehe Millionenfalle 51) wachsen lassen.

Heimfall, egal in welcher Variante, verbessert die Aussichten - sei es, indem Arazim im Grundbuch bleibt, sei es, dass man mit guten Argumenten vor Gericht zieht. Nur das Gespenst "Zwangsversteigerung" erschreckt "Heuschrecken". Dieses Szenario könnte, zu Ende gespielt, null Euro für Arazim bedeuten. Deshalb war Dienstag kein guter Tag für die auf Zypern beheimatete Firma, die bisher als einziger WCCB-Akteur das gestrandete Projekt als Erfolgsgeschichte für sich verbuchen kann. Aus 10,3 Millionen Invest machte sie 13,3 Millionen. In wenigen Monaten (siehe Millionenfalle 1).

So wird in einer fernen Zukunft der 17. Mai 2011 in der WCCB-Chronologie als ein Tag des Fortschritts genannt werden. So oder so. Zumindest als ein Tag, an dem sich die Blockade lockerte. Aber auch als einer, an dem allen bewusst wurde, dass es den Königszug auf dem Schachbrett in dieser Angelegenheit nicht gibt: Das Instrument, das gleichzeitig Seagon erschreckt, Arazim und sonstige Restrisiken vertreibt, muss erst noch erfunden werden.